Jugendantifa in Berlin der Weimarer Republik

teilnehmender beobachter 09.09.2011 16:25 Themen: Antifa Repression Soziale Kämpfe
Der Berliner Historiker J. F. widmete sich am Mittwochabend im Rahmen des Roten Abends der Internationalen Kommunist_innen (www.interkomm.tk) im Stadtteilladen Berlin-Friedrichshain der Geschichte des Jugendwiderstandes gegen die SA in Berlin zwischen 1930 - 1933.
Sie nannten sich “Lustig Blut” oder “Edelweiß”, ihr Motto war: “Wo wir Nazis sehn, da jibt’s Kleinholz”. Sie rissen Nazipropaganda ab und verhinderten gelegentlich ganz handfest Treffen von Faschisten in Kreuzberg. Hier entwickelte sich zwischen 1930 und 1933 die erste Jugendantifa. Der Berliner Historiker J. F. hat sich in einem kürzlich im Papyrossa-Verlag erschienenen Buch mit 18 Konflikten mit Todesfolge und politischem Hintergrund in der Endphase der Weimarer Republik befasst. Auf der Veranstaltung beschränkte er sich auf die Auseinandersetzungen in Kreuzberg und einen kurzen Exkurs nach Friedrichshain.


Walter Neumann – der Silvio Meier der Weimarer Republik

Der erste Kreuzberger Tote in den Auseinandersetzung zwischen SA und Antifa war der Jungkommunist Walter Neumann, der bei einen SA-Überfall auf das kommunistische Vereinslokal Helmuth in der Görlitzer Straße erschossen wurde. Bis zum Machtantritt der Nazis wurde alljährlich an Neumanns Todestag mit einer Antifademonstration an den toten Genossen gedacht. Es gab um diesen Tag herum Angriffe auf NS-Lokale. Mehrere Antifgruppen gaben sich den Namen des getöteten Kommunisten. Heute ist er weitgehend vergessen und es ist auch ein Verdienst von F. ihn mit seiner Arbeit aus dem Vergessen geholt zu haben.
Der Mord an Neumann war der Auftakt für eine neue Strategie, den Kampf um das rote Kreuzberg. Dort war die NSDAP in Feindesland und das war deren Berliner Gauleiter Goebbels durchaus bewusst, wie F. mit Zitaten aus dessen Schriften zeigte. Goebbels musste nach einen ersten Naziauftmarsch in Kreuzberg vor den Protestierenden unter Polizeischutz fliehen.
Doch mit Sturmlokalen, die zwischen 1929 und 1933 in ganz Berlin stark zunahmen, versuchte die Nazibewegung auch die für sie noch reniteten Arbeiter_innenviertel einzukreisen. Dabei hatten sie natürlich auch von einem Teil der Bewohner_innen, vor allem unorganisierten Arbieter_innen Unterstützung. Wie F. aber deutlich machte, bestand die Mehrheit der Mitglieder der SA-Stürme aus Klenbürgern mit Abstiegsangst ins Proletariat, nicht wenig waren schon am Beginn der Weimarer Republik als Freikorpsmitglieder an der Niederschlagung von Arbeiter_innenaufständen beteiligt.

Hans Hoffmann – der Kaindl der Weimarer Republik

Im Juli 1931 ist am Lausitzer Platz in Berlin-Kreuzberg der SA-Mann Hans Hoffmann bei einer Auseinandersetzung mit der Antifa so schwer verletzt wurde, dass er Wochen später starb. Danach wurden die Jugendantifastrukturen von der Polizei in kurzer Zeit aufgerollt. Insgesamt vier junge Männer, die als Antifaschisten und Kommunisten im Kiez bekannt waren, gerieten ins Visier der Justiz. Zwei starben später in NS-Haft. Der wegen schwerer Körperverletzung angeklagte Jungkommunist Kurt Gersing gehört dazu. Im Verfahren wegen des Todes von Hoffmann verteidigte er sich politisch: “Der Staatsanwalt hat von roten Terrorbanden gesprochen. Ich protestiere dagegen. Wenn junge Antifaschisten sich gegen Nationalsozialisten verteidigen, um ihr Leben zu schützen, sind sie noch lange keine Terrorbanden.” Gersing setzte die Widerstandsarbeit fort und wurde 1943 in Plötzensee hingerichtet.
Wer die Veranstaltung verpasst hat oder das Gehörte noch einmal anschaulicher präsentiert haben will, kann am 10. 9. auf einer Stadtführung J. F. zu einigen historischen Orten in Kreubzerg begleiten, an denen der Kampf der SA und die Arbeiterviertel auf Widerstand stieß. Der Stadtteilispaziergang beginnt am 10.9. um 16 Uhr vor der Wiener Str. 10 in Berlin-Kreubzerg.
Infos: www.antifa-fh.de.vu
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