TÜRKEI: 78. Tag - Pause im TEKEL-Widerstand

Ankara - vom IWF aufgezwungen 05.03.2010 11:51 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Am 2. März 2010, dem 78. Tag des Widerstands der Tekel-ArbeiterInnen wurden vorerst die Zelte in Ankara abgebaut.
Die ArbeiterInnen gaben bekannt, dass sie eine Pause in ihrem Widerstand einlegen werden, u.a. auch aufgrund eines Beschlusses des Staatsrates.
Die Tekel-ArbeiterInnen haben für ihre Arbeitsrechte (Beamtenstatus) am 14. Dezember mit ihrer Aktion in Ankara begonnen. Sie wehren sich gegen das Gesetz 4-C, welches ihnen von der AKP-Regierung aufgezwungen wird. Rund 8.000 ArbeiterInnen forderten nach der Schließung ihres Betriebes infolge der Privatisierung die Zuweisung an einen neuen Arbeitsplatz, ohne dabei ihre Arbeitsrechte zu verlieren.
Die AKP-Regierung ging jedoch nicht auf die Forderung ein und versuchte den TEKEL-ArbeiterInnen einen Arbeitsstatus nach 4-C aufzuzwingen. Auch wenn bei diesem Gesetz einige Verbesserungen an den Tag gelegt worden wären, so hätten die ArbeiterInnen dennoch keine Arbeitsgarantie und auch ihre Löhne würden sinken.
Der Ministerpräsident hatte den, im Sitzstreik befindlichen
ArbeiterInnen bis Ende Februar Zeit eingeräumt, um ihre Zelte abzubauen. Die Frist wurde danach bis 3. März verlängert. Jedoch bereits einen Tag davor, am 2. März gab der Staatsrat den Beschluss bekannt, die Umsetzung hinsichtlich des 4-C Status zu aufzuheben. Die ArbeiterInnen begegneten dieser Nachricht mit großer Freude und feierten den Beschluss.
In den frühen Morgenstunden gab der Gewerkschaftsvorsitzende der Tek Gida-Is, Mustafa Türkel eine Erklärung ab. Darin teilte er mit, dass die TEKEL-ArbeiterInnen die Zelte abbauen und eine 15-20-tägige Pause einlegen werden. Er gab außerdem bekannt, dass die Gewerkschaft am 1. April mit 1000 ArbeiterInnen in die Zentrale der Türk-Is kommen werde, um einen neuen Aktionsplan vorzulegen.

Zu Beginn der Kundgebung bedankte sich Türkel insbesondere bei den Gewerkschaften KESK, DISK und Kamu-Sen, bei der Bevölkerung von Ankara, bei der Bevölkerung der Türkei, bei den Arbeitslosen, Bauern und den armen Bevölkerungsschichten. Türkel betonte, dass die Einheit der vier Konföderationen in der Arbeitswelt und im Arbeitsleben ein wichtiger Grundstein gewesen sei. Sie habe im Demokratiekampf der Türkei sowie im Kampf zur Erringung neuer Rechte eine sehr bedeutende Mission übernommen. Türkel erklärte, dass die Privatisierungen zu Raub, Plünderung und Wucherei ausgeartet seien und fügte hinzu: "Für diesen Raub und diese Plünderungen tragen die Machthaber und Regierungen die Verantwortung, welche seit Beginn der Privatisierungen sagen 'Ich werde noch mehr Privatisierungen vornehmen'". Türkel, der Privatisierungen als "Katastrophe" bezeichnete, sagte "Sie sind eine Lüge, eine andere Dimension des Raubs, eine andere Dimension der Verarmung der Menschen sowie der Ausbeutung und des Imperialismus". Türkel bezeichnete das 4/C Gesetz als "Rechtswidrigkeit und Zwangsarbeit". Er erinnerte daran, wie sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan über die Worte "4/C bedeutet Sklaverei" erboste und vertrat die Ansicht, dass der 4/C als Mittel diene, um sich bei den Tekel-ArbeiterInnen zu rächen.
Türkel betonte, dass die Aktion regelmäßig und anständig verlaufen sei und die Regierung versuchte, die ArbeiterInnen zu züchtigen, indem sie die Arbeitslosen benutzte. "Sie wollten uns etwas unter die Nase reiben, aber wir ließen uns nicht einschüchtern. Wir sind mit einer klaren Haltung hierher gekommen, nicht um umzukehren", sagte Türkel. Er erklärte, dass die Türk-Is von nun an das Zuhause der ArbeiterInnen der Türkei sei, dass in Zukunft alle organisierten ArbeiterInnen, ob der Türk-Is zugehörig oder nicht, dort ein Zuhause hätten und sie, wann immer es Probleme gäbe, dorthin kommen sollten. Der Gewerkschafter merkte unterdessen an, dass einige Gewerkschaften sich dagegen auflehnten, dass die Tekel-ArbeiterInnen zur Türk-Is kämen und dass er dies nicht vergessen werde. Türkel brachte weiter zur Sprache, dass er die Kraft der Arbeit und den Zauber der Arbeit erkannt habe und fügte hinzu: "Wir erkennen diesen Kampf als Brüderlichkeit des Türkischen Volkes an...". In der Türkei ist es nun kein Verbrechen mehr, den Beschluss zum Generalstreik und Solidaritätsstreik zu fassen und darüber zu sprechen. "Die Gewerkschaften sollen sich ab jetzt nicht mehr scheuen und fürchten, wenn sie das Wort Streik in den Mund nehmen".

Türkel erklärte, dass in diesem Kampf die Gewerkschaftsführer, mit Ausnahme einiger der Türk-Is zugehörigen Gewerkschaften, zurückgeblieben seien und sagte:
"In diesem Kampf sind wir von Zeit zu Zeit allein gewesen. Wir wurden vergessen, ignoriert. Die Bevölkerung von Ankara und der Türkei, arme Menschen, Arbeitslose, Bauern, sind aus allen Ecken der Türkei gekommen und haben Medikamente, Nahrungsmittel und Decken gebracht. Wären diese Menschen nicht gewesen, hätten die Tek Gida Is und die TEKEL-ArbeiterInnen diesen Kampf nicht bis hierher führen können. Der Kampf ist hier nicht zu Ende. Am 1. April werden wir erneut mit Tausenden Menschen hier sein. Die Regierungspartei soll diesen Zeitraum gut nutzen. Die Mitglieder der Regierungspartei werden nicht ruhig auf der Straße spazieren können. Bevor dieses Problem nicht gelöst ist, werden sich auf allen Versammlungen und Treffen, an denen der Ministerpräsident und die Minister teilnehmen, TEKEL-ArbeiterInnen befinden. Wir werden diesen Kampf nicht beenden, bevor eine Kuriosität wie das 4/C Gesetz nicht aus der Arbeitswelt entfernt wird.

Türkel begab sich im Anschluss an seine Erklärung zu den ArbeiterInnen bei den Zelten und teilte ihnen den Beschluss mit. Zuvor kündigte Generalsekretär Mecit Amac eine Rede an. Aufgrund des Protests der ArbeiterInnen, ergriff jedoch Mustafa Türkel das Wort.

Einige ArbeiterInnen antworteten mit Parolen und Protest auf den Beschluss und riefen "Die Zelte werden abgebaut, der Widerstand geht weiter", "Keine passive Aktion, sondern aktiver Widerstand", "Tekel wird Widerstand leisten, wir werden siegen", "Wir werden unsere Zelte, unsere Stellung nicht hergeben", "Die Zelte sind unser Zuhause", "Wir wollen keine Mörder im Widerstand", "Wir haben daran geglaubt, auch ihr werdet daran glauben" und "Wir werden die Gefallenen nicht verraten".
Einige der ArbeiterInnen wiederum riefen die Parolen "Wir sind dort, wo ist die Tek Gida", "Wir sind dort, wo ist die Gewerkschaft". Nachdem bei den ArbeiterInnen im Bezug auf den Abbau der Zelte eine geteilte Meinung herrschte, klapperten die Abteilungsleiter die Zelte ab und versuchten die ArbeiterInnen zu überzeugen.

ArbeiterInnen, die sich dagegen stellten, die Zelte abzubauen, bekamen von Türkel die Antwort: "Entweder ihr haltet euch an die Beschlüsse und die Disziplin der Gewerkschaft oder ihr macht, was ihr wollt. Dieser Kampf wurde mit der Tek Gida-Is Gewerkschaft begonnen. Er wird mit den von der Tek Gida-Is Gewerkschaft aufgestellten Regeln und mit denen, die sich an diese Regeln halten fortgesetzt".

Die Zelte wurden zur Mittagszeit abgebaut.
Um 15.00 Uhr versammelten sich erneut ArbeiterInnen, um Ladenbesitzer auf der Sakarya Straße zu besuchen, die den Widerstand unterstützt hatten. Mit Nelken in den Händen gingen sie zu den Geschäften und bedankten sich zum Abschied für die Unterstützung.
Gegen 19.30 Uhr schien vor der Zentrale der Türk-Is die alte Ruhe eingekehrt zu sein. Die ArbeiterInnen, die aus verschiedenen Städten angereist waren, hatten bereits ihren Heimweg angetreten.

***

Der Widerstand in Malataya wächst wie eine Lawine


In Malatya gewann der Widerstand der Tekel-ArbeiterInnen am Mittwoch, den 3. März an Stärke.
Der von der Volksfront und der Front der Werktätigen im Öffentlichen Dienst begonnene Widerstand in Zelten ist mit der Teilnahme von aus Ankara hinzukommenden Tekel-ArbeiterInnen weiter gewachsen.
Am 5. Tag des Widerstands kamen noch viel mehr Menschen als zuvor. Mit dem Vorschlag der Volksfront wurde dem Widerstandszelt von den Tekel-ArbeiterInnen der Name "Tekel-Gefallener Hamdullah Uysal Widerstandszelt" gegeben.
Mit Liedern der Grup Yorum und in Begleitung von Trommeln wurde am Streikort getanzt.
Um 16.00 Uhr hielten die Volksfront und die Front der Werktätigen im Öffentlichen Dienst eine Kundgebung ab.
Während der Erklärung wurden laufend die Parolen "Wir sind Werktätige, Wir sind im Recht, Wir werden siegen!", "Überall Tekel, Überall Widerstand!", "Es lebe unser organisierter Kampf!" und "Wir werden Widerstand leisten und siegen!" gerufen.


Hasan Yilmaz verlas im Namen der Tekel-ArbeiterInnen folgende Erklärung:
"ÜBERALL TEKEL ÜBERALL WIDERSTAND…
Wir leisten seit Monaten inmitten von Ankara Widerstand, fordern jene heraus, die uns ArbeiterInnen nicht anerkennen und uns überrollen möchten, um unsere eigene Arbeit zu verteidigen und um zu zeigen, dass wir uns nicht für ein paar Groschen in die Knie zwingen lassen. Und jetzt geben wir einen Schrei ab, indem wir in unserer Stadt ein Zelt aufgebaut haben, um diesen Widerstand auszuweiten. Wir werden trotz aller Drohungen der Regierung den Widerstand fortsetzen.
Der Angriff richtet sich nicht nur gegen uns. Dieser Angriff richtet sich gegen die Jugend, gegen die Werktätigen, gegen alle ArbeiterInnenschichten. ... Sie denken, dass sie uns mit Hunger und und Arbeitslosigkeit bändigen, und mit Drohuhngen und Repression einschüchtern können. Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir werden uns nicht ergeben, wir lassen uns nicht in die Knie zwingen...
Die grundlegende Forderung von uns Tekel-ArbeiterInnen ist nicht Arbeit nach dem 4-C Paragraphen des StaatsbeamtInnengesetzes mit dem Titel "temporäres Personal", welcher den ArbeiterInnen das Recht auf Kollektivvertrag und Streik nimmt, Löhne und Entschädigungen senkt und keine Arbeitsgarantie für das nächste Jahr bietet. Wir fordern Arbeit in anderen staatlichen Betrieben nach dem Arbeitsrecht. Die Regierung hingegen, bot den ArbeiterInnen über den gesamten Zeitraum hindurch nur Verbesserungen an, während sie keine grundlegenden Änderungen des 4-C vornahm. Doch wir wollen keine Almosen, sondern unsere Rechte. Wir wollen in Betrieben arbeiten, die uns Arbeitssicherheit bieten, wir wollen, dass uns unsere Rechte zugestanden werden. Mit all den Privatisierungen haben sie versucht zu verschleiern, dass die freundlichen Masken, hinter denen sie sich verstecken, vom IWF aufgezwungen wurden. Jene, die uns bei den Entlassungen Zusicherungen machten und uns ins Gesicht grinsten, sagen heute, dass wir "nicht arbeiten und nur faul herumliegen" würden. Diejenigen, die unser Land in ein Meer von Hunger und Arbeitslosigkeit verwandelt haben, können so etwas nicht zu denen sagen, die ihr Leben in der Fabrik verbracht haben. Mittlerweile weiß jeder Bescheid, wer faul herumliegt, wer das Land verkauft und wer dagegen für seine Rechte arbeitet.
Und jetzt sagen wir, der Tekel Widerstand gehört uns allen. Wir rufen auch Euch auf, unsere Stimme zu verstärken. Wir erwarten die gesamte Bevölkerung von Malatya bei unserem 'Tekel-Gefallenen Hamdullah Uysal Widerstandszelt', das wir in Pasaköskü aufgebaut haben.
Und wir sagen: Heute TEKEL morgen WIR ALLE!

ES LEBE UNSER ORGANISIERTER KAMPF!
WIR SIND WERKTÄTIGE, WIR SIND IM RECHT, WIR WERDEN SIEGEN!
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Ergänzungen

Solidaritätsfest in Essen: "Tekel-Arbeiter

ASF 08.03.2010 - 12:20
Solidaritätsfest in Essen: "Tekel-Arbeiter brauchen Solidarität"

Am Samstag, den 27. Februar, fand in Essen eine Solidaritätsveranstaltung der Migrantenorganisation Bir-Kar statt. Es kamen ca. 100 Menschen. Neben einem reichhaltigen Büffet gab es ein spannendes Programm. Eine Kollegin, die vor wenigen Tagen von ihrer zweiten Delegationsreise zurück gekommen war, berichtete aus erster Hand.

Eine Besonderheit des mutigen Kampfes der 12.000 TEKEL-Arbeiter ist ihr gemeinsamer Kampf über alle Religionen und Volksgruppen hinweg. Sie haben gelernt, dass sie alle den gleichen Gegner haben. Alle linken Organisationen und Gewerkschaften unterstützen den Streik – auch wenn es einzelne "gelbe" Gewerkschaftsführer gibt, die versuchen, unter den Arbeitern antikommunistische Vorbehalte zu schüren.

Trotz massiver staatlicher Gewalt halten die TEKEL-Arbeiter an ihrem seit dem 15. Dezember andauernden Kampf fest. Besonders Frauen nehmen eine aktive Rolle ein. So berichtete die Kollegin von einem Gespräch mit einer "Kopftuchfrau", welche sagte: "Zuerst wollte ich nur ein bis drei Tage bleiben, dann kam die Polizei und hat uns bedroht, angegriffen – dann sagte ich mir bleib noch einen Tag. Nun jetzt bin ich immer noch hier ..."

Nach diesem sehr emotionalen, ergreifenden Beitrag hielt ein Vertreter der MLPD ein kurzes Grußwort. Er warf die Frage auf, wie der Kampf weiter geht und ging auf die Bedeutung ein, sich international zusammen zu schließen, die Spaltung zu überwinden und den internationalen Kampf zu koordinieren.

Abgerundet wurde das Programm mit einem Theaterstück zur besonderen Ausbeutung der arbeitenden Frauen im Hinblick auf den internationalen Frauentag am 8. März sowie einer mitreißenden Musik, zu der viele Besucher gemeinsam tanzten.

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