Kurzbericht 1. Mai Mobilisierung Stgt. & HN

x 02.05.2011 01:33 Themen: Antifa Repression Soziale Kämpfe
Kurzer Bericht von der diesjährigen 1. Mai Mobilisierung in Stuttgart und Heilbronn inkl. ein paar Bildern. In Stuttgart fand am 30. April eine Vorabend-Demonstration mit etwa 300 TeilnehmerInnen, sowie ein Polit- und Kulturfest statt. In Heilbronn setzten mehr als 4000 Polizisten mit mehreren Kilometern Absperrgittern, Reiterstaffeln, BFE-Einheiten, hunderten in Gewahrsamnahmen, Schlagstockeinsätzen, Platzverweisen etc. den Aufmarsch von ca. 700 Nazis gegen den Protest von mehreren tausend AntifaschistInnen durch.
In Stuttgart fand zunächst eine Vorabend-Demo zum 1. Mai statt. Auf dem Weg zur Demo wurden sämtliche rote Fahnen, die die Bullen bei Vorkontrollen fanden, unabhängig ihrer Größe oder der Dicke des Stockes beschlagnahmt. Die Demo zog mit gut 300 Menschen durch die Innenstadt, es gab Reden gegen die Versuche der Faschisten, den 1. Mai für ihre Hetze zu missbrauchen, zu Klassenkampf, der Notwendigkeit einer Überwindung des Kapitalismus und mehr. Wie üblich wurde die Rede der Revolutionären Aktion Stuttgart vermummt gehalten. Im Anschluss an die Abschlusskundgebung gab es noch einen unangemeldeten Demonstrationszug zum Fest im und vor dem Linken Zentrum. Dort gab es Essen, Infotische, Stellwände, ein Quiz und Auftritte des Freien Chors und des HipHopers Crument. Das Fest endete nicht allzu spät, da es am nächsten Tag am frühen morgen zu den antifaschistischen Aktivitäten nach Heilbronn ging.

Ein Teil der AktivistInnen aus Stuttgart begab sich am nächsten morgen gegen 7 Uhr per Bus nach Heilbronn, mehrere hundert weitere kurz darauf in einem komplett vollbesetzten Zug. Weite Teile des Gebietes um den Heilbronner HBF wurden jedoch noch in der Nacht von der Polizei weiträumig mit Gittern abgesperrt und durften ab dem frühen morgen nur noch von AnwohnerInnen betreten werden. Mehr als 4000 Bullen inkl. allen möglichen Gerätschaften sollten den Nazis einen reibungslosen Ablauf ihres Aufmarsches sichern. AntifaschistInnen wurden schon mehrere hundert Meter von der Route der Nazis entfernt an Dutzenden Kontrollposten aufgehalten, wer es schaffte diese zu passieren, stand kurz darauf vor Absperrgittern, Zäunen, Polizeiautos und Reihen aus BFE und anderen Bulleneinheiten. Schon Stunden vor Beginn des Nazi-Aufmarsches wurden mehrere hundert AntifaschistInnen nach einer kurzen Demo in Richtung Bahnhof in Gewahrsam genommen. Sie verbrachten die nächsten 10 Stunden ohne Sonnenschutz und Essen, sowie die ersten Stunden auch ohne Wasser auf einem Sportfeld, das als Gefangenensammelstelle genutzt wurde. Hunderte weitere AntifaschistInnen, die am morgen mit Zügen ankamen, wurden direkt vor dem Bahnhof eingekesselt und ebenfalls für etwa 10 Stunden dort festgehalten. Mehrere Blockadepunkte wurden außerdem gewaltsam von der Polizei geräumt.
Eine für den Nachmittag gerichtlich durchgeklagte antikapitalistische 1. Mai Demonstration wurde dadurch verhindert, dass sich der Großteil der AktivistInnen die daran teilnehmen wollten in Gewahrsam oder im Polizeikessel befand, viele wurden außerdem durch die in der Innenstadt platzierten Absperrungen und Kontrollposten aufgehalten.
Etwa 250 AktivistInnen führten später dennoch eine nicht-angemeldete Demonstration zum Polizeikessel am Bahnhof durch, sie wurden daraufhin zeitweise ebenfalls eingekesselt und mehrfach angegriffen.

Die etwa 700 Nazis konnten zwar ihre geplante Route laufen, waren dabei jedoch von fast jeglicher Öffentlichkeit abgeschottet - die Bullen um sie herum dürften fast die einzigen gewesen sein, die etwas von ihrem Aufmarsch mitbekommen haben.


Was den Tag zweifelsohne geprägt hat, war der eindeutig politisch motivierte Polizeieinsatz: in breiten Kreisen, bis hin zu vielen PassantInnen die lediglich zum HBF gelangen wollten, bestand Einigkeit darin, dass es um noch mehr ging als die Durchsetzung eines Aufmarsches von ein paar hundert Nazis. Die Flugblätter und Plakate der Polizei im Vorfeld, die dazu aufforderten sich nicht an Blockaden zu beteiligen, das fast schon bizarre Aufgebot an Polizeikräften selbst auf engsten Räumen, die vielen hundert Absperrgitter, das massive Vorgehen gegen AntifaschistInnen, die Beibehaltung des Kessels inkl. mehreren Angriffen auch noch lange nachdem die Nazis bereits wieder abgereist waren, die Verhinderung der linken Demonstration bei gleichzeitiger Bereitschaft, den Nazi-Aufmarsch um jeden Preis durchzusetzen, die rechtswidrige Behandlung der festgenommen AntifaschistInnen etc. machten eines offensichtlich: es sollte ein Exempel statuiert werden, die revolutionäre und antifaschistische Mobilisierung sollte massiv angegriffen und praktisch verhindert werden. Den Menschen, die es wagten sich an Blockaden zu beteiligen, die sich bewusst nicht auf die, nur von Wenigen besuchten Pseudo-Proteste von ein paar DGB-Funktionären und bürgerlichen Vereinen beschränkten, die gar an einer von revolutionären Gruppen geprägten Mobilisierung teilnehmen wollten, sollten mit aller Wucht getroffen werden. Das die Polizei im Vorfeld die AnwohnerInnen dazu aufrief, am 1. Mai doch einen Ausflug zu machen und Heilbronn zu verlassen, scheint im Nachhinein fast schon einen Grund darin gehabt zu haben, dass die Polizeirepression möglichst ungesehen zuschlagen konnte.

Die einzelnen Bereiche der schwierigen und zu großen Teilen gescheiterten Mobilisierung erfordern sicher ausführliche Analysen, die Rückschläge müssen genau diskutiert werden. Dennoch sind auch zumindest ein paar positive Aspekte hervor zu heben: Die Nazis haben mit ihrem Versuch den 1. Mai für ihre Propaganda zu vereinnahmen in Heilbronn wohl eher das Gegenteil bewirkt. Die revolutionäre und die antifaschistische Mobilisierung waren durch zehntausendfache und unterschiedliche Veröffentlichungen in ganz Süddeutschland wesentlich präsenter. Während bei den vergangenen Aufmärschen von Nazis in Heilbronn lediglich ein paar hundert Menschen protestierten, waren es diesmal mehr als 2000 – dies obwohl insbesondere von Funktionären des DGB um Bernhard Löffler darauf hingewirkt wurde, dass Gewerkschafter aus anderen Städten bei den lokalen Kundgebungen und Festen blieben.
Bei allen die den Polizeieinsatz einigermaßen richtig einschätzen, dürfte die Bereitschaft zukünftig noch mehr gegen diesen Apparat und das System, das solche Vorgehensweisen beinhaltet, aktiv zu werden, deutlich angewachsen sein.


Vollständigere und umfangreichere Berichte werden sicher in den nächsten Tagen noch folgen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Nachbereitungstreffen

Name 02.05.2011 - 11:38
In Stuttgart gibt es am Samstag, den 07. Mai um 17 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann ein gemeinsames Treffen für die Nachbereitung.
Am Abend findet dort außerdem ein antifaschistisches HipHop Konzert zum 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus, statt.

politisch motivierter Polizeieinsatz

zweifellos 02.05.2011 - 14:12
Der Analyse zum politisch motivierten Polizeieinsatz ist 100%ig zuzustimmen. Ziel war es nicht nur, die Nazis marschieren lassen, sondern auch, die Antifaschisten zu demütigen und einzumachen. Während den Nazis unter dem Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein Aufmarsch unter massivem Gewalteinsatz ermöglicht wurde (hier habe ich einen anderen Eindruck als der Artikel, die Nazis hatten eine schöne, weite Route, waren sehr laut und hatten viel Beachtung), wurde beides den Antifaschisten komplett verwehrt - an DEM linken Feiertag. Nach Ulm scheint sich dies in BaWü mittlerweile als gängige Praxis zu etablieren. Darauf muss reagiert werden, auch vonseiten der Gewerkschaften, die sich dabei bislang eher zum Komplizen gemacht haben.
Mich wundert im überigen auch, dass das Bündnis auf  http://heilbronn-nazifrei.de/ zu den Kesseln bislang keine Stellung genommen hat. Ich hatte übrigens schon bei dem (sehr zentralistisch geführten) Ticker den Eindruck, dass man sich hier ein wenig in die Polizeistrategie hat einbinden lassen und fände eine Stellungnahme hierzu angebracht.
Noch ein Beispiel, für den Rechtsnihilismus, der sich breit macht, wenn die Polizei derart von der Leine gelassen wird. Auf der Rückfahrt auf der A81 Richtung Stuttgart öffnete ein Konvoi von Einsatzfahrzeugen eine "Rettungsgasse", d.h. sie fuhren mit Blaulicht im sehr zäh fließenden Verkehr zwischen der 2. und 3. Spur von Links hindurch. Dadurch wurde der Verkehr weiter verlangsamt und es kam beim "Öffnen" und "Schließen" der "Rettungsgasse" zu mehreren brenzligen Szenen, einige KM weiter hat auch offensichtlich ein Unfall stattgefunden, ich weiss aber nicht, ob ein Zusammehang besteht. Die Rettungsgasse ist für Einsatzfahrzeuge, die schnell Hilfe leisten müssen, nicht aber für Beamte, die schneller in den Feierabend möchten (nachdem sie noch Linke kesseln und verdreschen mussten, nachdem die Nazis längst abgereist waren). Aber wer sich schon den ganzen Tag aufgeführt hat, wie eine militärische Besatzungsmacht...
A Propos: Hat jemand die dunkelgrünen LKWs hinterm Bahnhof zwischen den Polizeifahrzeugen gesehen? Hatten die ein Y-Kennzeichen?

Re: Nachbereitungstreffen

No-Name 02.05.2011 - 17:16
Nachbereitungstreffen des Blockadebündnisses oder nur bestimmter Stuttgarter Zusammenhänge?

Info zum Nachbereitungstreffen

asdgfewrger 02.05.2011 - 21:05
Das Nachbereitungstreffen ist nicht explizit vom Blockadebündnis, sondern eher für die die aus Stuttgart nach Heilbronn gefahren sind.

Fotos

anonym 02.05.2011 - 23:38

genervte_r

... 03.05.2011 - 14:18
was geht denn hier gerade für eine diskussion ab?

mensch kann die niederlage vom 1.mai an vielem fest machen, wer aber behauptet, es läge an irgendeinem sektierertum, der verschließt seine augen eindeutig vor der realität.

die kessel/polizeistrategie war seit langem so geplant und in diesem ausmaß an repression, selten gesehen. was da zum teil abging war nicht mehr feierlich und das hat nichts mit rumgeheule zu tun. menschen wurden 11 stunden in "freiluftgewahrsam" (ohne konkreten grund) festgehalten, ohne essen und sonnenschutz. und in den bürgerlichen medien wird ein "bedrohungspotenzial" herbei illusioniert (vermeintliche holzlattenangriffe).

natürlich gab es auch versäumnisse bei der eigenen bündnis-arbeit, die werden bestimmt auch nachgearbeitet.
aber kann jetzt nicht mal solidarisch mit den menschen gehandelt werden, die betroffen sind von repression?
wo hat mensch sich zu melden, wenn es um evtl. strafanzeigen geht? gibt es existierende rote-hilfe-strukturen in der region? sind schon klagen gegen diese unverhältnissmäßige kessel am laufen?

produktiv sein, nicht motzen!

mit was wir es konkret zu tun hatten:

bissle viel 03.05.2011 - 23:33
Artikel in der "Südwestpresse" (Ulm):

Polizeieinsatz kostete mehrere Millionen Euro

Der Großeinsatz der Polizei am 1. Mai in Heilbronn kostete mehrere Millionen Euro. Allein der Aufwand für Personal, Unterbringung und Verpflegung der rund 3000 Beamten der Landespolizei aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz summierte sich nach Schätzungen der Heilbronner Polizeidirektion auf rund zwei Millionen Euro. Nicht enthalten sind in dieser Aufstellung die Kosten für mehrere hundert Fahrzeuge und zwei Hubschrauber. Hinzu kommen außerdem die Ausgaben der Bundespolizei, die mit über 900 Beamten aus mehreren Bundesländern und einen Helikopter den Bahnhof schützte. Die meisten Polizisten waren ohne An- und Abreise zwölf Stunden im Einsatz.

Gegen sieben Personen aus dem linken Spektrum sind Strafverfahren wegen Beleidigung, Körperverletzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet worden. Gegen einen rechten Demonstranten wird wegen Volksverhetzung ermittelt.

Autonome, die in Gewahrsam genommen worden waren, haben nach Polizeiangaben die Innenausstattung einer Sporthalle "ziemlich zerstört und verschmutzt". Alle Steckdosen seien herausgerissen worden, die Halle sei als Toilette missbraucht worden. Auch der Bereich vor der Polizeidirektion war zugemüllt worden. "Die haben sich benommen wie Schweine", schimpfte ein Polizist. hgf



 http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Polizeieinsatz-kostete...

@christian

nazibilder 06.05.2011 - 12:13
oh doch, die gibt es reichlich:
 http://linksunten.indymedia.org/node/38889

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

SOLIDARITÄT — cercania

Schade... — No-Name

Bilder? — Christian