Belarus: Lukashenka beschließt Internetzensur

kromix 08.02.2010 01:14 Themen: Medien Repression
Ein Präsidentenerlass führt Internetzensur ab 1.7.2010 in Belarus (Weissrussland) ein. Ab dann soll die Internetnutzung in dem diktatorisch geführten Land stark kontrolliert werden. Das Nutzungsverhalten von Usern soll aufgezeichnet werden, der Netzzugang im Internetcafe wird nur noch nach Vorlage des Passes möglich sein, alle Webseiten aus Bekarus eine staatliche Regierung erfordern. Für den freien Zugang zu Information und die Arbeit oppositioneller Gruppen bedeutet dies einen herben Schlag. Als ein Grund des Erlasses werden die für Beginn 2011 terminierten Präsidentenwahlen betrachtet.
Am 4.1.2010 unterschrieb der sein Land seit 1994 diktatorisch führende Alexander Lukashenka einen Präsidentenerlass, nach dem sowohl Nutzer_Innen des Internets in Belarus als auch in Belarus registrierte Webseiten (*.by) ab dem 1.7.2010 durch eine staatliche Komission überwacht werden sollen.

Der Zugang zum Internet über das Telefonnetz wird von der staatlichen Agentur Beltelekom kontrolliert. Daneben gibt es die Möglichkeit, über das Mobilfunktnetz der Anbieter MTS, Velcom oder Life ins Netz zu gehen. Zukünftig sollen Daten über das Nutzer_Innenverhalten aufgezeichnet werden und Internetprovider angehalten werden, auf Anweisung der staalichen Behörde den Zugang von Nutzer_Innen innerhalb von 24h zu sperren, sollten diese gegen Gesetze verstoßen - eine Tatsache, die in Belarus schnell herbeikonstruiert werden kann. In Internetcafes soll der Zugang zum Internet erst nach Vorlage des Passes und Speicherung der personalen Daten erfolgen. Ein anonymer Zugang über das Mobilfunknetz ist nicht möglich, da auch der Erwerb einer SIM-Karte an die Vorlage eines Passes und Registrierung in Belarus gebunden ist.

Da die meisten Medien (TV, Radio, Print) staatlich kontrolliert sind und die wenigen privaten weitgehend unpolitisch berichten, da sie im Falle kritischer Berichterstattung umgehend mit Problemen konfrontiert sind, die oftmals zur Schließung führen, stellt das Internet die wichtigste Quelle der Information und einen bedeutenden Ort der Diskussion dar. Insbesondere für die Arbeit oppositioneller Gruppen ist das Internet wichtigstes Medium. Mittlerweile nutzen etwa 3 Millionen Menschen (von 9,5 Mio.) in Belarus das Internet regelmäßig. Ausländische Printmedien sind in Belarus nicht erhältlich. Die Berichterstattung im Fernsehen konzentriert sich darauf, die Verdienste der Regierung, insbesondere Lukashenkas, und die Größe, Fortschrittlichkeit und Schönheit des Landes abzufeiern. Daneben wird vorrangig (unkritisch) über Russland und Länder der GUS berichtet. Geschehnisse in den westlichen Nachbarstaaten finden nur äußerst selten Erwähnung.

Die Rhetorik zur Begründung des aktuellen Schrittes ähnelt den Begründungen für die Einschränkung des Internets in Deutschland: Vorgang gegen extremistische Aktivitäten, nur dass aufgrund der politischen Umstände die Auswirkungen in Belarus ungleich drastischer sind als die bisherigen Einschränkungen des Internets in Deutschland. Es ist zudem anzunehmen, dass wer einmal auffällig wird, nicht nur mit der Sperrung des Internetzugangs zu rechnen hat. Die Aufmerksamkeit des KGBs (wurde gar nicht erst umbenannt) auf sich zu ziehen ist ein Leichtes. Nur ansatzweise als unpassend emfundenes politisch-gesellschaftliches Engagement führt schnell zu weitreichenden Folgen, etwa der Exmatrikulation von der Uni.

Als ein Grund für die Einführung der neuen Kontrollinstanz gelten die für Anfang 2011 anberaumten Präsidentenwahlen, im Vorfeld derer Lukashenka sicherlich versuchen wird, die Aktivitäten der Opposition auf jedwede Art zu unterbinden. Als Vorbild bei der Kontrolle des Internets dient ihm China. Zukünftig sollen alle Onlinemedien aus Belarus, einschließlich Blogs, der staatlichen Registrierung bedürfen - was sich besonders schmerzlich auswirken dürfte, da Blogs in Belarus äußerst beliebt sind.

Von Seiten von Reportern ohne Grenzen, der EU und der OECD gab es Protest gegen den erfolgten Schritt, er werde die zukünftigen Verhandlungen zwischen der EU und Belarus beeinflussen. Mit Herannahnen neuer Wahlen und dadurch zu erwartender verstärkter Repression gegen oppositionelle Aktivitäten ist jedoch wohl ohnehin eine Verschlechterung der Beziehungen zu erwarten. Man mag die EU natürlich in vielerei Hinsicht kritisieren, doch lassen Annäherungen in diese Richtung (anders als eine stärkere Tendenz gen Russland) für oppositionelle und kritische Personen zumindest gewisse Verbesserungen erhoffen (Leider muss noch angefügt werden, dass Großteile der oppositionellen Gruppierungen ziemlich nationalistisch und alles andere als linksradikal sind).

Die oppositionelle Seite charter97.org ruft für den Tag des Inkrafttretens des Erlasses zu Protest auf dem Oktoberplatz in Minsk um 18 Uhr auf.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

am rand

.. 08.02.2010 - 15:35
es müsste "Lukaschenko" heißen.
sonst, guter Artikel!

Nein

Besserwisser 12.02.2010 - 20:07
"Aljaksandr Ryhorawitsch Lukaschenka" ist der korrekte Kyrillische (Weißrussische) Name.
Lukaschenko ist lediglich die Transkription aus dem Russischen.
Sehr guter Artikel!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

dankesehr — jojo

Kotzt — Holm

LOHNSCHREIBER — anti-mainstream

Von wem — wird