Polizei greift Gedenkdemo an Oury Jalloh an

Gruppe NoNazisDessau 08.01.2012 02:53 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Mehr als 250 Leute auf friedlicher Demo in Gedenken an Oury Jalloh. Brutales Vorgehen der Polizei. Muctar Bah in stationärer Behandlung und Demoteilnehmer/innen mit Schlägen und Pfefferspray traktiert.
Mehr als 250 Leute auf friedlicher Demo in Gedenken an Oury Jalloh. Brutales Vorgehen der Polizei. Muctar Bah in stationärer Behandlung und Demoteilnehmer/innen mit Schlägen und Pfefferspray traktiert.

Am 07.01.2012 fand in Dessau (Sachsen-Anhalt) eine Demonstration zum Gedenken an Oury Jalloh statt, der vor 7 Jahren im Polizeigewahrsam ums Leben kam. Im Vorfeld der Demonstration wurde versucht Aktivisten einzuschüchtern und ihr Recht auf Meinungsfreiheit einzuschränken. Mouctar Bah bekam vor der Demo Besuch von der Polizei in seinem Telecafé in der Dessauer Innenstadt.Die Beamten machten deutlich, dass die Aussage „Oury Jalloh das war Mord“ in Wort und Schrift strafrechtliche Konsequenzen für ihn und den/der jeweiligen Demonstrationsteilnehmer/innen haben werde. Im Unterschied zu den vergangenen Jahren hatte sich hiermit offensichtlich der neue Chef der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, Kurt Schnieber, bei seinen Beamten beliebt machen wollen, indem er zu konsequenterem Durchgreifen ermutigte.

Dieses Vorgehen der Polizei von Dessau verurteilen wir auf das Schärfste. Dies zeigt einmal mehr wie die Repressionsorgane gegen engagierte Menschen vorgehen, die sich für eine lückenlose Aufklärung im Fall Oury Jalloh einsetzen. Solange auch sieben Jahre nach dem Tod von Oury die Umstände nicht aufgeklärt sind und Polizeibeamte durch Verschweigen und Lügen eine Aufklärung aktiv verhindert haben, muss auch heute noch von der schlimmsten Annahme ausgegangen werden.

Ab 13 Uhr sammelten sich rund 250 Demoteilnehmer/innen auf dem Bahnhofsvorplatz in Dessau. Zum Auftakt der Demo wurde anwaltlich bestätigt, das, das Rufen von „Oury Jalloh das war Mord“ sowie das mitführen von Transparenten mit ähnlichen Inhalt nicht den Tatbestand der Verleumdung erfüllt. Dazu gab es noch eine Stellungnahme des Komitee für Grundrechte und Demokratie über den Lauti (zum nachlesen hier:  http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/).

Eigentlich sollte die Demo nach einem kurzen Redebeitrag beginnen. Doch dazu kam es nicht, denn die Polizei blockierte massiv die Demoteilnehmer/innen und kesselte die gesamte Demo ein. Die Einsatzleitung wollte einzelne Tranpis sicherstellen. Während der ersten verbalen Auseinandersetzungen und Schubsereien machten sich im Hintergrund BFE´ler bereit ihrem Ruf gerecht zu werden und hart durchzugreifen. Unter dem Vorwand, dass Seitentransparente die Länge nicht einhielten wurden Demoteilnehmer/-innen körperlich hart angegangen und Transparente entwendet. Nun konnte Mensch schon ahnen wie die Stimmung innerhalb der Polizei war, aber niemand konnte sich auch nur ausmalen was der Tag noch mit sich bringen würde. Vorher kam es bereits zu Handgreiflichkeiten inklusive Pfeffersprayeinsatz, als zwei Personen mit Kreide auf den Boden schreiben wollten.

Gegen 14.30 Uhr zog sich die Polizei zurück und die Demo konnte ihre genehmigte Route durch die Innenstadt laufen. Diese führte am Dessauer Landgericht und der Gedenkstele für Alberto Adriano vorbei, über den Marktplatz und zum Polizeirevier in der Wolfgangstrasse, in dem Oury Jalloh verbrannt ist. An den verschiedensten Punkten wurden Redebeiträge diverser Initiativen gehalten, an Passanten Flyer verteilt und der Bevölkerung lautstark eine andere Sichtweise als die Version der Polizei dargestellt. Dass die Mehrheit der Dessauer Otto-Normal-Passant/innen das Anliegen der Demonstrierenden als lästig empfanden oder dem gar abgeneigt gegenüberstanden, war auch hute noch vielfach deutlich zu spüren. Da hat das hochgelobte Dessauer „Netzwerk Gelebte Demokratie“ noch viel Arbeit vor sich.

Nach der letzten Kundgebung am besagten Polizeirevier ging es recht zügig zum Bahnhof. Aufgrund des schlechten Wetters freuten sich wahrscheinlich viele Leute auf eine gute und schnelle Heimreise. Doch dies sollte ihnen Einsatzkräften der Polizei schlagkräftig untersagt werden. Als die Demo den Bahnhofvorplatz erreichte standen schon die vermummten BFE´ler bereit, die zu Beginn schon ihren Ruf pflegten. Ab da geschah alles sehr schnell. Eine größere Menge an Demoteilnehmer/-innen geht ganz gewöhnlich in das Bahnhofsinnern. Die BFE´ler stürmen hinterher es kommt zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmer/-innen und der BFE. Hierbei kommt es zum Einsatz von massiver körperlicher Gewalt und Pfefferspray. Personen werden mit Kopfstößen verletzt und mit Schlagstöcken angegriffen. Mindestens 30 Minuten lang herrscht Ausnahmezustand im Bahnhof. Die Polizei kesselt, sperrt ab und lässt immer mal wieder eine Auseinandersetzung aufflammen.

Zwei Personen werden ärztlich behandelt. Bei den beiden verletzten Personen handelt es sich unter anderem um Mouctar Bah sowie einen Vertreter der Flüchtlingsinitiative Berlin/Brandenburg. Beide kommen in das Städtische Klinikum Dessau. Mouctar Bah befindet sich momentan in stationärer Behandlung da er auf Grund seiner Verletzungen nicht entlassen werden konnte. Unter den Leichtverletzten befindet sich auch eine Vertreterin des „Netzwerks Gelebte Demokratie“ der Stadt Dessau. Am Ende des Tages bleibt die Gewissheit, dass die Dessauer Polizei so empfundene Verleumdungen wieder einmal mit massiver Gewalt beantwortet.

Bleibt zu hoffen dass die Einschüchterungstaktik keinen Erfolg haben wird und antirassistischer und antifaschistischer Protest in Dessau entschlossen und laut weitergeht. Ein großes Dankeschön an die zahlreichen Demonstranten, an die Organisatoren und beste Genesungswünsche und Mut an die Verletzten.

IN GEDENKEN AN OURY JALLOH FÜR EINE LÜCKENLOSE AUFKLÄRUNG GEGEN POLIZEIWILLKÜR REPRESSION UND RASSISMUS
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Ergänzungen

Bewußtlose DemonstrantInnen im Dessauer Bahnh

y 08.01.2012 - 11:33
hier einige Fotos

Pressemitteilung, Presse

... 08.01.2012 - 13:11
Pressemitteilung der Initiative Oury Jalloh

Brutale Polizeigewalt bei Demo gegen rassistische Polizeigewalt
Mouctar Bah bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert


(Dessau, 7.1.12) Die friedliche Demonstration, die an den siebten Todestag, des in Polizeigewahrsam in Dessau zu Tode verbrannten Afrikaner Oury Jalloh, erinnern sollte, artete in einer unprovozierten Gewaltorgie der Polizei aus. Dabei wurden zahlreiche Demonstranten verletzt. Mouctar Bah, Initiator der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, wurde mehrmals von der Polizei geschlagen. Zum Ende der Kundgebung wurde er von mehreren Polizisten angegriffen, woraufhin er bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Am Anfang der Demonstration versuchte die Polizei gewaltsam die Verwendung des Begriffs „Oury Jalloh, das war Mord“ zu verbieten. Die Demonstranten weigerten sich und bezogen sich auf ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit und entsprechende Gerichtsurteile, was die Polizei nicht akzeptierte. Nachdem ihr Versuch scheiterte, das Transparent gewaltsam zu entfernen, fing die Polizei mit Provokationen und Angriffen an, trotz der friedlich verlaufenden Demonstration. Für die Demonstranten schienen die polizeiliche Provokation und Angriffe ohnehin geplant zu sein. Es wurden gezielt Aktivisten ohne ersichtlichen Grund provoziert und geschlagen. Mouctar Bah und vielen Demonstranten wurde unvermittelt ins Gesicht geschlagen und u.a. an Nasen und Augen verletzt. Bei der Schlusskundgebung wurde Mouctar Bah von mehreren Polizisten zu Boden gerissen und geschlagen, sodass er bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Er ist im Krankenhaus geblieben.

„Egal wie hart uns die Polizei angreift und verletzt, wir werden den Kampf zur Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh niemals aufgeben.“ so Komi, ein Aktivist der Oury Jalloh Initiative.

Am 9. Januar 2012 wird der Oury Jalloh-Prozess fortgesetzt,
am 19. Januar 2012 ist die Urteilsverkündung anberaumt.
 http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

Presse:  http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1325924634639&openMenu=1012902958319&calledPageId=1012902958319&listid=1018348861749

Polizei hat Wissentlich OVG Urteil übergangen

Aktenzeichen 2 M 156/06 08.01.2012 - 19:43
ovg Naumburg

 http://www.judicialis.de/Oberverwaltungsgericht-Sachsen-Anhalt_2-M-156-06_Beschluss_31.03.2006.html

1. Eine Auflage, mit der im Voraus bestimmte Äußerungen bei einer Demonstration verboten werden sollen, ist nur dann mit Art. 5 Abs.1 S.1 GG vereinbar, wenn sie so gefasst ist, dass sie nicht auch solche Äußerungen verbietet, die nach ihrer konkreten Darstellungsweise die Schwelle der Strafbarkeit möglicherweise nicht überschreiten.

(...)

Die in Satz 2 der Auflage 10 enthaltene Anordnung, "schriftliche oder mündliche Behauptungen, Oury Jalloh sei ermordet oder vorsätzlich getötet worden, sind verboten", ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtswidrig, weil sie so, wie sie formuliert ist, mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht vereinbar sein dürfte. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern: Jeder soll sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.08.1994 - 1 BvR 1423/92 - NJW 1994, 2943). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.08.1994 - 1 BvR 1423/92 - a.a.O.). Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet das Grundrecht der Meinungsfreiheit allerdings seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, weshalb beispielsweise beleidigende oder verleumderische Äußerungen, die nach den §§ 185 ff. StGB strafbar sind, nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Die Feststellung, ob eine Äußerung den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießt und ob sie die Tatbestandsmerkmale eines der Art 5 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Gesetze erfüllt, sowie die dann erforderliche Abwägung setzen allerdings voraus, dass die Äußerung in ihrem Sinngehalt zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.08.1994 - 1 BvR 1423/92 - a.a.O.). Dazu gehört es auch, dass Rechtsbegriffe, die im öffentlichen Meinungskampf verwendet werden, nicht ohne weiteres im fachlich-technischen Sinne verstanden werden dürfen, sondern den Umständen entnommen werden muss, ob eine alltagssprachliche oder technische Begriffsverwendung vorliegt. Einer entsprechenden Auslegung bedürfen demnach auch Begriffe wie "Mörder", "Mord" oder "morden", bei denen im jeweiligen Einzelfall anhand der getätigten Äußerung und unter Berücksichtigung der konkreten Äu..."

der Rest des Urteils muß leider bezahlt werden, dürfte so aber schon deutlich genung sein.

Fotos der Oury Jalloh Demonstration

Umbruch Bildarchiv 09.01.2012 - 19:15