Lohnkampf im Spätkauf erfolgreich beendet

teilnehmender beobachter 21.12.2011 14:55 Themen: Blogwire Soziale Kämpfe
Am 20. Dezember 2011 einigten sich die Parteien in
der Lohnklage von Daniel Reilig[fn:1] gegen den Besitzer des
Spätkaufs "Mumbai Corner in Berlin-Friedrichshain,
d. h. die Kammer musste kein Urteil sprechen. Über den Fall
wurde auch auf Indymedia ( http://de.indymedia.org/2011/12/322010.shtml) schon mehrfach berichtet.
Daher nur kurz zur Vorgeschichte:
Die streitenden Parteien hatten einen Vertrag
geschlossen, der für 25 Stunden Arbeit pro Monat[fn:3] eine
Entlohnung von 120,- EUR pro Monat vorsah (= 4,80 EUR /
Stunde). Das Arbeitsverhältnis bestand so 2 3/4 Jahre. In
der Lohnklage vertritt Daniel Reilig, er habe aber tatsächlich
rund 60 Stunden pro Woche gearbeitet (~= 50 Cent / Stunde).
Der Spätkaufbesitzer widerspricht dieser Behauptung
selbstverständlich.

Nachdem sich die Parteien im Vorfeld bereits auf die Höhe einer
Zahlung des Spätkaufbesitzers an seinen ehemaligen Beschäftigten
geeinigt hatten, ging es in dem Tauziehen vor Gericht um die
Frage, ob Daniel Reilig eine Bürgschaft für die in Ratenzahlungen
verlangen könne. Gerade der Prozesskostenhilfeantrag des
Arbeitgebers machte aber auch dem Richter deutlich, dass die
Angst, am Ende könnten die Zahlungen nicht eintreibbar sein,
begründet sind. Als Kompromiss kam dann statt der Bürgschaft
eine Einmalzahlung in Höhe eines Viertels der Gesamtsumme heraus
und dadurch verringerte Ratenzahlungen.

Weitere Punkte der Einigung umfassen ein Zeugnis, an dessen
Formulierungen die Rechtsanwältin des Spätkaufbesitzers bis ins
Detail herumfeilschte, offenbar um zu vermeiden, dass aus dem
Zeugnis deutlich wird, wie lang die geleistete Arbeitszeit
tatsächlich war.

Daneben umfasst die Einigung die üblichen Punkte, mit der
Einigung auf alle gegenseitigen Ansprüche zu verzichten und
-- in diesem Fall besonders: -- der Spätkaufbesitzer nimmt alle
Strafanzeigen zurück, die er im Laufe der letzten Monate
u. a. gegen Daniel Reilig und Personen, die für ihn als Zeugen
aussagten, gestellt hatte.

Widerstand auch in schwer organisierbaren Branchen möglich

Für die FAU Berlin und die Gruppe Internationale Kommunist_innen,
die den Fall öffentlich gemacht haben, ist der Ausgang des Verfahrens ein politischer Erfolg. Auch in schwer organisierbaren Branchen, wie den Spätkäufen ist Widerstand möglich, erklärte Florian Wegner von der FAU Berlin. Heinz Steinle von den Internationalen Kommunist_innen betont, dass in Lohnverhältnissen, in denen die Kolleg_innen den Laden durch Streiks nicht einfach dicht machen können, neue Formen der Solidarität erprobt werden müssen. Dazu gehört die Stadtteilorganisierung, wo eben Kund_innen, die ja meistens auch Nachbar_innen sind, sich für die Arbeitsbedingungen in den von ihnen bevorzugten Läden interessieren. In dieser Hinsicht wäre gerade im Samariterkiez in Berlin-Friedrichshain, wo es viele ex-besetzte Projekte gibt, noch viel mehr möglich“, meinte Steinle. Es ist sicher leichter, abstrakt alles böse irgendwo in der Welt anzuprangern oder die Ausbeutung um die Ecke anzugehen.
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Ergänzungen

Selbstbeweihräucherung

kamue 21.12.2011 - 17:20
„Für die FAU Berlin und die Gruppe Internationale Kommunist_innen, die den Fall öffentlich gemacht haben, ist der Ausgang des Verfahrens ein politischer Erfolg“.

Neben dieser Selbstbeweihräucherung hätte ich gerne etwas über die weit über 100 KollegInnen, NachbarInnen und FreundInnen gelesen, die auf verschiedenen Kundgebungen und Veranstaltungen ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht haben. Sie stärkten den Kampf des Kollegen David ebenso wie das Labournet und die TREND-Onlinezeitung, die den Fall öffentlicht machten und vom Späti-Inhaber dafür mit Prozessen überzogen wurden. Zu nennen wäre auch der politische Liedermacher, DetlevK., der aktiv die Soliarbeit unterstützte.

Quellen:
 http://www.trend.infopartisan.net/trd1011/t341011.html
 http://www.trend.infopartisan.net/trd1011/t281011.html
 http://www.trend.infopartisan.net/trd1011/t491011.html
 http://www.trend.infopartisan.net/trd1111/t221111.html


Wenn „Steinle“ meint, dass Mobilisierungsmäßig im Kiez hätte mehr drin sein können, dann zeugt dies von wenig Selbstkritikfähigkeit. FAU Berlin und Interkomm hatten schlichtweg politisches Neuland betreten und daher auch kein Konzept für die Mobilisierung von Solidarität für solch einen Arbeitskampf im Stadtteil. Sie legten daher ihren Schwerpunkt auf das Arbeitsgerichtsverfahren. Worin nun die erfolgreiche juristische Beendigung des juristischen Kampfes besteht, kann die LeserInnenschaft nur erahnen.

@kamue

eumak 22.12.2011 - 15:04
sicherlich nicht unrichtig. da lässt sich noch einiges mehr sagen. das man sich aufgrund mangelnder konzepte auf das juristische verlegt hat stimmt so allerdings nicht. der lohnkampf wurde lediglich zweigleisig gefahren. es wurde kontinuierlich und vielfältig druck aufgebaut wovon nicht alles für außenstehende wahrnehmbar ist. das hatte letztlich auch dazu beigetragen das der besitzer zu einer einigung bereit war. beide stränge lassen sich nicht von einander trennen.

4000 Euro Lohnnachzahlung

kamue 25.12.2011 - 19:23
Wie im Tagesspiegel vom 24.12.2011 auf S.26 zu lesen war, erhält David. R. vom Späti-Inhaber 4.000 Euro Lohnnachzahlung. Das macht bei 2 3/4 Jahre Beschäftigungsdauer und einer 60 Stunden-Woche bei schlecht gerechnet 130 Wochen Gesamtarbeitszeit 7.800 Stunden. Das bedeutet einen Stundenlohn, wenn mein Taschenrechner nicht spinnt: 51 Cent pro Arbeitstunde.

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