13. Europäischen Polizeikongress

akzc-nd 22.12.2009 17:09 Themen: Globalisierung Repression
Full Spectrum Resistance!
Veranstaltungen und Demonstration gegen den 13. Europäischen Polizeikongress

Auch 2010 soll es in Berlin wieder einen europäischen Polizeikongress geben, ein Treffen internationaler Polizeifunktionäre, PolitikerInnen und der Sicherheitsindustrie. Der Kongress findet zum 13. Mal statt und wird, wie auch die Europäische Verteidigungskonferenz, von der Verlagsgruppe des „Behörden Spiegel“ veranstaltet. Letztes Jahr waren laut den Organisatoren angeblich 1.800 TeilnehmerInnen aus 70 Staaten anwesend.
Europäischer Polizeikongress

Auch 2010 soll es in Berlin wieder einen europäischen Polizeikongress geben, ein Treffen internationaler Polizeifunktionäre, PolitikerInnen und der Sicherheitsindustrie. Der Kongress findet zum 13. Mal statt und wird, wie auch die Europäische Verteidigungskonferenz, von der Verlagsgruppe des „Behörden Spiegel“ veranstaltet. Letztes Jahr waren laut den Organisatoren angeblich 1.800 TeilnehmerInnen aus 70 Staaten anwesend.

Doppeltes Networking

Auf dem Kongress sollen laut Selbstdarstellung „bestehende Beziehungen gestärkt und neue Praktiken entwickelt werden“. Im Mittelpunkt steht die Ausweitung und Vertiefung der Zusammenarbeit europäischer Repressionsorgane, deren Themen sich um eine „EU-Strategie der inneren Sicherheit“ drehen. Auf der Agenda steht das „Stockholmer Programm“, ein „Mehrjahresprogramm“ zur Zukunft europäischer Innenpolitik. Dieser Fünfjahresplan ruft erneut einen „Kampf gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und illegale Migration“ aus, um im gleichen Atemzug den Ausbau polizeilicher, militärischer und geheimdienstlicher Zusammenarbeit zu fordern. Hierzu gehört die Einführung neuer technischer Standards zur Überwachung und Kontrolle, wofür die Sicherheitsindustrie in der Kongreß-Lounge diverse Produkte zur Schau stellt.

Der Polizeikongress will „zukunftsweisend“ sein für Einbindung geheimdienstlicher Methoden in die Polizeiarbeit. Überwachung und Repression operieren zunehmend „proaktiv“, ein im Polizei-Jargon gebräuchliches Synonym für einen „vorausschauenden Ansatz“ der auch von der NATO verfolgt wird. Auf dem Polizeikongress werden in diversen Foren Pläne geschmiedet, die „Innere und äußere Sicherheit verschmelzen“ zu lassen. Dementsprechend widmet sich ein Panel der Frage „Was kann man von den Streitkräften lernen?“. Repräsentanten der NATO treffen auf Polizisten und Geheimdienstler, Innenminister und Staatssekretäre trinken mit Vorstandsvorsitzenden der Sicherheitsindustrie Kaffee am Stand der Firma. Letztes Jahr wurde zur zivil-militärischen Zusammenarbeit mit Kai Vittrup dem Leiter der EU-Polizeimission
in Afghanistan ein Podium gegeben. Vittrup war Chef der UN-Polizeikräfte im Kosovo und zuvor im Sudan, Irak oder Ost-Timor in führenden Positionen beteiligt. Er
war jahrelang Chef der Polizei in Kopenhagen, die erst kürzlich beim Klimagipfel wieder
gezeigt hat, wie es um die Zukunft von Protest und Widerstand aussehen soll.



Polizeibehörden und Agenturen der Europäischen Union wie Europol und Frontex werden mitsamt den dazugehörigen Datenbanken, Informationssystemen und operativen Kräften zunehmend vernetzt. Zusammen mit anderen Polizeien sollen sie zukünftig auch im EU-Ausland eingesetzt werden, eine der Neuerungen die im Lissabon-Vertrag verborgen sind und dort als „zivile Konfliktlösung“ gilt.
Im Kampf gegen „illegale“ Einwanderung sind sich die europäischen Innenminister gern einig. Die zahlenmäßig größte Zielscheibe dieses Apparats sind tatsächlich MigrantInnen, die oft in einem Atemzug mit „organisierter Kriminalität und Drogenhandel“ genannt werden. Weil Migration trotz hochgerüstetem Sicherheitsapparat immer neue Wege in die privilegierten Länder der EU findet, antworten die Polizeien mit Datenbanken wie der Fingerabdruckdatenbank Eurodac oder der neuen Visumsdatei ab 2010. Viele dieser Datenbanken speichern hauptsächlich MigrantInnen; zunehmend werden diese Informationen auch zu anderen polizeilichen Zwecken genutzt. Während die europäischen Außengrenzen zunehmend mit neuer Technik wie Satellitenaufklärung, Infrarotkameras, Bewegungsmeldern oder Drohnen gesichert sind, werden Grenzübertritte für Reisende mit europäischen Pässen oder Visa immer diskreter organisiert. Das Gefühl eines „Europa ohne Grenzen“ soll nur für Privilegierte erfahrbar sein.

Die Macht der Statistik

Datenbanken und die darin enthaltenen umfangreichen Informationen sind für die Polizeien von höchstem Interesse. Mit dem in Deutschland schon lange bekannten Mittel der „Rasterfahndung“ wird ein Kontrollinstrument installiert, das abweichendes Verhalten definiert und die Bevölkerung normiert. Jede Auffälligkeit wird als „Risiko“ behandelt. In der Rasterfahndung der Gegenwart haben Polizeien und Geheimdienste allerdings Zugriff auf weit mehr polizeiliche „Personen- und Sachinformationen“ als das Bundeskriminalamt zu Zeiten seines Präsidenten Horst Herold, der die Rasterfahndung 1979 erstmals angeordnet hatte. Hinzu kommen die computergestützte Auswertung der Kriminalitätsstatistik, aber auch andere Daten etwa aus Vorratsdatenspeicherung, Melderegistern, Ausländerbehörden, Arbeitsämtern oder Schulabschlüsse und Wohnort von TäterInnen und Verdächtigen (wie in Körtings Papier zu „Linker Gewalt in Berlin“). Europäische Innenminister freuen sich über einen „Daten-Tsunami“ (O-Ton), und wollen dessen „Unmengen an Information für die Polizeibehörden nutzbar“ machen. Auch die Demontage der Freiheit des Internet gehört zu den polizeilichen Begehrlichkeiten. Social Networks und Webseiten werden elektronisch ausgewertet, dort gefundene Auffälligkeiten in polizeiliche Datenbanken einverleibt. Die EU schließt mit anderen Ländern Abkommen zum Datentausch, Vereinbarungen mit den USA und Japan regeln etwa die Weitergabe von Daten aus Finanztransaktionen oder Flugpassagierdaten. Die europäischen Innenminister haben sich nicht nur in diesem Fall über ein demokratisches Votum des europäischen Parlaments gegen die Datendeals hinweggesetzt.

Der computergestützte Machbarkeitswahn fordert, immer mehr Daten in immer kürzerer Zeit zu verarbeiten und dabei eine wachsende Zahl von Polizeibehörden einzubinden. Hierfür muss jedoch Soft- und Hardware europaweit angepaßt werden. Zur Verwaltung diese „IT-Architektur“ entstehen weitere Agenturen. Dieser Apparat gilt fortan als „kritische Infrastruktur“, deren polizeiliche Kontrolle wiederum ein wichtiges Thema des diesjährigen Kongresses ist.
Softwarefirmen entwickeln Produkte, die Satellitendaten mit biometrischer Videoauswertung verknüpfen soll und auf zahlreiche andere Datenbanken zugreift. Diverse Aussteller bieten sogar Software an, die angeblich menschliches Verhalten vorhersagen soll. Eine Reihe deutscher Firmen konkurriert auf diesem Markt der sogenannten „Predictive Analytics“, darunter SAP, PSI, rola security, Siemens und EADS. Die Anwendungen dienen einer „Full Spectrum Dominance“ und sollen den Repressionsbehörden jederzeit einen umfassen Überblick über alle verfügbaren Informationen geben.

Warum das alles?

Die Europäische Union ist keineswegs das friedliche Projekt, als das es uns gerne vorgeführt wird. Neben der strukturellen Gewalt kapitalistischer Verhältnisse, die sich auf europäischer Ebene möglichst gut entfalten sollen, will die EU eine internationale Supermacht werden die zunehmend eigene Ziele verfolgt. Im Zuge der Staatswerdung der Europäischen Union haben die vier in der EU vertretenen G8-Staaten einen gewichtigen Teil des Kurses bestimmt. Die massiven Investitionen in Forschung und Entwicklung zum Aufbau einer „Homeland Security“ stärken die europäische Sicherheitsindustrie, die auch in Zeiten von Krise von immens wachsenden Märkten profitiert. Das Einswerden von Polizei, Geheimdiensten und Militär soll die Energie- und Produktionssicherheit der EU gewährleisten und den Standort Europa auch in Erwartung weiterer Krisen, darunter die erwarteten Folgen des Klimawandels, nach außen und innen sichern.

Und die Antwort?

Emanzipatorische Bewegungen können es sich nicht erlauben, die Veränderung der Zusammenarbeit europäischer Verfolgungsbehörden zu verschlafen. Stattdessen müssen Möglichkeiten gesucht werden, die grenzüberschreitende Repression auch über Grenzen hinweg zu beantworten. Unter europäischen AktivistInnen gibt es ebenfalls intensive, aktiv arbeitende grenzüberschreitende Netzwerke, darunter im Bereich Migration oder rund um Gipfelproteste. Um die Pfeiler europäischer Sicherheitsarchitekturen auch im eigenen Land einstürzen zu können, müssen ihre Akteure und Ausprägungen identifiziert werden. Im Rahmen der europäischen Staatswerdung tut sich die radikale Linke, die ja ansonsten immer für eine revolutionäre Staatskritik zu haben ist, schwer. In Deutschland wird die Kritik größtenteils Bürgerrechtsgruppen, AnwältInnen oder neuerdings der Piratenpartei überlassen.
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