GoG-Bochum, aktiv ohne Betriebsratsmandat

lesenderarbeiter 08.07.2010 16:13 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Wolfgang Schaumberg von der linksgewerkschaftlichen Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) und Willy Hajek vom Komitee für Organisationsfreiheit diskutierten über gewerkschaftliche Interessenvertretung jenseits der Bürokratie
Kritik an der DGB-Bürokratie ist alt. Doch wo sind die Alternativen? Um diese Frage ging es bei einer Veranstaltung im Stadtteilladen Zielona Gora am Mittwochabend. Eingeladen war Wolfgang Schaumberg, der als Mitbegründer der gewerkschaftslinken Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) auf mehr als drei Jahrzehnte linksgewerkschaftliche Praxis zurückblicken kann. Gegründet wurde die Gruppe als Gewerkschaftliche Oppositions-Gruppe (GoG) Anfang der 70er Jahre von kritischen StudentInnen und ArbeiterInnen bei Opel Bochum.
Zu Anfang wurde auf der Veranstaltung ein Film gezeigt, der deutlich machte, was damals diskutiert wurde.
„In 10 Jahren können wir vielleicht die Machtfrage bei Opel stellen“, meinte ein selbstbewusster Gewerkschafter. In den 70er Jahren wurde auch in den Betrieben über die Abschaffung von Lohnarbeit und Lohnsystem in einer nachkapitalistischen Gesellschaft diskutiert. Aber sehr zur Verwunderung der männlichen Arbeitermilitanten begannen die Frauen sich zu organisieren und stellten ihre Rolle als Mütter und Hausfrauen infrage. Ähnliche Entwicklungen hat es damals auch in Italien und später beim Streik der Bergarbeiter_Innen in Großbritannien gegeben.

Von der Offensive in die Defensive
Das Ende der 70er Jahre, als das Ende der Arbeiterklasse ausgerufen wurde, stellte auch für die GoG eine Zäsur dar. Ein Teil der Akademiker verließ die Fabrik, beendete das Studium oder widmete sich anderen Tätigkeiten. Gleichzeitig verschlechterten sich mit der beginnenden Massenarbeitslosigkeit die Kampfbedingungen. Statt der Abschaffung des Kapitalismus stand nun der Erhalt der Arbeitsplätze im Mittelpunkt. Die Defensive hatte auch für die linken Gewerkschafter_Innen Auswirkungen. Die Anzahl ihrer Sitze schrumpfte, aber es blieb ein Kern von widerständigen Arbeiter_Innen, was sich bis in die Gegenwart immer wieder zeigte. Vielen ist vielleicht noch der 7tägige Streik der Kolleg_Innen von Opel-Bochum im Jahr 2005. Auch die Verzichtszumutungen, die der Opel-Konzern im Zeichen der Krise den Kolleg_Innen abverlangte, gingen bei Opel-Bochum nicht glatt über die Bühne. So lehnten ihn die Kolleg_Innen zunächst einmal ab, das war möglich, weil sie sich überhaupt die Möglichkeit erkämpft hatten, zu den Plänen Stellung zu nehmen und nicht wie üblich dem Betriebsrat überlassen. Aber die defensive Struktur hinterließ auch ihre Spuren. Nach dem Druck des Gesamtbetriebsrats und des als Opel Co-Manager agierenden Gesamtbetriebsrat Franz stimmte schließlich auch die Belegschaft bei Opel-Bochum Kürzungen zu. Sie wollte nicht wieder als einzige dagegen sein, wie Franz ihnen vorwarf. Die Wahlniederlage der GoG, die bei den letzten Betriebsratswahlen ihren letzten Sitz verlor, ist ebenfalls ein Ausdruck der Defensive

Fragend gehen wir voran

Ursache der Wahlniederlage war allerdings nicht ein Stimmenverlust, sondern die Eigenkandidatur der GoG. Vorher hatte sie gemeinsam mit einer anderen linken Liste noch jeweils einen Sitz errungen. Doch die GoG wollte nie die linke Betriebsratsalternative sein, betonte Schaumberg. Sie hat immer die Selbstorganisierung und Selbstermächtigung in den Mittelpunkt ihrer gewerkschaftlichen Arbeit gestellt. Die Losung auf ihren Flyern bei der aktuellen Betriebsratswahl ist programmatisch: „das alte geht nicht von selbst, es muss gegangen werden, das müssen wir schon selber tun“. Auch mit der Kritik an der DGB-Politik hielt sich die GoG nie zurück. Mehrjährige Ausschlüsse wurden nicht als Katastrophe gesehen, sondern als Bedingung dieser Politik begriffen. „Wir haben unsere Politik in- und außerhalb des DGB gemacht“, betonte Schaumberg. Nur ein Zugeständnis machte die Gruppe, als sie wieder in den DGB aufgenommen wurde. Sie änderte ihren Namen von Gewerkschaftliche Oppositions-Gruppe in Gegenwehr ohne Grenzen um.
Internationale Kontakte
Die GoG hat auch immer gegen jeden Standortnationalismus agiert. Schon in den 80er Jahren wurden Kolleg_Innen von europäischen Opel-Standorten aber auch aus den USA besucht. Im Nachhinein kritisiert Schaumberg, dass der Kontakt noch zu sehr auf Funktionärsebene stattgefunden hat.
Schaumberg bekennt sich auch dazu, dass heute auch viele Fragen über ein erfolgreiches linksgewerkschaftliches Agieren im globalen Kapitalismus offen sind. Fragend gehen wir voran, dieses zapatistische Motto war auch für den GoG-Betriebsratswahlkampf prägend. Dieses Fehlen eines großen linken Projekts könnte auch ein Grund für die Wahlniederlage gewesen sein. Hinzu kommt die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse:

Vor allem junge Menschen können sich nicht mehr ohne Weiteres mit der klassischen Gewerkschaftsarbeit identifizieren, die im wöchentlichen Treffen und dem Verfassen und Verteilen von Flugblättern und Betriebszeitungen besteht, betont Schaumberg. Auch die Identifikation mit dem Betrieb schwindet in Zeiten der flexiblen Beschäftigungsverhältnisse. Das hat auch Einfluss auf die Kampfbereitschaft. Warum viel Kraft und Zeit in einen Arbeitskampf aufwenden, wenn mensch doch nach wenigen Jahren woanders arbeitet.
Auch ohne Betriebsratssitz probiert die GoG neue Aktionsmethoden. So haben bei der letzten Personalverssammlung von Opel GoG –Aktivisten als Bettlertruppe verkleidet Arbeitshetze und Lohnverzicht kritisiert. Das ist ein Bruch mit der klassischen Gewerkschaftspolitik.

Gegen den Fetisch Tarifeinheit
Willy Hajek stellte die Entwicklung der GoG in den Kontext der generellen Veränderungen in der Gewerkschaftslandschaft. Selbstorganisierte Kämpfe nehmen zu, der Fetisch Einheitsgewerkschaft gerät ebenso ins Wanken wie die Tarifeinheit, die durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts gekippt worden. DGB und Unternehmerverband setzen sich nun für ein Gesetz ein, dass die Tarifeinheit gesetzlich wiederherstellt. Das wurde von Hajek heftig kritisiert, was auf der Veranstaltung zu einer „halben Gegenrede“ führte. Könnten nicht die sogenannten gelben Gewerkschaften, die die Tarife des DGB noch unterbieten, von einem Ende der Tarifeinheit profitieren, lautete die Befürchtung. Doch nicht nur Hajek, auch große Teile des Publikums wandten sich gegen diese Auffassung. Sie verwiesen auf Stellungnahmen bei Verdi und andere Gewerkschaften, wo ebenfalls vor dem Schulterschluss von DGB und BDA bei der Rettung der Tarifeinheit gewarnt wird. Im Gegenteil drohe eher eine Regulierung und Verschlechterung des Streikrechts und eine Verschlechterung für kämpferische Gewerkschaftspolitik, so deren Befürchtung.
Weiterhin ging Hajek auf den Kampf und Erfolg der Kaiser's-Kassiererin Emmely und der veruchten Kriminalisierung der anarchosyndikalistischen FAU ein. Am Widerstand dagegen hätten sich Bündnisse beteiligt, die von DGB-Gewerkschafter_Innen bis zu Anders- und Nichtorganisierten reichten, was eine neue Qualität ist. Auch der Kampf gegen den Ausschluss von Gewerkschaftern der Alternativen Metaller_Innen bei Dailmer-Berlin-Marienfelde wird von einem solchen Bündnis getragen.

Der dortige Konsens wird auf der Veranstaltung von einem Genossen der Internationalen KommunstInnen noch einmal so formuliert. Ob sich Kolleg_Innen im DGB, der FAU, der GDL oder einer anderen Gruppe gegen die Zumutungen des kapalistischen Arbeitsalltags kämpfen, ist für uns unwichtig. Wir unterstützen diese Kämpfe, wenn sie emazipativ sind, nicht gegen andere Kolleg_Innen, Nichtdeutsche etc. richten und wenn selbstorganisiert sind.


29.9 kreativ nutzen
In der Diskussion ging es im Anschluss auch um die kreative Intervention zum 29.September, den europäischen gewerkschaftlichen Aktionstag gegen die Krisenfolgen in Brüssel. Der Tag ist an einen Mittwoch, einen Wochentag, gelegt, was eine eigentlich eine geringe Teilnahme impliziert und das ist durchaus gewollt. Es wäre doch möglich, den 29.9. tatsächlich zu einem europäischen Protesttag zu machen, mit Arbeitsniederlegungen und Protesten in ganz Europa. Die GoG zumindest wird diesen Vorschlag sicher bei ihren Kolleg_Innen in Bochum diskutieren. Und wir?




Weitere Infos:

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Ergänzungen