Dresdner Zapfenstreich-Gegner vor Gericht

Detlev Beutner 01.12.2009 11:51 Themen: Antifa Militarismus Repression
Am Montag, dem 14.12.2009 wird um 09:00 Uhr am Amtsgericht Dresden gegen den Antimilitaristen Jörg Eichler die Hauptverhandlung in einem Strafverfahren wegen "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" (§ 86a StGB) stattfinden; einen ersten Termin im Juli 2009 hatte die zuständige Richterin am Amtsgericht, Fahlberg, platzen lassen.
Anlass des Verfahrens ist ein Aufkleber, der sich auf einer Website zur Organisation von Protestaktionen gegen den „Großen Zapfenstreich“ der Bundeswehr befand. Auf diesem waren mehrere Soldatenköpfe mit Helmen aus verschiedenen Zeiten abgebildet. Auf einem der Helme befand sich auch eine SS-Rune, um auf die furchtbarste Epoche des deutschen Militarismus zu verweisen, in dessen Tradition sich die Bundeswehr mit der Abhaltung derartiger Militärrituale bewusst stellt.

Der Ausgangspunkt dieses Verfahrens geht zurück auf Ereignisse des Jahres 2006. Zum 800-jährigen Bestehen der Landeshauptstadt Dresden „schenkte“ die Bundeswehr der Stadt am 12. Oktober '06 einen „Großen Zapfenstreich“ auf dem zentral gelegenen Altmarkt. Wie auch sonst bei ähnlichen militärischen Auftritten in der Öffentlichkeit regte sich Protest, ein Bündnis „Wider die Militarisierung des öffentlichen Raumes“ rief auf zu Kundgebung und Demonstration.

Das Landeskriminalamt Sachsen – Abteilung „Politisch motivierte Kriminalität links, Verratsdelikte, Kriegsverbrechen“ – stieß im Internet auf der Mobilisierungsseite der ZapfenstreichgegnerInnen auf eine Grafik, die sie für gefährlich hielt: Dort waren unter den Überschriften „Vergangenheit und Gegenwart – Den Zapfenstreich-en! – Wider der Militarisierung des Alltages“ mehrere Soldatenköpfe mit Helmen verschiedener Epochen abgebildet, darunter auch ein Helm, auf dem zur Verdeutlichung des ebenfalls gemeinten historischen Kontextes eine sogenannte „Doppelsigrune“ abgebildet war, das Emblem der SS (welche in der Form der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg kämpfende Truppe war; nur die Waffen-SS durfte – neben der Wehrmacht – den Großen Zapfenstreich durchführen).

Daraufhin sah das LKA dringenden Handlungsbedarf: Nur zwei Tage nach Auffinden der Grafik im Internet wurde die Wohnung des für die Internet-Domain Verantwortlichen, Jörg Eichler, mit acht BeamtInnen knapp vier Stunden lang durchsucht. Sämtliche Rechentechnik wurde per Spiegelung der Festplatten beschlagnahmt, gefunden wurde schließlich – nichts.

Einige Monate später, am 30. Mai 2007, erhob die Staatsanwaltschaft Dresden Anklage. Nur gute zwei Monate vorher hatte der BGH in seiner sehr bekannt gewordenen „Hakenkreuz-Entscheidung“ (Gegenstand war ein durchgestrichenes Hakenkreuz) vom 15.03.2007 noch einmal klargestellt, dass das Verwenden derartiger Kennzeichen nicht strafbar sei, wenn der Inhalt der Darstellung „in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organistion und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt“. Auch hatte der BGH bereits seit 1972 wiederholt betont, dass die Strafbarkeit gem. § 86a StGB sich an dem Schutzzweck der Norm orientieren muss: Was sich erkennbar gegen die betroffenen verfassungswidrigen Organisationen und das dahinter stehende Gedankengut richte, falle nicht unter diese Vorschrift. Die Staatsanwaltschaft Dresden jedoch scheint von diesen höchstrichterlichen Erklärungen völlig unbeeindruckt – die Anklage beruft sich sogar noch ausdrücklich auf die jüngste BGH-Entscheidung.

Anschließend geschah zwei Jahre nichts mehr. Es schien fast, als habe das Gericht die Sache verjähren lassen wollen, um sich inhaltlich nicht äußern zu müssen. Doch am 18.05.2009 wurde die Anklage zugelassen. Ein erster Hauptverhandlungstermin im Juli 2009 endete nach 20 Minuten: Als der Angeklagte seine Einlassung im Stehen abgeben wollte, meinten Richterin Fahlberg und Staatsanwalt Muck, dies unterbinden zu müssen. Nach einer gut zehnminütigen Diskussion hierüber wurde das Stehen schließlich „akzeptiert“ (tatsächlich steht es dem Angeklagten frei, seine Erklärung im Sitzen oder Stehen abzugeben, dies ist ausdrücklich in den „Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren“ so geregelt). Als Eichler dann seine Einlassung mit einem kurzen Zitat Kurt Tucholskys eröffnete, bekam er auch schon keine Möglichkeit mehr, fortzufahren: Die Richterin erklärte, dass Zitate und „politische Erklärungen“ nicht zulässig seien. Durch die Verhandlungsführung des Gerichts hatte sich im Publikum inzwischen eine gewisse Unruhe ergeben - die Richterin ließ daraufhin einen Zuschauer, der erklärt hatte, die Einlassung nun hören zu wollen, aus dem Saal entfernen. Dann brach Fahlberg die Verhandlung ab.
Ein Ablehnungsantrag des Angeklagten wegen Befangenheit der Richterin wurde vom AG Dresden verworfen - das vorgeworfene Verhalten sei „Ausdruck der Souveränität der abgelehnten Richterin“! Fünf Monate nach dem geplatzten ersten Termin – und über drei Jahre nach Einleitung des Verfahrens – findet also am 14.12.09 ein neuer Anlauf statt, die Hauptverhandlung vor dem AG Dresden unter Leitung der Richterin Fahlberg durchzuführen. „Dieses Verfahren ist von Beginn der Ermittlungen an, über die Anklageerhebung und -zulassung, bis hin zum Gebaren der Dresdner Justiz im Rahmen der Hauptverhandlung im Juli dermaßen grotesk und zugleich unverfroren, dass einem schon der Atem stocken kann“, erklärt Verteidiger Detlev Beutner (Frankfurt a.M.).
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wer ist denn so geschichtsresistent

und 01.12.2009 - 12:49
steckt die Wehrmacht in eine Reihe mit der Bundeswehr?

Hat sich der Autor mal vor Augen geführt, welche Truppe jeweils gegen was kämpft?

Würde es beide sheute geben, würden beide gegeneinande rkämpfen

Wer ist denn so textresistent

Detlev Beutner 01.12.2009 - 13:32
und kann nicht lesen, dass es vorliegend zunächst einmal um die Frage geht, wie das Militär zu allen Zeiten - und hierbei sind die militärischen Verbände der NS-Zeit besonders hervorzuheben - zB mit Spektakeln à la "Großer Zapfenstreich" für geistige Mobilmachung versucht zu sorgen!?

Im Übrigen gibt es natürlich draüber hinaus viele Traditionslinien von der Wehrmacht zur Bundeswehr, die durch letztere durchaus auch noch aktiv gepflegt wird. Wer ist denn so geschichtsresistent, die Entstehungsgeschichte der Bundeswehr so überhaupt nicht zu kennen?

Aber gegen Unwissenheit kann man ja was tun, zB  http://www.aufbau-verlag.de/index.php4?page=3110 lesen.

hohoho

demokratie gegen faschismus 01.12.2009 - 14:10
steckt die Wehrmacht in eine Reihe mit der Bundeswehr?

Hat sich der Autor mal vor Augen geführt, welche Truppe jeweils gegen was kämpft?

Würde es beide sheute geben, würden beide gegeneinande rkämpfen

ja und siemens würd gegen siemens kämpfen
bayer gegen bayer
krupp gegen krupp

ein glück das die bourgeoisie von ausschwitz ihre glorreiche katharsis hinter sich hat jetzt kann man sich damit trösten das man gerechte kriege führt seite an seite mit moderaten frauenschlächterwarlords der kapitulantentalibanclique um karzai und dem fortschrittlichsten bürgerlichen staat aller zeiten israel.

das vierte reich erntet für sein chauvinistisches 20 jahrs bacchanal glückwünsche aus dem weissen haus und darf sich sogar sittlich entrüsten über fiese gm*verschwörungen*

endlich mal jmd der seine demokratisch-bürgerlichen wahnvorstellungen zu ende denkt und die konkret-politischen implikationen dessen selbst liefert.

die bundeswehr wurd personell aus der wehrmacht heraus aufgebaut sowie jeder integrale bestandteil des kapitalistischen *postfaschistischen* staats.die bourgeoisie von ausschwitz und stammheim hat seinen imperialistischen ambitionen eine hübsche demokratische maske aufgesetzt.gehlen ,wernherr von braun,kiesinger,filbinger sind nur einige beispiele derer die eine zentrale rolle gespielt haben was den heiligen krieg gegen den kommunismus angeht.was unter hitler lebensraum im osten geheißen hat wurd dann eindämmung der weltkommunistischen verschwörung genannt ich denke aber als revolutionäre ringen uns solche terminologischen spitzfindigkeiten nichts als ein müdes lächeln ab.
es war der amerikanische imperialismus der in der person eines john.j.mccloy anordente die kapitalistische schikeria des vierten reichs zu amnestieren.von arisierern vom schlage eines deutsche banks geschäftsleiter Abs über flick und alfred krupp wurde jeder dieser hauptprofiteure des holocaust und der nazivernichtungskriege ausnahmslos freigesprochen.die kollektivschuldlüge die heute bei den konfusesten linken gruppierungen so beliebt ist und sich in parolen a la bomber harris do it again abartigekeiten äußert amnestiert unsren geliebten reingewaschenen rechtsstaat der doch so vorbildlich *antifaschistische* softantideutsche denkfabriken aufbaut und dabei von bürgerlicher demokratie zu erzählen weiss.

und nun wo nach der glorreichen wiedervereinigung genug ressourcen vorhanden sind um außenpolitisch wieder eine absolut selbstständige rolle zu spielen werden einsatzgebiete wie in afghanistan als kampf gegen halbfaschistische schichten und gruppierungen erklärt.ihr erweist unsrer geliebten nation wirklich einen bärendienst!

adenauer der einer der ersten geläuterten deutschen war die von einem existenzrecht israels sprachen würden tränen in die augen kommen wüsste er wie nützlich für unser geliebtes land unser lieber
trierer *philosoph* der doch von einigen echt fiesen russen so schrecklich missverstanden wurde nun unter antideutscher hermeneutik ist.

ein hoch auf die entente! die allierten! israel und das wiedervereinigte vorbildlich demokratische deutschland!