HH: 600 gegen Schreiber, Schilleroper besetzt

... 02.10.2011 22:25 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Unter dem Motto "Ganz ehrlich, es reicht" demonstrierten am Sonnabend, den 1.10.2011, an die 600 Menschen gegen die Vertreibungs- und Wohnungspolitik und für den Rücktritt des Bezirksamtsleiters von Hamburg-Mitte, Markus Schreiber (SPD). Die Demonstration führte vom bereits am Tag zuvor abgerissenen Zaun an der Kersten-Miles-Brücke durch die Innenstadt bis zu einem Straßenfest einer AnwohnerInneninitiative gegen Leerstand im Münzviertel. Parallel besetzten AktivistInnen die seit Jahren leerstehende "Schilleroper" in St. Pauli-Nord.
Um zu verhindern, dass Wohnungslose weiter unter der Kersten-Miles-Brücke auf St. Pauli nächtigen, hatte Schreiber vor mehreren Tagen einen 18.000 Euro teuren Stahlzaun errichten lassen. Nicht gerechnet hatte „Sheriff Schreiber“ (Hamburger Morgenpost) mit den massiven Protesten, die diese Maßnahme auslösen sollte.

Die Demonstration hatte ähnlich wie die Euromayday-Paraden starken Party-Charakter, die Hedonistische Internationale sorgte für musikalische Beschallung. Ein breites Bündnis, das von Initiativen aus dem "Recht auf Stadt"-Spektrum" bis zur Piraten- und Linkspartei reichte, hatte seit Anfang der Woche zu der Demonstration aufgerufen. Vorausgegangen war eine kleine Protestwelle am Wochenende und eine mediale Debatte, die dem Anti-Obdachlosen-Zaun auch bundesweit Schlagzeilen bescherte. Bezirksamts-"Sheriff" Markus Schreiber war dabei deutlich in die Defensive geraten, die Diskurse der "inneren Sicherheit" und "Sauberkeit" funktionierten nicht mehr. In der Hamburger Bevölkerung gab es eine breite Ablehnung des Zauns, der allerdings nur ein Symbol für die betriebene Ausgrenzungs- und Vertreibungspolitik gegen Wohnungslose ist.

Nachdem der Zaun am Mittwoch zum Thema in der Bürgerschaft geworden war, sich fast alle Parteien gegen die Maßnahme ausgesprochen hatten und auch der SPD-Senat einen Abbau in Aussicht gestellt hatte, wurde der Zaun am Freitagnachmittag, einen Tag vor der geplanten Demonstration, abgebaut. Auslöser war laut Presse der Rat des eingesetzten "Schlichters" Hans Peter Strenge (Synodenpräsident der Nordelbischen Kirche), den Zaun vor den Gesprächen abzubauen. Ursprünglich war ein Abbau nach dem "Mediationsverfahren", an dem sich Sozialverbände beteiligen sollten, in Aussicht gestellt wurden. So sollte Schreibers Gesicht in der Öffentlichkeit gewahrt bleiben. Im Gegensatz zu Caritas und Diakonie hatte die Obdachlosenzeitung "Hinz & Kunzt" einen Abbau des Zauns zur Vorbedingung für Gespräche gemacht.

Während der Abbau des Zauns vom Demonstrationsbündnis - das auch den Rücktritt Schreibers und eine Abkehr von der bisherigen Politik gefordert hatte - als "Etappensieg" gefeiert wurde, wurde ohne größeren öffentlichen Aufschrei eine weitere Maßnahme Schreibers zur Vertreibung unerwünschter Personen durchgezogen. Der Deutschen Bahn wurde Hausrecht auf den öffentlichen Vorplätzen des Hauptbahnhofs eingeräumt, um so deren Sicherheitsdienst Maßnahmen gegen "Trinker" zu ermöglichen. Ob sich Schreiber trauen wird, die angekündigte und bereits zum 15.9.2011 geplante Räumung des Bauwagenplatzes Zomia in Wilhelmsburg durchzusetzen, bleibt abzuwarten.

Parallel zur Demonstration besetzte eine Gruppe von AktivistInnen die seit fünf Jahren leerstehende, im privaten Besitz befindliche "Schilleroper" in St. Pauli-Nord. Rund 70 Menschen unterstützten die Besetzung. Während in Hamburg die Mieten in unbezahlbare Höhen steigen, stehen nicht wenige Gebäude in der Stadt, vor allem Büroräume, aber auch andere Häuser leer. Obwohl Fenster und Türen mit Brettern vernagelt wurden, während das Gebäude vor sich hin rottet, schafften es die AktivistInnen am Nachmittag, das Areal zu besetzen. Gegen 18.45 Uhr rückte die Polizei an, woraufhin ein Großteil der BesetzerInnen das Gelände verließ, von etwa einer handvoll Personen nahm die Polizei allerdings die Personalien auf.
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