Wetten auf die Apokalypse

Tomasz Konicz 18.07.2011 10:19 Themen: Blogwire Globalisierung
Selbst das Finanzkapital glaubt nicht mehr an den Fortbestand des Kapitalismus – und wette auf neue Krisenschübe.
Die größte Stärke des Kapitalismus bestehe laut dem Mantra seiner Apologeten in der nahezu unerschöpflichen Anpassungsfähigkeit, mit der dieses Marktsystem selbst die größten Herausforderungen und Krisen meistern könne – es komme nur auf die richtigen profitträchtigen Anreize an. Wie diese sagenumwobene kapitalistische Anpassungsleistung in der Praxis der gegenwärtigen Krise vonstattengeht, kann derzeit am Beispiel der neuen Investmentkategorie der sogenannten „Black Swan Funds“ (Schwarzer-Schwan-Fonds) studiert werden. Diese sich immer größerer Popularität erfreuende und auf den Finanzmärkten gehandelte Fondsart ist je nach Zusammensetzung darauf ausgelegt, von Krisenschüben, Staatspleiten oder Wirtschaftszusammenbrüchen zu profitieren. Benannt ist diese apokalyptische Geldanlage nach der in Finanzkreisen beliebten Denkfigur des Schwarzen Schwans, mit der unvorhergesehene und extreme Ereignisse von weitreichender Tragweite bezeichnet werden.

Dabei könne je nach Zusammensetzung des Black Swan Funds auf konkrete Ereignisse wie die Staatspleite von Griechenland gewettet werden, oder auf breiter gefasste Wirtschaftsentwicklungen, wie „Konjunkturabkühlungen in den Vereinigten Staaten und China, die eine globale Wirtschaftskrise“ auslösen könnten, erläuterte die New York Times (NYT). Diese nun „plötzlich auftauchenden“ Black Swan Funds würden Investoren in die Lage versetzen, Profite „im Fall eines Marktzusammenbruchs“ zu erzielen. „Unsere Kunden realisieren plötzlich, dass die Welt nicht so rosig ist, wie sie einstmals war“, sagte der Hedge Fonds Manager Ahmed Fattouh gegenüber der NYT. Viele Investoren hätten von der „Erholung der Märkte profitiert“, die dem ersten krisenbedingten Einbruch folgte, so die NYT, doch die „neusten Entwicklungen lassen viele das Schlimmste annehmen“. Duzende von Milliarden seinen bereits in Black Swan Funds investiert worden, die einen „kleinen aber wachsenden Teil der Finanzwelt“ ausmachten, da eine „wachsende Anzahl von Investoren Schutz vor finanziellen Endzeiten“ suche.

Dabei finden die Black Swan Funds im Rahmen der sattsam bekannten Spekulationsstrategie des sogenannten Hedging (abgeleitet vom englischen Wort für Einhegen oder Absichern: hedge) Verwendung, bei der Spekulanten mittels der Streuung von Investitionen sich gegen etwaige Risiken abzusichern versuchen. Die „Dealer“ dieser „Produkte“ verglichen sie am liebsten mit Versicherungen, erläuterte der britische Economist: „Investoren zahlen jedes Jahr Beiträge ein, um später die finanzielle Katastrophe vermeiden zu können.“ Der für die Kapitalanlagegesellschaft PIMCO tätige Fondsmanager Vineer Bhansali ließ bei der Begründung einer solchen Investitionsentscheidung gegenüber dem Economist seine philosophische Ader aufblitzen: Es sei ohnehin besser, „an Gott zu glauben, als die Konsequenzen tragen zu müssen“, wenn man als Atheist falsch liege. Dies Selbe gelte auch für - eigentlich unwahrscheinliche - drastische Markteinbrüche.

Die populärste Methode zum Aufbau eines Black Swan Funds bestehe laut dem Economist darin, eine Reihe von Finanzinstrumenten wie Kreditderivaten, Indizes oder Credit-Default-Swap (Kreditausfallversicherung) in einem Finanzprodukt zu bündeln, die unter normalen Marktbedingungen Verluste einbringen, aber bei Markteinbrüchen sehr schnell an Wert gewinnen. Die Black Swan Funds „kosten Geld in den durchschnittlichen Jahren, aber sie bringen dir ziemlich große Gewinne, wenn alle anderen Anlagen schlecht abschneiden“, erklärte der Fondmanager Gaurav Tejwani. Durchschnittlich verlören diese Fonds in normalen Jahren an die 15 Prozent ihres Wertes, doch betrögen die Gewinne bei einsetzenden Katastrophen zwischen 50 und 100 Prozent. Inzwischen Steigen auch die Schwergewichte der Branche in die Spekulation mit dem Zusammenbruch ein. Die Deutsche Bank legte beispielsweise den ELVIS-Index auf, der Profite bei hoher Volatilität der Märkte generiert, wie sie besonders in Krisenzeiten vorherrscht. Der weltgrößte Vermögenswertalter BlackRock, wie auch die zum deutschen Allianz Konzern gehörende PIMCO sind ebenfalls inzwischen in dieser endzeitlichen Finanzmarktsparte mit zweifelsohne großem Wachstumspotential vertreten.

Zu den Stars dieser noch relativ jungen, auf den Zusammenbruch der herrschenden Wirtschaftsordnung wettenden Finanzbranche zählt aber der Hedge Fonds 36 South Advisors LLP, der im Krisenjahr 2008 einen Gewinn von 234 Prozent erzielen konnte. Dabei gehen die Wetten auf die Apokalypse nicht immer auf, wie JHaworth, Mitgründer von 36 South, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg am Beispiel des katastrophalen „Nuklearbebens“ in Japan eingestehen musste, das einen „neutralen“ Einfluss auf die Anlagen dieses Hedge Fonds hatte. Die Katastrophe war nicht katastrophal genug: „Es war kein globales Schwarzer-Schwan-Ereignis. Es hat nicht alle Finanzmärkte kontaminiert, aber es war sicherlich ein Schwarzer-Schwan-Ereignis für Japan.“

Das linke US-Internetportal Alternet verwies aber darauf, dass der „Boom in Armageddon Fonds“ eine Folge, und nicht die Ursache der Krise des kapitalistischen Systems sei: „Die Banker sehen, dass das System inhärent instabil ist und dass Zusammenbrüche unvermeidbar sind,“ so Alternet. Während die Finanzjongleure eigentlich „keinen Kollaps der globalen Märkte sehen wollen, denken sie zugleich, dass sie wenigstens ordentlich Geld verdienen können“, wenn er sich ohnehin nicht vermeiden lasse. Die Black Swan Funds glichen somit laut Alternet eher Geiern, die bereits „strauchelnde Ökonomien“ ins Visier nehmen würden, um „in Fetzen zu reißen, was noch übrig ist.“ Das bekannte amerikanische Wirtschaftsportal Market Watch wählte eine andere Metapher, um das Geschäftsmodell dieser Finanzmarktsparte zu veranschaulichen: „Es ist, als ob der stadtbekannte Pyromane von Tür zu Tür gehen und Feuerversicherungen verkaufen würde.“
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Ergänzungen

Konkret werden

.... 18.07.2011 - 16:10
Quark mit SOße schrieb:
"Dann sollte und kommt gar nicht mehr darum herum, sich schnell von ihm verabschieden, wenn es darum geht, Krisendynamiken zu verstehen."

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wenn es darum geht, die gegenwärtigen Krisendynamiken zu verstehen, kommt man um den Begriff Finanzkapital nicht drum herum. Nicht umsonst heißt es auch Finanzkrise....wenn ein Land wie Griechenland zur Bedrohung für die Stabilität der Weltwirtschaft werden kann, dann sicherlich nicht wegen einer Überproduktion von Oliven und Fetakäse. Die sich in diversen Blasen ansammelnden Summen sind nicht einfach der sogenannten Realwirtschaft entsprungene Profite, die dort nicht mehr reinvestiert werden sondern wegen besserer Profitaussichten auf die Finanzmärkte drängen. Schon allein die Größe der Summe der auf den Finanzmärkten getauschten Fnanzprodukte liegt ein vielfaches über der jährlichen Gesamtproduktion. Sie ist also großteils durch keine reale Produktion gedeckt, sondern "aus dem Nichts" entsprungen. Oder auch künstlich erzeugt. Marx sprach von "fiktivem Kapital". Und wie sich mit "fiktivem Kapital" "reale Konkurrenz" vom Markt fegen lässt, an diese Frage trauen sich leider viele Marxisten in Deutschland nicht ran. Das wäre zu konkret. Stattdessen die alte Leier: es liegt am System. Es produziert notwendiger weise Krisen, durch die es sich erhält. Dies erklärt zwar nichts, aber dafür alles! Also wirklich erkenntnisbringend. Die "Systemleier" lässt sich immer und zu jeder Zeit anbringen. Ob heute, vor 50, 100 oder 150 Jahren, oder vielleicht noch in 50 oder 100 Jahren: immer ist der Einwand richtig, dass diese Krisen gar nicht systemimmanent verhndert werden können. Das System selbt ist der Fehler. Nur: wie Friedrich Engels schon bemerkte, Dinge, die man immer und überall sagen kann, sind nie und nirgends angebracht zu sagen.

Würden Marx und Engels noch leben, sie hätten sich über die allermeisten der Krisen-Analysen der Marxisten in Deutschland nur lustig gemacht, weil sie die Bäume vor lauter Wald nicht mehr sehen. Lenin sagte mal, die lebendige Seele des Marxismus besteht in der konkreten Analyse einer konkreten SItuation. Schade, dass IN DIESEM SINNE kaum noch ein Marxist Leninist ist.

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wer?

(A) 18.07.2011 - 11:41
ist denn genau dieser Finanzkapital? kann ich den mal besuchen?

Das ist Quark mit Soße

Quark mit Soße 18.07.2011 - 13:07
"Selbst das Finanzkapital glaubt nicht mehr an den Fortbestand des Kapitalismus – und wettet auf neue Krisenschübe."

Das ist natürlich Quark mit Soße, jedes Wirtschaftssubjekt im Kapitalismus beteiligt sich an ihm, gerade weil es in dessen Fortbestand vertraut. Das macht der Börsenmakler mit Aktioenpaketen so, der okospießige Bio-Papa, der sich bei Bio Company eben keinen Hamstervorrat Babynahrung anschfft und die Chaoten, die im Späti drei Sterni kaufen und nicht gleich 100. Auf diesem Vertrauen basiert doch das ganze alberne Gläserrücken. Wenn Investor*innen Finanzprodukte kaufen, die auf ein Wertverfall anderer Anlagen (wie z.b. Staatsanleihen) spekulieren, liegt das an der Ursache: Krisenschübe gehören zum Kapitalismus dazu, wie die Butter aufs Brot. Sie helfen ihm, seine Produktionsbedingungen beständig zu erneuern und überhaupt sich nach einem Hase-und-Igel Prinzip der Kritik zu entziehen und dieser damit das leben schwer zu machen. An der derzeitigen Euro- und Schuldenkrise lässt sich doch wunderbar durchspielen, wie politische und wirtschaftliche Eliten, in EU-Finanzministerräten, ifo-Instituten und Gipfeltreffen die Krise benutzen, um ihr angebliches Krisenlösungsmonopol in alle Welt rauszuposaunen.

Und dann frage ich mich, was mit Finanzkapital gemeint ist. Als ersten Arbeitsbegriff, der den gesellschaftskritischen Gedankenwust ordnet, kann man ihn bestimmt stehen lassen. Dann sollte und kommt gar nicht mehr darum herum, sich schnell von ihm verabschieden, wenn es darum geht, Krisendynamiken zu verstehen.

Finanzmarktakteure

Joe 18.07.2011 - 18:27
Ich verstehe nicht was an dem Begriff Finanzmärkte so unkonkret sein soll. Darunter versteht man Banken, Spekulanten, Ratingagenturen und ihre entsprechenden Lobbyorganisationen. Mit anderen Worten: Alle die derzeit systematisch einen nicht geringen Teil der Weltbevölkerung durch Spekulationen(z.B. auf Lebensmittel oder Staatsanleihen) ausbeuten.

jein

t 18.07.2011 - 23:10
@quark mit soße

"Krisenschübe gehören zum Kapitalismus dazu, wie die Butter aufs Brot."

Dieser ist anders.

1. geh auf  http://finance.yahoo.com/echarts?s=%5EDJI+Interactive#symbol=%5EDJI;range=my oder  http://finance.yahoo.com/echarts?s=%5EGDAXI+Interactive#symbol=%5EGDAXI;range=my und stell die skala auf "linear" datum kannst du so lassen oder auf den bereich frühe 1990er bis heute beschränken.

2. lies  http://en.wikipedia.org/wiki/Logistic_function#In_ecology:_modeling_population_growth & versuch die gleichung zu verstehen.

3. das unter 2. gelesene erzeugt in der theorie eine S-förmige sättigungskurve, trägt sich aber in der realität wegen der reaktionsträgheit des systems wie folgt (2 und 3) auf:  http://yesitsyomoma.files.wordpress.com/2011/04/population-growth-and-carrying-capacity-diagram.jpg

4. ich behaupte nicht, daß ein zusammenhang existiert, aber ich kenne keine parsimonischere erklärung als daß ein nahezu 1:1-zusammenhang des "dN/dt" und der formel hinter den indexverläufen besteht.

5. wenn dem so ist, ist der kapitalismus as we know it geschichte und wir befinden uns am scheitelpunkt des 3. overshoot nach überschreiten von K, in der zeit des übergangs in die "postkapitalistische" ära.

die meisten aktienindizes folgen dem muster spätestens ab mitte 2007 überraschend eng. china natürlich nicht so sehr (aber es kommt durch). japan hat den 1. overshoot nicht wegen der "lost decade". griechenland hat praktisch keinen 3. overshoot. K ist nicht zeitstabil, sondern fluktuiert ein bißchen (relative verteilung der kapitalakkumulation im globalen vergleich) - bei brd steigt es momentan marginal (export nach china wäre vermutlich ein teil davon), bei usa stagniert es, bei japan sinkt es. insgesamt schwingen sicherlich so 3/4 der börsennotierten weltwirtschaft in phase.

wir haben ungefähr ein dutzend jahre zeit; wenn dann keine lösung da ist kracht es zusammen ohne chance auf erholung (weil ressourcenproblem). die akute phase des zusammenbruchs wird sich (unter der voraussetzung kein atomkrieg) erfahrungsgemäß für die nächsten 2-3 generationen hinziehen.

wenn ihr also ernsthaft vorhabt kinder in die welt zu setzen, solltet ihr also über das obige nachdenken. und sonst kann es auch nicht schaden.

komische Wette, wie?

Denken 2.0 21.07.2011 - 02:19
"Fortbestand des Kapitalismus" und "nächste Krise" schließen sich durchaus nicht aus...

typisch indy-mods! "jein" von t IST ERGÄNZUNG

biopilz 25.07.2011 - 16:20
-find ICH jedenfalls!!

auch wenns über euren horizont gehen mag... oder dich/euch schlicht überfordert...?!

meine meinung: lass(t) im zweifel zeugs einfach mal stehen!!


u jetzt inhaltlich zu t:

> "...wir haben ungefähr ein dutzend jahre zeit..."

ich bezweifle erstmal dass es solange dauert mit dem FINALEN kollaps

ich vermute zumindestens die möglichkeiten der expansion des weltfinanzsystems in der ankerwährung us$ kommt in bälde an ihr ende!

keynsianisch gedacht:
um eine weltweite deflation zu vermeiden bräuchte es -ausser dem us$ (mind.) eine andere (welt)währung die weiterhin die bilanzen zu verlängern zuliesse:
die deutsche u europäische politik mit dem für die näxten jahre vorgesehenen neuverschuldungsverbot (ja sogar tilgungsabsicht!) ist erstens ohnehin VÖLLIGE illusion! aber schlimmer: gift für die konjunktur (-denn jeder verschuldung steht in selber höhe auch ein guthaben gegenüber u bei (rein-theoret.) tilgung verschwindet das tauschmittel das ja nur virtuell ist u soll u haben =0 ergibt...

die virtuelle blasenbildung entsteht ja nicht nur durch den zins u den damit verbundenen vermeintlichen wachstumszwang sondern vor allem durch das ungezügelte u durch neoliberale ideologie weithin beförderte aushebeln jeglicher kapitalverkehrskontrollen... stellt losgelöst von realen u realisierbaren werten mehrheitlich nur mehr fiktionen dar die nicht zu erfüllen sein werden...! -die "kunst" der blasenökonomie wird zusehends unbeherrschbarer - wenn kein vorzeitiger kollaps aufträte -den ich befürchte- hättest du vermutlich recht dh erst wenn mehr u mehr ihre fonds bzw renten bräuchten u feststellen es ist keines da dann kippt das weltwirtschaftssystem!!
allerdings: u mehr mein gefühl:
ists nicht so dass die verschuldung der meisten staaten bereits absehbar ansteigt u bei abzusehender abschwächener mind europäischer wenn nicht weltkonjunktur den geordneten schuldendienst verunmöglicht -so hoch dass ich mir nicht vorstellen kann dass das noch ein dutzend jahre weiterläuft mit diesem system ...?!


summasumarum:
chiemgauer u co ALLEINE ermöglichen keinen weltweiten waren - u dienstleistungsaustausch
-es braucht eine über den tellerrand-hinausgehende einigung: sowas wie "bretton woods" II



jedenfalls: ich bin gespannt wies weitergeht!!