[bln] "Gentrifizierung von unten"

wat'n 19.04.2011 21:00 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe Ökologie
Die Berliner Großmarkt GmbH (BGM), die Eigentümerin zahlreicher Markhallen und Märkte in Berlin, hat heute über die sogenannte Markhalle IX im Kreuzberger Eisenbahnstraße-Kiez entschieden. Den Zuschlag bekamen mit der Investorengruppe Markthalle IX bürgerliche Akteure, die in wenigen Jahren das Quartier um die Eisenbahnstraße komplett verändert und die marginalisierten Menschen aus dem Kiez vertrieben haben. Das Bionade-Bürgertum kann sich nun ihr Slow-Food Paradies aufbauen, den Kreativprekären in den eigenen Reihen Projekträume zur Verfügung stellen und vor allem einen geschlossenen Raum für hochpreisiges Einkaufen im Kiez etablieren. Soziale Ansätze oder Nachbarschaftsarbeit interessiert die vermeintlich lokal eingebundenen Grasswurzel-Projektgruppenmitglieder_innen wenig. Schließlich sind sie Investor_innen und sie wollen verdienen. Als Lieferantin wartet schon die Prnzessinnengärten GmbH.
War der Kiez um die Eisenbahnstraße bis in die Mitte der 90iger Jahre hinein ein Industriestandort mit verschiedenen mittelständischen Betrieben, einer heterogenen migrantischen Bevölkerung und anderen marginalisierten Menschen, änderte sich dies in den vergangenen Jahren massiv. Seit drei Jahren stiegen die Mieten um über 20 Prozent. Schon vorher zogen (weiße) Bürgerfamilien ins Quartier. Es kamen diejenigen, denen Mitte, der Kollwitzplatz und der Friedrichshain zu teuer wurden. Außerdem fanden sie im Kiez gleichgesinnte Bürger_innen.

Christoph Albrecht, der Chef der Bürgerinitiative "FreundInnen der Eisenbahnhalle", nennt die Verdrängung ökonomisch schwächer ausgestatteter Menschen gegenüber der taz eine angestrebten "Gentrifizierung von unten" (siehe  http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/handeln-mit-der-markthalle), von der die Anwohner_innen im Kiez profitieren würden. Das damit allerdings nicht die vor der Verdrängung dort Wohnenden gemeint waren, unterschlägt Albrecht. Angesichts solcher Äußerungen ist es nicht verwunderlich, daß Albrecht einer der fünf Investoren des als alternative (Bio-) "Projektgruppe Markthalle IX" verklärte Bündnisses ist. Zwei weitere pseudoalternative Investor_innen sind die Sterne-Köche Bernd Maier und Florian Niedermeier, die am Kollwitzplatz das Nobelrestaurant "Meierei" betreiben.

Sämtliche Berliner bürgerlichen Zeitungen vom Tagesspiegel über die Springerblätter bis zur taz loben das vermeintliche Bio-Grasswurzel-Projekt. Selbst emanzipatorische Zusammenhänge engagieren sich zu Beginn. Allerdings ist, wenn mensch sich das Projekt, die Akteure und die anvisierten Konsument_innen betrachtet, schnell klar, daß es weder um soziale Teilhabe, noch um gutes Essen für wenig Geld geht. Die Investorengruppe Markhalle IX will in einem gentrifizierten Kiez Spezialitäten verkaufen. Slow Food statt Social Food ist das Ziel, wobei mit slow teuer gemeint ist.

Dem Senat gefällts. Die SPD frohlockt, schließlich ist die soziale Durchmischung und die gesteigerte Kaufkraft im Kiez gesichert. Die Grünen freuen sich ebenfalls. Sie sehen gentrifizierte Quartiere - ob nun von oben oder von unten - und ihre bürgerliche Wählerschaft ökologisch nachhaltig heranwachsen.

Die Prinzessinnengärten, antisexistisch und multikulturell weichgespült, sind ein fester Partner der Investorengruppe Markthalle IX. Die Inszenierung dieser städtischen Ökobauern mit Hang zur nachbarschaftlichen Missionierung von ehrenamtlichen Arbeitskräften ist als kommerzielle GmbH organisiert. Es wurde weder ein Verein noch eine Genossenschaft gegründet. Die Prinzessinnengärten wollen Prifit machen und setzen hierbei auf ein Inszenierung als soziales Projekt, was sie mitnichten sind.

Beide, die Investorengruppe Markthalle IX und die Prinzessinnengärten, sind tatsächlich eine weitere Form einer vermeintlich sanften Verdrängung in den Kiezen. Als Bürger_innen-Initiativen mit sozialem, alternativen oder ökologischen Anspruch simulieren sie eine nachbarschaftliche Grasswurzelorganisierung, die allerdings gegen marginalisierte Menschen gerichtet ist. Diese Gruppen sollten keine Bündnispartner_innen sein. Sie sind und bleiben Teil der Gentrifizierung, auch wenn sie als eine von "unten" kommende verklärt wird.
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Ergänzungen

Trostlose markthalle

Ant 20.04.2011 - 03:52
Die markthalle IX jahrelang bewußt aber warscheinlich aus verpeiltheit runtergewirtschtet,
naja irgend was mußt da mal passieren

slow food

pinocchio 20.04.2011 - 12:15
der begriff slow-food erscheint mir im zusammenhang mit teuer eher nicht angebracht.

slow-food bezeichnet eher den versuch durch regionalen anbau die natürlich biodiversität aufrecht zu halten! schlagwörter wie ökologisch und sozial passen im kontext von slow-food irgendwie besser.

nichts desto trotz ein interessanter artikel der die konfusen wirren der kapitalistischen stadtentwicklung offen legt

 http://de.wikipedia.org/wiki/Slow_Food

Slow Food und die Investor_innen

sucherInnen 20.04.2011 - 20:57
Was die Investor_innen-Gruppe Markthalle IX unter Slow Food verstehen ist in einem älteren Artikel im Neuen Deutschland nachzulesen. Mit regional und Biodervisität hat es etwas zu tun. Allerdings kommt bei den Bionade-Neu-Markthallenbesitzer_innen eine soziale Ignoranz und sozialer Chauvinismus hinzu.

"Der Gastronom Bernd Maier erklärt ihre Idee so: »In der Markthalle sollen handwerklich und kulturell hochwertige Lebensmittel verkauft werden, die möglichst aus der Region kommen.« Nikolaus Driessen ergänzt: »Die Markthalle soll lokal verankert sein, muss aber über den Kiez hinaus strahlen, um wirtschaftlich funktionieren zu können.« Daher gebe es beispielsweise eine enge Zusammenarbeit mit der Organisation »Slow Food«, die sich für den bewussten Genuss von Essen und Trinken einsetzt. Wie diese Qualität für finanziell schwächer gestellte Anwohner bezahlbar sein soll, bleibt bei den Ausführungen unklar. »Früher gaben die Menschen 60 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus«, argumentiert Maier. Dass viele Menschen diesen Anteil heute für ihre Miete aufbringen müssen, sei ihm bewusst. »Doch sie kaufen auch so viele andere Dinge.«"

kompletter Artikel hier  http://www.neues-deutschland.de/artikel/189176.markthalle-ix-bald-in-neuem-altem-glanze.html

Irrglaube

Bauer 21.04.2011 - 10:04
Ich frage mich immer, wer diesen Irrglauben in die Welt gesetzt hat, dass gesunde und regionale Ernährung teurer wäre als die beim Discounter. Eine frische Kartoffel vom Acker nebenan ist viel günstiger als die Tiefkühlpommes aus der Tüte und ein etwas schrumpliger Apfel aus Brandenburg kostet deutlich weniger als diese hochgezüchteten glatt-glänzenden Dinger aus Neuseeland (vom Wahnsinn, Äpfel durch die ganze Welt zu transportieren mal ganz abgesehen). Die Idee, dass bewusste Ernährung ein Privileg für Besserverdienende sei, ist ein dummes Vorurteil, genauso wie dass Gentrifizierer_Innen am Latte oder der Bionade in der Hand zu erkennen seien. Wer solche schwachsinnigen Aberglauben pflegt, verliert ganz schnell den Blick für die wahren Probleme.

Prinzessinnengarten

Klaus 28.08.2011 - 08:25
Ob es grundsätzlich etwas ändert sei dahin gestellt, aber der Prinzessinnengarten wird von einer gemeinnützigen, nicht wie es im Beitrag heisst von einer kommerziellen GmbH betrieben. Was im Prinzip bedeutet, dass der mögliche Profit nicht privat angeeignet werden kann, sondern zurück in das Projekt fließt.

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ähm?

merkst du es noch? 20.04.2011 - 09:13
Was könnte an der Formulierung "Migranten und andere Maginalisierte" totaler Blödsinn sein??

@ähm

wat'n 20.04.2011 - 09:59
Sorry, wir sind alle nur Menschen und nicht fehelerfrei.
Habe in der Eile eben mal das Gendern vergessen.
Natürlich muss es heißen:
"Migrant_Innen und andere Maginalisierte"
Kommt nicht wieder vor.

es ging mir absolut

nicht ums 20.04.2011 - 11:14
Gendern.
Es geht mir um die Tatsache, das du in der Formulierung -vermutlich ungewollt- Migranten per se mit Marginalisierten gleichstellst. Und das hat wirklich nix mit "jeder macht mal Fehler" zu tun, sondern spiegelt ziemlich klar den rassistschen deutschen Mainstream-Diskurs wieder.
Du bist natürlich kein Rassist, aber mit dieser Formulierung wird die permanent gepredigte Sichtweise 'Migrant= Ansammlung von Problemlagen' zumindest unbewusst widergegeben.

Das ist ja auch kein Einzelfall, in linken Flugblättern zu Gentrifizierungsproblematik tauchen immer wieder Summierungen wie "Arbeitslose, sozial Schwache, alleinerzihende Frauen und Migranten" auf. Das der Migrant an und für sich höchstens in den Homogenisierungsphantasien weltfremder Tagesspiegel-Konsumenten eine sozial einheitliche Kategorie darstellt, ist eine leider auch in der Linken immer noch nicht weitverbreitete Erkenntnis.

Der Migrant ist grundsätzlich sozial schwach, marginalisiert und noch schlimmeres. Zumindest diese Sichtweise ist derzeit diskursiv ziemlich durchgesetzt.

aber es sagt ja auch schon eine Menge aus, dass das niemandem mehr auffällt und zuerst an die korrekte formale Gender-Schreibweise (die mir echt am Arsch vorbeigeht-jeder softcore sexist kann _Innen überall dranhängen ohne auch nur eine Verhaltensweise zu ändern)gedacht wird.

Davon abgesehen ist es natürlch scheisse, das weite Teile innerhalb des S-Bahnrings bald nur noch von Mensch_Innen mit einem Netto-Einkommen über 1000,- bewohnt werden können.

Korrektur

ant 20.04.2011 - 11:24
ich meint runtergewirtschaften und nicht runtergewirtschtet am handy kann das passieren.

In keinem Artikel

zum 20.04.2011 - 13:28
Thema Gentrifizierung darf die Bionade fehlen.
Ich liebe Klischees.

bionade

muss ausgefüllt werden 20.04.2011 - 13:57
"Die zum Oetker-Konzern gehörende Radeberger-Gruppe übernimmt mehr als 51 Prozent des Bio-Brause-Herstellers. Laut einem bericht des Manager Magazins soll Konzernchef August Oetker persönlich das Geschäft im Hintergrund eingefädelt haben. "

 http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/bionade-geht-an-radeberger

@ähm?

zxt 20.04.2011 - 15:39
Merkst du noch was?!?
Da steht Maginalisierte und nicht Maginale!
Idiot!

@ ähm, wat`n,zxt

nun 20.04.2011 - 16:05
streitet mal nicht weiter,im übrigen schreibt man marginalisierte mit r...

Gentrifizierung juchhey!

abc 20.04.2011 - 17:07
Ja ja, zieht mal alle nach Neukölln, trinkt lieber eure Mate anstatt der Bionade und diskutiert in eurer verputzten Dielenwohnung über Gentrifizierung. Alternative und linke Menschen haben in der Vergangenheit immer einen guten Nährboden für Künstler, Grafiker und selbstständige Designer geliefert, denen dann Jahre später die Muttis, Cafés und Biofreunde folgen. Es is nunmal wie es is, daran ändert dieser Artikel auch nichts mehr. Diese Entwicklung hat sich durch ganz Ostberlin (geografisch) gezogen und wer daran im Einzelnen schuld ist, ist umstritten und auch einerlei. Es gibt wahrlich wichtigere Probleme. Mal über den Kiez hinausschauen und gucken, was für ne Scheiße in Marzahn, Wedding oder Zehlendorf abläuft, Freunde. Ansonsten steht da auch noch ne ganze Welt zur Verfügung mit Ölkatastrophen, AKWs, Rechtspopulisten und Bürgerkriegen. Nur um mal eine Auswahl mit wichtigeren Themen zu präsentieren...


P.S.: hat eigentlich schonmal jemand von euch wirklich mit Migrant_Innen gesprochen und gefragt, wie die diese ganze Diskussion wahrnehmen oder gehts euch nur darum, dass IHR da nicht mehr hinziehen könnt, weil ihr euch die Mieten nicht leisten könnt?

slow food

Geizhals 20.04.2011 - 21:51
Als Alternative dann lieber zu Aldi oder Lidl gehen und besser nicht fragen, warum es dort so billig ist, besser nicht die Kassierer_Innen fragen, was sie verdienen oder besser nicht fragen, wo/wie die T-Shirts produziert werden, die dort verkauft werden. Hauptsache schön billig.

Simpeles denken @abc

Antonius 21.04.2011 - 03:21
@abc
es geht darum jungen und anderen die einstiegsmöglichkeit, in der gegend, zu erhaten. Also auch leute wo pappa und mamma nicht zwei drittel der kosten tragen können. Außerdem ist das ein beidseitiges interesse. zumindest aus meiner sicht. Wenn keine jungen oder/und kreativen kommen haben wir hier schöneberg in den '80 oder prenzelberg

@abc

def 22.04.2011 - 15:12
sorry, aber du entscheidest hier nicht, was "wichtigere themen" sind. und wenn ich und andere durch stetig steigende mieten aus der innenstadt verdrängt und so ihrer lebensfreiheit beraubt werden, dann mach ich dagegen politik und finde das wichtig. trotzdem würde ich mich niemals so arrogant zeigen, andere themen als weniger wichtig zu bezeichnen. dazu kommt, dass deine tolle erkenntnis, das ganze sei ohnehin nunmal so und der normale lauf der dinge, nun wirklich ein armutszeugnis ist. soll ich das mal auf deine vorgeschlagenen "wichtigeren" themen anwenden? und was machen wir dann? zurücklehnen und ein paar polemische indykommentare verfassen?

Resistance Against Gentrification

krg 22.04.2011 - 22:21
Hier gibts nen Youtube-Mobi-Clip mit Aufruf zu Widerstand gegen Gentrifizierung am 1. Mai und bei der Walpurgisnacht in Berlin:  http://www.youtube.com/watch?v=o8_oXY6KD4M

Mobi gegen Gentrifizierung - 1. Mai Berlin

nope 23.04.2011 - 05:21

Gentrifizierung mitten drin.

röllchen 25.04.2011 - 13:09
Die Gentrifiierung ist mitten drin.
Sie wird mit psycho-bewußten MItteln eingesetzt um auch jegliche Altmieter aus ihren Wohnungen zu befördern.
Wie Wäre es jetzt und nicht irgendwann. bewußt auf die Grümberger Strasse zu sehen, die so unbefleckt im Stadtbild jeder Politik da steht.

Alles rund um den Boxahagener Platz ist ausgeschriebenes Luxussanierungsgebiet!! Schon seit den Neunzigern.

Eine Hausverwaltung Renate Gronenberg handelt sich hoch mit dem Trick der Gemeinnützigkeit, als Hausverwaltungen. Es sind also viele.
Es wird nicht verwundern, wenn dabei auch die Boden und Grundstücksverwaltung Factor mbH wieder auftaucht. Dort wo die sind , ist auch immer Gentrifizierung und MIetpreispolitik im sehr sehr hartem Stil.
Zuerst ein bißchen auf Kontakt gehen, ein kleines nettes Gespräch und schon wird innerhallb der Mietergeimaschaft aufgeräumt.

Solche Leute wollen das und sie machen das. Brainwashing mit den Mietern.

Ein Haus das jeztt endlich seinen Eigentümer gefunden hat in der grünbeger Strasse 66 meint nun einigen Altmietern das Leben nochmal schwer machen zu müssen. Und das nur auf Einfluß schlechter Rede und Lügenpolitik.

Boiler die nicht funktionieremn, und kurz vor der Explosion stehen, Gasanlagen die nicht funktionieren und gasen. dassebilgfe mit Öfen, dabei ist nur der Schgornstein nie richtig erneuert worden.

Amn Strom anzapfen und dabei einfach gleich den ganzen Zähler austaiuschen, bis zur nächsten Ablesepolitik.

Die Geschäfte und Vereinbaurngen finden nach R. Gronenberg nur im Keller statt.
Überraschungsstreategische MIttel mit Handschlag an den sich niemand mehr erinnert.


Also los: Was alles noch hat es mit Gentrifizierung auf sich.