Revolutions-Inszenierung in Kiel

Rosa & Karl 07.11.2009 18:24 Themen: Kultur Militarismus Soziale Kämpfe
Die Stadt Kiel rief für heute, den 7.11.2009, anläßlich des Jahrestages des Kieler Matrosenaufstandes von 1918 zu einem „Demonstrationszug“ auf. Nach einer Auftaktrede des OB Albig und dem Lied der Matrosen, vorgetragen durch den Ernst-Busch-Chor Kiel, ging die Demo über die Waldwiese zum Hauptbahnhof Kiel, wo die Veranstaltung unter anderem mit weiteren musikalischen Beiträgen des Ernst-Busch-Chors und einem Ausschnitt aus dem Stück „Neunzehnachtzehn“ mit Ensemblemitgliedern des Kieler Schauspielhauses beendet wurde.
Inszeniert wurde das ganze von der Landeshauptstadt Kiel, Amt für Kultur und Weiterbildung. Die Auftaktrede hielt Kiels neuer Bürgermeister Thorsten Albig (SPD...). Es wurden rote Fahnen ausgegeben, die laut VeranstalterInnen kein explizites politisches Signal sein sollten, sondern nur den „Wunsch nach Frieden“ symbolisieren sollten.
Laut der Stadt sollte „Mit dieser Gedenkveranstaltung unter dem Titel „Vom Aufstand zur Demokratie“ die Ereignisse des Novembers 1918 wieder verstärkt in das Bewusstsein der Kielerinnen und Kieler gebracht werden.“ Weiterhin heisst es auf der Internetpräsenz der Stadt Kiel: „Was als eine Meuterei der Matrosen gegen einen sinnlosen Kriegseinsatz begann, entwickelte sich zu einer revolutionären Bewegung, die das gesamte deutsche Reich erfasste und mit der Abdankung des Kaisers und der Entstehung der Weimarer Republik endete.“

Etwa 200 Menschen fanden sich um 10h auf dem Sportplatz des VfB Kiel ein. Dies war ein gezielter Versuch der Stadt Kiel, unter Federführung der „Sozial“-“demokratie“, ein revolutionäres Ereignis für ihre revisionistischen Zwecke zu Mißbrauchen und so zu Entpolitisieren. Dem wurde durch entschlossene Parolen, die die Entmilitarisierung Deutschlands und den Übergang zum Kommunismus/Anarchie propagierten, Transparente auf denen u.a. „Revolution statt Deutschland“ gefordert wurde und dementsprechende Flugblätter entgegengetreten. Denn zwischen den Angestellten der Stadt, Grüner Jugend und einigen darhergelaufenen SPDlerInnen fanden sich viele Menschen ein, welche die herrschende Geschichtsschreibung für die eindeutig Falsche halten.
Der November 1918 in Kiel war mehr als ein „Aufstand“ gegen die aussichtslose Seeschlacht, die des Kaisers kadavertreue Offiziere führen wollten. Es war der Versuch einer Bewegung von Unten endlich Schluss zu machen mit einem System, in dem „der Mensch ein geknechtetes, erniedrigtes, ein verächtliches Wesen ist“ und eine neue und gerechtetere Welt zu schaffen. Die mit einem sozialistischen/kommunistischen Anspruch gegründeten Arbeiter- und Soldatenräte waren hier ein Schritt in die richtige Richtung einer Organisierung von Unten.

Durch die Präsenz revolutionärer Linker und ihrer Sicht der Dinge auf dem heutigen Geschichtsspektakel der Stadt Kiel wurde ein wichtiges Zeichen gegen die historischen NachfolgerInnen des „Bluthund Noske“ gesetzt. Waren es nicht Noskes Truppen, die die revolutionären Arbeiter haben niederschiessen lassen und somit der Reaktion Tür und Tor geöffnet haben?! (Einen aktuellen, ausführlichen Artikel über Noskes Rolle im Kieler Aufstand gibt es unter  http://www.sozialismus-jetzt.de/LinX-2009/LinX-20-2009/Novemberrevolution.html) Dieses verzerrte Bild der Geschichte konnte so nicht unbeantwortet bleiben!

Weiterhin ist Kiel ein wichtiger Rüstungs/Militärstandort. Die Parole der revolutionären Matrosen von 1918 „Frieden-Freiheit-Brot“ ist in Zeiten von Aufrüstung, Deutschland im Kriegseinsatz, Sozialkahlschlag und Überwachungsstaat noch immer hochaktuell!

Gegen die konterrevolutionäre Strategie der Sozialdemokratie!
Für eine kämpferische revolutionäre Bewegung von Unten!
Kommunismus schalalalala!
;-)
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Ergänzungen

Geschichte hat viele Seiten!

abc 08.11.2009 - 10:39
Ich glaube, die Organisatoren von der Stadt hatten wesentlich mehr historisches Bewusstsein und vor allem Humor als die Schreiberlinge hier vom Zentralkomitee.

Ich finde die Idee mit dem nachgestellten Zug und dem Busch Chor super. Ist ja auch eine Gedenkveranstaltung, die den Zweck hat, an ein Ereignis zu erinnern, das in Kiel stattgefunden hat. Das das auch Eventcharakter hat ist okay - so kommt es wenigstens bei mehr Leuten an. Gerade der SPD schadet es ja nun nicht, sich etwas stärker an ihre Geschiche zu erinnern.

Für die KPD-ML-MLPD-Sektierer: Natürlich fand der Aufstand so statt, weil die Matrosen in erster Linie keinen Bock mehr auf Krieg hatten. Folge war neben den Arbeiter- und Soldatenräten nun aber die erste deutsche parlamentarische Demokratie - insgesamt also ein großer historischer Fortschritt - trotz Noske und Zörgiebel. Also hat die SPD ein Recht sich auf diese Tradition zu berufen.

KN Artikel vom Montag

provokant? 09.11.2009 - 13:38
Demonstranten auf den Spuren der Stadtgeschichte

Kiel - Auch wenn sich die Historiker noch immer darüber streiten, was im November 1918 Kiel und letztlich das Reich in Aufruhr versetzte. Der Kieler Matrosenaufstand bedeutete das Ende der Monarchie und den Anfang der ersten deutschen Republik. Am Sonnabend würdigten etwa 250 Frauen und Männer dieses historische Ereignis mit einem Gedenkmarsch.

Schon die Zusammensetzung der Teilnehmer dieses Erinnerungsmarsches, die auf den Spuren ihrer Vorfahren im Demonstrationszug von der Waldwiese zum Hauptbahnhof zogen, deutete an, dass sich die Kieler bis heute schwer tun im Umgang mit ihren revolutionären Vorfahren. Der 91. Jahrestag des Kieler Aufstands rief zwar auch einige Liberale, Christdemokraten und Parteilose auf den Plan, vornehmlich aber Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Freunde der Linkspartei sowie DKP-Aktivisten und ein paar provokante Autonome.

Anna Emil hat mit all diesen Gruppen nichts zu tun. „Ich finde es wichtig, sich mit Geschichte zu befassen“, begründete die 19-Jährige ihre Teilnahme. Erst dieser Tage hatte die Gymnasiastin im Geschichtsleistungskurs in einer Klausur zum Kieler Matrosenaufstand zwölf Punkte, also eine Zwei plus, bekommen und traute sich deshalb nach kurzem Nachdenken eindeutige Bewertung dieses Ereignisses zu: Nicht in jeder Hinsicht hätten zwar die Ziele der Aufständischen vom November 1918 der reinen demokratischen Lehre entsprochen, „aber ich finde schon, dass man darauf stolz sein kann.“

Zwei Schauspielern war es am Sonnabend vorbehalten, die Erinnerungsdemonstranten in die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer historischen Vorläufer einzuführen, als etwa 5000 bis 6000 Menschen im notleidenden Kiel gegen die Inhaftierung von Matrosen protestierten und Frieden, Freiheit und Brot forderten. Werftpark-Theaterchef Norbert Aust tat das, in dem er unter anderem Joachim Ringelnatz und seine Beschreibungen des Alltags der Matrosen zitierte. „Rote, keuchende, schreiende Gesichter“ und immer wieder „neue Bilder des Unglücks“ ließ er aufleben. Und er erinnerte daran, dass zum Schluss die Grippe dem Volk mindestens ebenso zusetzte wie der Feind: „Man starb heftig im Jahr 1918.“

Marco Geppert derweil schlüpfte auf dem Bahnhofsvorplatz in die Rolle eines revolutionären Redners und richtete flammende Appelle an die „Genossen und Kampfesbrüder“: „Frauen und Kinder, die im Dreck verreckt sind, damit ist nun Schluss. Nieder mit dem Kaiser, nieder mit dem Kapital!“

Auf dem Weg von der Waldwiese zum Hauptbahnhof stimmte der Ernst-Busch-Chor wiederholt die heutzutage nur noch selten erschallende Internationale an. Auch Marschierende, die mit dem Kommunismus ganz gewiss nichts am Hut haben, erwiesen der Geschichte ihre Reverenz und stimmten schüchtern in die Hymne der roten Arbeiterbewegung ein.

Apropos rot: Dergleichen Fahnen wehten am Sonnabend vielfach auf den Straßen. Zum Verdruss der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung des Kieler CDU-Kreisverbands, der in einer Presseerklärung feststellte: „Mit Erstaunen und Bedauern“ nehme man zur Kenntnis, dass die Kieler Stadtverwaltung für den Demonstrationszug rote Fahnen ausgegeben habe. „Das sind gerade keine Symbole für demokratische Gesinnung.“

Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) ließ diese Kritik kalt. Einschlägige revolutionäre Symbole gehörten eben dazu, wenn man eine emotionale Annäherung an diesen historischen Tross vornehmen wolle, befand der Rathauschef. Zudem plädierte er dafür, den Matrosenaufstand, auf dem „die ersten Schritte zur deutschen Republik gemacht wurden“, viel stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken: „Mit tiefem Respekt bewundern wir den Mut dieser einfachen Menschen, die ihr Leben riskierten.“




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wow

... 07.11.2009 - 20:25
super, spassgesellschaft! ich hoffe, die koksnasen aus besserverdienenden verhältnissen hatten ihren spass und beenden ihr soziologiestudium in absehbarer zeit beenden.

Komischer Bericht

..... 07.11.2009 - 22:14
Man muss schon zwischen den Zeilen lesen um nachzuvollziehen was da heute los war. Die Parolen am Schluss sind sogar kontraproduktiv: es wirkt wie ein herausgegebenes Pamphlet eines Zentralkomitees und nicht wie ein Nachrichtenbeitrag. Und ob die Matrosen damals ausgerechnet den Kommunismus wollten, für den heute DKP, MLPD und andere Stalinogruppen stehen?

Korrektur zu abc

Kronstadt 08.11.2009 - 12:31
Die SPD hat damals auf die Leute schiessen lassen und kann sich somit nicht auf den Aufstand berufen, da sie ihm ja als Gegner gegenüberstand. Dennoch gilt dasselbe auch für die Stalinisten, da die Arbeiter ganz sicher nicht deren Ziele verfolgten. Am ehesten waren rätekommunistische Ansätze,die da zu finden waren. Vereinnahmungen finden immer statt und sie nie gerechtfertigt, egal ob von CDU/SPD oder Stalinis Urenkeln.

Ergänzung der Ergänzung

abc 08.11.2009 - 13:08
Doch, namentlich auf diesen Aufstand darf sie sich berufen. Sogar Noske kann es. Dass er kurze Zeit später (Januar 1919) auf Arbeiter schießen ließ, ändert natürlich das Gesamtbild sowohl seiner Rolle als auch der seiner Partei. Andererseits waren sowohl Spartakus - als auch der Kronstädter Aufstand sicher sympathisch - historisch betrachtet aber wohl Fehler aufgrund völlig falscher Einschätzung der Gesamtlage in Deutschland/Sowjetrussland.

Revolutionen fressen eben manchmal ihre Kinder. Ich würde jetzt einem DDR-Punk, der gegen das System rebelliert hat ja auch nicht die Schuld daran geben, dass dann Bananen und Kohl kamen.