Richter bezeichnet Nazis als schützenswerte Minderheit

addn.me 22.12.2011 01:32 Themen: Antifa Blogwire Repression
In Dresden wurde heute der erste Blockierer schuldig gesprochen. Das Gericht verurteilte den 22jährigen Studenten zu einer Geldstrafe von insgesamt 300 Euro obwohl der Naziaufmarsch zum Zeitpunkt seiner Personalienfeststellung am 19. Februar bereits abgesagt worden war. Der Ausgang des Verfahrens zeigt einmal mehr, dass Nazis in Sachsen scheinbar nicht nur machen können was sie wollen, sondern auch, dass Gegnerinnen und Gegner rechter Ideologie mit Massenüberwachungen und Strafverfolgung rechnen müssen. So begründete der Amtsrichter sein Urteil, damit, dass er "nicht in einem Staat leben [möchte], in dem Minderheiten nicht geschützt werden".
Unter den Augen des Dresdner Nazikaders Ronny Thomas wurde heute der erste Blockierer vor dem Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt. In dem Prozess gegen einen 22jährigen Studenten verurteilte der vorsitzende Richter Hajo Falk den Verstoß gegen das Versammlungsrecht mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 20 Euro. Außerdem muss der Student die Kosten des Verfahrens tragen. Das Gericht bewertete die Sitzblockade an der Kreuzung Löffler- Ecke Reichenbachstraße als besonders schwer, da damit einer "schützenswerten Minderheit" das Recht auf Versammlungsfreiheit beschnitten worden sein soll. Damit ging der Richter deutlich über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus, die eine Geldstrafe von 150 Euro gefordert hatte.

In seiner Urteilsbegründung kritisierte der Richter das Vorgehen der Verteidigung, die versucht habe, aus dem Verfahren einen politischen Prozess zu machen. Die Verteidigung hatte im Abschlussplädoyer versucht, auf den Unterschied zwischen "Rechts" und "Links" aufmerksam zu machen und vom Gericht ein politisches Signal verlangt. In der Verhandlung hatte ein Zeuge berichtet, dass zwischen der Räumungsaufforderung der Polizei und der Personalienfeststellung mutmaßlicher Blockierer mehr als zwei Stunden vergangen sein sollen. Es sei demnach jederzeit möglich gewesen, sich frei zu bewegen. Auch für Passanten war nach seiner Aussage nicht erkennbar, dass ein Aufenthalt an der Kreuzung nicht möglich gewesen sein soll. Etwa eine halbe Stunde nach der Personalienfeststellung hatten mehrere hundert von der Polizei eingeschlossene Demonstrantinnen und Demonstranten den Kessel durchbrochen und waren dabei von der Polizei mit Schlagstöcken angegriffen worden. Der Angeklagte äußerte sich erst in einem Schlusswort zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Er hielt es für bestürzend, wie in Dresden "mit friedlichen Demonstranten umgegangen wird". Diese Aussage wertete das Gericht als Schuldeingeständnis und verurteilte ihn wegen der Verhinderung eines genehmigten Aufzugs.

Dass sächsische Gerichte ihre Aufgabe einer zeitnahen Eröffnung der Verfahren nicht immer ernst nehmen, zeigen mehrere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit in und um Dresden. Am Amtsgericht Pirna wird derzeit ein Prozess gegen mindestens einen bekannten Nazischläger aus der Sächsischen Schweiz verschleppt. Er soll am Herrentag 2008 aus einer Gruppe heraus mehrere alternative Jugendliche angegriffen und verletzt haben.
Eine besondere Rolle nimmt das Landgericht Dresden ein. In der Verhandlung gegen die rechte Kameradschaft "Sturm 34" sah das Gericht im ersten Prozesskomplex die Vorraussetzung für die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung als nicht gegeben an und verurteilte mehrere der Nazis zu Haftstrafen auf Bewährung. Einzig einer der Köpfe von Sturm 34, Tom Woost, musste eine Haftstrafe antreten. Mehr als drei Jahre später musste das Verfahren wieder aufgenommen werden, da die Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Berufung eingelegt und Recht bekommen hatte. Im April 2011 wurden schließlich auch die zu Bewährung verurteilten Nazis der Kameradschaft Sturm 34 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Da die ursprüngliche Anklage jedoch mehrere Jahre zurücklag, kamen alle Angeklagten erneut mit Bewährungsstrafen davon.

Für Morgen ruft das Aktionsbündnis "Dresden Nazifrei" zu einer ersten großen und öffentlichen Mobilisierungsaktion auf. Ab 18 Uhr wollen Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses vor dem Haus des Buches neben einer symbolischen "Warm-Up-Blockade“ auch Flyer und Informationsmaterial verteilen. Am 18. Februar 2012 plant das Bündnis wie schon in den vergangenen beiden Jahren auch, den Naziaufmarsch mit Massenblockaden zu verhindern. Einen entsprechenden Aufruf dazu haben inzwischen schon mehr als 800 Menschen und knapp 150 Organisationen und Gruppen unterzeichnet.
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Ergänzungen

sachsen

putinisiert 22.12.2011 - 11:05
In Sachsen ist klar das wer Links bzw. Antifaschist ist mit mehr als der normalen Härte zu kämpfen hat. So dreist wie hier Leute verurteilt werden gehts wohl nur noch in dunkelsten Gerichten der Russischen Förderation. Ich hab erlebt wie Richter gleich von Beginn der Veranstalltung(was anderes war es nicht) klar machten das es nicht um den Fall an sich geht sondern um die Grundeinstellung des Angeklagten gegenüber den Staatsorganen. Und was da dieses Jahr in Hoyerswerda lief und noch läuft setzt der Sache noch die Krone auf. Tja und nun das.

Wen hat man sich da doch gleich vors Parlament gestellt? Dostojewski?

Inhaltliche Ergänzung

Klaus 22.12.2011 - 11:33
Es ist innerhalb einer Woche möglich Revision einzulegen. Wahrscheinlich sieht man sich also in 2. Instanz, das Urteil ist ja wohl mehr als fragwürdig. Der Richter verließ sich da sehr auf seine "feste Überzeugung" und bügelte andere Möglichkeiten wie es den zur Personalienfeststellung gekommen sein könnte einfach als "lebensfremd" ab. Überhaupt war die Feststellung, dass der Angeklagte zu irgendeinen Zeitpunkt zwischen 16:30 und 19:00 aus den Kessel gezogen und kontrolliert wurde, die einzig beweisbare. Daraus wurde dann unter selektiver Würdigung von 8 Polizeizeugen mit ausgesprochen selektiven Gedächtnis die, zumindest für den Strafrichter, zwingende Schlussfolgerung der Angeklagte hätte bewusst eine rechte Versammlung gesprengt. Dass erst eine Woche vorher ein mutmaßlicher Blockierer freigesprochen wurde, weil der Richter Zweifel daran hatte, dass sich alle im Kessel befindlichen Personen zwangsläufig der Versammlungssprengung strafbar gemacht hätten, tat für Richter Falk nichts zur Sache. Zu dieser eingeschränkten Wahrnehmung kommt auch noch die Unsportlichkeit des Richters, der die Verteidigungsstrategie und Aussageverweigerung offenbar persönlich nahm und glaubte dieses unbotmäßige Verhalten damit bestrafen zu müssen, die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe weit zu übertreffen.

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