[B] Rumstehen der 22 in Gropiusstadt

Neukölln gegen Nazis! 19.04.2011 10:22 Themen: Antifa
Für den gestrigen Montag hatte die Neuköllner NPD eine Kundgebung auf dem Bat-Yam Platz in Neuköllner Ortsteil Gropiusstadt angekündigt. Dass vollmundig angekündigte gemeinsame Zeichen gegen die den vermeintlichen „Ansturm von Billigarbeitern“ geriet letztendlich zum Mobilisierungsdesaster für die Nazis. Nach einer knappen Stunde zwischen Hamburger Gittern zogen die etwa 20 Nazis unverrichteter Dinge wieder ab. Übertönt wurden sie dabei über weite Strecken von, trotz nur dreitägiger Mobilisierungzeit, mehr als 300 Gegendemonstrant_innen aus autonomer Antifa, Zivilgesellschaft und Anwohner_innen.
Seit vergangenem Freitag hatte die NPD die gestrige Kundgebung gegen „Fremdarbeiter“ im Internet beworben. Antifaschist_innen aus dem Bezirk reagierten umgehend auf diese Ankündigung und begannen mit der Mobilisierung (Indymedia) gegen die NPD-Kundgebung. Sie veröffentlichten unter anderem eine Flyervorlage (Indymedia) zur eigenständigen Verbreitung und Mobilisierung. Ein Angebot vom dem vielfach Gebrauch gemacht wurde.

So bot sich ab 17.30 Uhr auf dem Vorplatz des U-Bahnhofs Liptschitzallee ein erfreuliches Bild. Zur angemeldeten Gegenkundgebung waren bereits frühzeitig zahlreiche überwiegend junge Antifaschist_innen aus verschiedenen Spektren erschienen. Im weiteren Verlauf wuchs die Menge der Protestierenden auf mehr als 300 Menschen an. Lange Zeit verwaist wirkte hingegen der komplett mit Hamburger Gittern umgebene Kundgebungsplatz der NPD auf dem angrenzenden Bat-Yam Platz. Vorbereitungen für eine bevorstehende Kundgebung waren bis kurz nach 18.00 Uhr nicht zu erkennen. Lediglich der auf einem nahe gelegenen Parkplatz abgestellte bekannte blaue NPD-Bulli samt Besatzung u.a. der wie üblich großmäulig daherkommende Jan Sturm, ließen auf eine bevorstehende Aktivität der Nazis schließen.

Als der NPD-Bus schließlich doch noch auf dem angemeldeten Kundgebungsplatz vorfuhr, wurden die Nazis mit einem gellenden Konzert aus Trillerpfeifen, Fußballtröten und antifaschistischen Sprechchören empfangen. Eine Geräuschkulisse, die die NPD-Anhänger_innen über die gesamte Dauer ihrer Kundgebung begleitete und die ohnehin kaum vorhandene Außenwirkung ihrer Kundgebung weiter gegen Null tendieren ließ. Die versammelte NPD-Riege um Anmelder Stefan Lux, den NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, die Lichtenbergerin Cornelia Berger, die sich wieder ein Mal als Anti-Antifa Fotografin versuchte, und den Berliner Wahlkampfleiter der Partei, Frank Rohleder, begann mit dem Aufbau, blieb dabei aber erst ein Mal allein auf weiter Flur. Ebenfalls anwesend war zu diesem Zeitpunkt, nachdem ihm zunächst der Zutritt zur Kundgebung von der Polizei verwehrt wurde, der als „der Iraker“ (Indymedia) bekannte Anti-Antifa Aktivist aus Berlin. Er berief sich schlussendlich erfolgreich auf seine scheinbar guten Kontakte zu Udo Voigt. Etwa zehn Minuten später gesellte sich dann doch noch eine weitere Gruppe Nazis zu ihnen, die auf ihrem Weg vom U-Bahnhof zur Kundgebung mit direktem antifaschistischem Protest konfrontiert wurden. Ein Ereignis was die massiv anwesenden Polizist_innen zum ersten Mal an diesem Tag zu einem Sprint veranlasste und zur Folge hatte, dass die Absperrung zwischen Gegendemonstrant_innen und NPD-Kundgebung fortan mit Hunden verstärkt wurde.

Schlussendlich wurde der „Iraker“ von - einer ihm offensichtlich nahestehenden Person - außerhalb des Hamburger Gitter angepöbelt, woraufhin er sofort über die Absperrung sprang und sich dabei klassisch am Hosenboden die Jogger zerriss, um dann ganz klein laut davon zu trotteten.

Schließlich wurde die NPD-Kundgebung von Sebastian Thom mit der Verlesung der Auflagen eröffnet. Die im Halbkreis um ihren Lauti gruppierten letztlich 22 teilnehmenden Nazis u.a. Julian Beyer, Jill-Pierre Glaser und Manuela Tönhardt mussten anschließend nach einem kurzen Beitrag des NPD-Bezirksverordneten Jan Sturm, einen nicht enden wollenden Wortschwall von Udo Voigt über sich ergehen lassen, ohne dass sich dabei auch nur die geringste Veränderung am statisch-einschläfernden Charakter der Veranstaltung ergab. Auch der wegen seiner Beteiligung an den rassistischen Brandanschlägen auf zwei Wohnhäuser von Familien mit Migrationshintergrund in Rudow im Frühjahr 2008 (Neuköllner Antifa) unter Bewährung stehende Robert Hardege, hatte mit seinem Fahrrad den Weg nach Gropiusstadt gefunden. Einziger inhaltlicher Ausdruck neben den schwer verständlichen Redebeiträgen, war ein einzelnes Transparent, dass in seiner Aussage offenbar Bezug auf die laufende Kampagne selbst ernannter „Autonomer Nationalisten“ aus dem Umfeld des Internetportals „NW-Berlin“ nahm. Eine Tatsache, die ein weiteres Mal, die enge organisatorische und inhaltliche Verknüpfung des Berliner NPD-Verbandes mit der gewaltbereiten Kameradschaftsszene unterstreicht.

Inzwischen hatten sich auch auf der Rückseite des NPD-Kundgebungsortes Anwohner_innen an den Polizeigittern versammelt und brachten lautstark ihren Unmut über die rassistischen Tiraden der Nazis zum Ausdruck. Als die NPD nach nicht ein Mal einer Stunde ihre Kundgebung beendete, wurde es noch ein Mal hektisch.Nach dem der als Lauti genutzt Bulli der NPD bei der Abfahrt mit hoher Geschwindigkeit die Flucht vor wütenden Anwohner_innen ergreifen mussten, beschloss die Polizei die verbliebenen Nazis durch die Gegenkundgebung zum U-Bahnhof zu führen. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen wie sich herausstellen sollte. Der überfordert wirkenden Polizei entglitt hier kurzzeitig die Kontrolle, es kam zu mehreren Blockadeversuchen und leider auch mindestens drei Festnahmen. Im Verlaufe des Gerangels verloren einige der eingesetzten Beamt_innen offensichtlich komplett die Orientierung, so dass zu einer kurios anmutenden Episode kam. Joachim Haß, Leiter der Berliner Versammlungsbehörde (LKA 572), geriet zwischen die Fronten und wurde nach dem er Bekanntschaft mit dem Pfefferspray seiner Kolleg_innen machen musste, von übereifrigen Bereitschaftspolizist_innen bereits zur Festnahme am Einsatzfahrzeug fixiert, bevor diese erkannten, wen sie dort traktierten und von ihm abließen. Haß musste anschließend von Rettungsassistent_innen versorgt werden.

Insgesamt kann ein durchweg positives Fazit des gestrigen Tages gezogen werden. Die verzweifelten Bemühungen der NPD in Neukölln Aktivität zu simulieren und sich im anstehenden Wahlkampf für die Abgeordnetenhauswahlen zurückzumelden, sind kläglich gescheitert. Es überwiegt das Bild der zahlreichen Gegendemonstrant_innen, die gestern in Gropiusstadt lautstark gegen den Auftritt der NPD protestierten. Die Tatsache, dass trotz des äußerst kurzfristigen Bekanntwerdens der Nazi-Kundgebung, innerhalb von nur drei Tagen mehr als 300 Antifaschist_innen zum Protest zusammengekommen sind, ist nicht nur ein großer Mobilisierungserfolg, sondern lässt auch für zukünftige Auftritte der NPD und anderer Nazis in Neukölln Gutes hoffen.

Presseartikel:
Berlin rechtsaußen

Weitere Bilder:
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Ergänzungen

Wietere Bilder

.... 19.04.2011 - 12:33

Guter Bericht

Ergänzer 19.04.2011 - 12:57
Bis auf das Ende ein sehr guter Bericht, habe es genauso wahrgenommen. Allerdings die Sache mit Herrn Haß lief dann doch etwas anders ab. Als dieser sich mit seinem Fahrrad von der aufgebrachten Menge entfernte (in Zivil) beschlossen eine handvoll entschlossener Jugendlicher ihm hinterherzulaufen und ihn unsanft vom Fahrrad zu schubsen. Nachdem er dann mit leichten Tritten traktiert wurde, zog er einen kleinen Knüppel und schlug mehrfach auf einen beistehenden jungen Migranten ein. Als nun ein Bereitschaftsbulle die Situation erreichte kam es zu dem Pfeffersprayeinsatz und der Beinahe-Festnahme.

Insgesamt ein sehr gelungener Protesttag, der den Nazis mal wieder bewiesen haben sollte, das Berlin kein gutes Pflaster für sie ist.

Der

Super Gau 19.04.2011 - 13:05
Joachim Haß, Leiter der Berliner Versammlungsbehörde, wurde von einem Bullen mit Pfefferpray besprüht.
Weil er auf zwei junge Männer los gegangen ist, mit einen Schlagstock.
Super Aktion.

asso bullen

paluki 19.04.2011 - 14:11
ich wurde auch festgenommen!!.......bei dem ganzen hick hack inner wanne wollten die mich fotografieren mit einer nummer an der seite...ok hab ich gemacht aber danach sagten die zu mir ich meine hassmake aufsetzen damit die auch ein foto machen können...abgelehnt hab ich natürlich und der rest in der wanne auch......20jahre auf demos aber sowas habe ich noch erlebt....

1.Mai Bullen und Nazi....FREI!!!!!!!!!!!!

Bericht und Fotos

Matthias Berg 19.04.2011 - 14:25
Ein warmer Frühlingsabend in der Neuköllner Gropiusstadt. Vor dem Ischik Supermarkt, wo mehrere Anwohner an Tischen ihr Bier genießen, kommt Bewegung auf. Es wird geschrieen und geboxt, bis ein Kontrahent auf dem Boden landet. Eine alltägliche Szene am Gropiusstädter Bat-Yam-Platz, der ein beliebter Treffpunkt der örtlichen Trinkerszene ist.

Die Berliner NPD, mit ihrem Parteivorsitzenden Udo Voigt hat sich heute für den Wahlkampf einen besonderen Clou ausgedacht. Unter dem Motto: Fremdarbeiter stoppen!“ soll die örtliche Trinkerszene auf „strammrechten“ Kurs gebracht werden.
Ganze 15 Faschisten haben sich in die Gropiusstadt gewagt, um Voigt zu unterstützen.

Ihr Auftreten trifft auf wenig Gegenliebe. Rund 250 Antifaschisten u.a. von den LINKEN, den Grünen, der SPD und Antifa-Gruppen haben sich um die polizeilichen Absperrgitter versammelt, um die Faschistenansammlung zu stören.
Auch zahlreiche Anwohner kommen hinzu, um überwiegend besorgt, sich zu informieren, was die Faschisten hier anstellen. Viele sind empört über den großen Polizeieinsatz und die Genehmigung für die Faschistenkundgebung.
Eine alte Frau mit Gehhilfe aus dem gegenüberliegenden Seniorenhochhaus meint, dass man die Faschisten mit Eiern bewerfen, noch besser sie weghauen sollte. Passend dazu ruft eine Gruppe von ausländischen Jugendlichen gemeinsam mit Antifas: „Auf die Fresse! Auf die Fresse! ...“

Auch die örtliche Trinkerszene ist überhaupt nicht erfreut über die Anwesenheit der Faschisten, insbesondere über die Ansprache des NPD-Vorsitzenden.

Udo Voigt versucht sich auf antikapitalistisch und sagt sinngemäß:
Die Reichen fliegen nach Mallorca, nach Spanien, Tunesien, Thailand, machen sich dort einen Lenz, während der deutsche Arbeiter arbeitslos auf der Parkbank sitzt, und in seiner Perspektivlosigkeit, seinem Elend, ein Bier nach dem anderen trinkt und der Alkoholsucht verfällt. Schuld daran ist der Ausländer, der dem Deutschen seinen Arbeitsplatz wegnimmt.
Und überhaupt: der Name dieses Platzes – Bat-Yam-Platz – wenn die NPD die Regierungsverantwortung übernimmt, wird dieser Platz einen deutschen Namen bekommen!!!

Einer der von Voigt Angesprochenen, ein kräftiger Bierkonsument mit Pitbull-T-Shirt, sagt zu mir: die Leute, die hier wirklich Rückrat zeigen, dass sind die linken Gegendemonstranten. Einer seiner Kumpels versucht schwankend über die Polizeiabsperrung zu gelangen, um den Braunen ihre Anlage abzuschalten.
Es besteht heute Abend in der Gropiusstadt kein Zweifel: Wäre die Polizei zum Schutze der NPD nicht anwesend, würden sich die Nazis allesamt in der Notaufnahme des nahegelegenen Neuköllner Krankenhauses wiederfinden.

Beim Abzug, besser ausgedrückt, der Flucht der Nazis nach ihrer Kundgebung vom Bat-Yam-Platz kommt es noch zu Handgreiflichkeiten und Festnahmen durch die Polizei. Der durch seine antilinken Beißreflexe bekannte Chef der polizeilichen Versammlungsbehörde bekommt dabei den Übereifer eines Kollegen zu spüren und eine Ladung Pfeffergas ins Gesicht gesprüht. „Friendly Fire“, nennt man das wohl.
Hiervon habe ich leider kein Foto machen können, weil ich mich vorzeitlich am Kiosk meinem Feierabendbier gewidmet habe.

Meine Fotos können als Diashow hier betrachtet werden:
 http://www.flickr.com/photos/bergm13/sets/72157626530737380/show/


Stalking durch Neonazis

baal-re-mesh.com 19.04.2011 - 16:55
Diese als "Iraner" benannte Person stalkt regelmässig öffentlich arbeitende Antifas. Ich habe z.B. von ihm rund ein dutzend Anrufe bekommen, wo er mich versuchte zu einem Treffen zu animieren - Wobei ich aber jedes Mal auflegte.

Die neuste Masche von ihm ist, bekannte Antifas anzurufen und sich dann als ein anderer bekannter Antifa auszugeben. Damit will er testen, wer mit wem zusammengehört.

Wer noch "Erfahrungen" mit ihm gemacht hat, kann sich ja mal bei mir melden:  webmaster@baal-re-mesh.com

!

fem_ 19.04.2011 - 17:39
schön und gut, dass die nazis eindeutig in der unterzahl waren und auch die bullen mehr schlecht als recht organisiert. was aber von seiten der gegendemonstrant_innen kam, war teilweise unterste kanone - von "ab in die gaskammer" (in richtung der nazis) über sexistische beschimpfungen der nazis als wahlweise "fotzen" oder "schlampen" bis hin zum kollektiven parolenrufen "hurensöhne" durch eine leidlich bekannte linkspubertäre schlägerbande. es wäre schön, wenn sich auch dagegen protest formieren würde!

Presseberichte...

Jonas 19.04.2011 - 18:06
Verschiedene Presseberichte zum Tag gibt es unter den folgenden Links:

TAZ | Tagesspiegel | Stadtmorgen | Indymedia

Neuer link zu Fotoreportage

Matthias Berg 07.08.2012 - 11:14

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

Hä? — Exil-Iraner

@exil-iraner — mensch

Ergänzung — Name

@Name — klaus

aha — verwundert

.... — kopfschüttler