Berlin-Nordost: Vorab-Demo zum Schulstreik

in love with: northeast.antifa.de 24.06.2009 18:19 Themen: Soziale Kämpfe
In vielen Berliner Bezirken kam es anlässlich des bundesweiten Bildungstreiks am 17. Juni in Berlin zu einer Vielzahl an Vorab-Demonstrationen, die in den Bezirken starteten, Schüler_innen an den Schulen abholten und anschließend zur zentralen Demonstration am Alexanderplatz fuhren. Wie auch in den vergangenen Jahren gab es wieder eine Vorab- Demonstration der Nordost-Berliner Schüler_innen.
Der Großbezirk „Pankow“ gilt seit rund vier Jahren als einer der Vorreiterbezirke in Sachen Schüler_innenorganisation. Die hiesigen Bildungs-Aktivist_innen waren immer Indikatoren für eine starke Mobilisierung im Kiez wie auch zum Gesamtstreik. Mit etwas Verspätung veröffentlichen wir hiermit den Bericht zur diesjährigen Vorab-Demonstration und wagen einen Rückblick und eine Zusammenfassung bezüglich der regionalen Bildungsstreik-Mobilisierungen der letzten Jahre.
::: Streik 2009 :::

Gegen 7.45 Uhr trafen sich Jugendliche an dem Oberstufenzentrum Druck und Medientechnik in Berlin-Weißensee um dort Schüler_innen mit der diesjährigen Vorab-Demo abzuholen. Auf Grund technischer Probleme mit dem Generator schwanden viele potentielle Teilnehmer_innen dahin. Trotzdem gelang es eine Schulklasse von Einzelhandelskaufleuten für den Streik zu begeistern.
Von dort aus ging es zum Primo Levi-Gymnasium, wo rund 100 Schüler_innen warteten. Der Mangel an Musik und Leuten drückte die Stimmung merklich. Auch die Technik bedingte Zeitverzögerung sorgte für wenig Teilnehmer_innenzuwachs. Auch wurden die Schulen auf Grund der Zeitverzögerung kurz nach den Hofpausen angesteuert und verpassten somit einen grossteil der Schüler_innen. Auch die Abriegelung der Schulen durch die Polizei erschwerte einiges. Letztendlich wuchs die Demo ab Prenzlauer Berg von 150 auf 300 Schüler_innen an und machte sich auf den Weg zum Roten Rathaus, wo der Rest der Streikenden sich versammelt hatte.

In diesem Jahr konnte die Zubringerdemo und auch die Mobilisierung im Großbezirk „Pankow“ nicht annähernd an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen. Allerdings haben die wenigen Leute, die in diesem Jahr vor Ort die Werbetrommel für den Streik gerührt haben, ihr bestes gegeben. Einige Überlegungen und Ausblicke für die kommenden Jahre möchten wir im Schlusswort zusammenfassen.


# Video zur Vorab-Demo am 17. Juni 2009:
 http://video.web.de/movie/F6578141


::: Der Anfang :::

Im September 2006 stand seit mehren Jahren wieder mal ein Schulstreik vor der Tür. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht wirklich klar, dass sich daraus eine mehrjährige Protestwelle entwickeln könnte. Im Unterschied zu Streiks in den Jahren zuvor war dieser maßgeblich von Schüler_innen und linken Gruppen getragen, nicht von Gewerkschaften. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich an der Primo Levi Oberschule in Weißensee verschiedene Schüler_innen zusammengefunden, die bereits seit längerem im schulischen Rahmen politisch aktiv waren, um ein lokales Streikkomitee aufzubauen.
Aus einem spontanen Einfall von lokalen Antifas und Menschen aus dem Streik-Komitee entstand die Idee einer Vorab-Demonstration, die zum Streik führen sollte. Die Anfangs für gut gehaltene Idee wurde am 13. September 2009, dem Tag des Streiks, nicht mehr als so mobilisierungskräftig von Seiten der Antifas angesehen, die an der Entstehung der Idee anfänglich beteiligt gewesen waren.
Dem Pessimismus, welcher aus den starren Mobilisierungserfahrungen der Antifabewegung resultierte, versammelten sich an der Eberswalder Straße rund 500 Schüler_innen aus dem Nordosten zur Demonstration und ersticken somit besagte pessimistischen Befürchtungen. Ohne Anmeldung zog die Demonstration über die Kastanienallee und erfuhr dabei auch Beifall aus umliegenden Wohnungen. Wenig später tauchten Beamte auf und die Demonstration wurde als spontaner Zug angemeldet. In der Nähe des Rosenthaler Platzes, stießen die Schüler_innen des John - Lennon - Gymnasiums zur Demonstration, welche Stück für Stück auf 800 Teilnehmer_innen angewachsen war. Am Alexanderplatz stieß die Demonstration dann auf die Großdemonstration. Diese umfasste rund 7000. Der Streik im September setzte damals ein Motivationspunkt für die Nordost-Berliner Schüler_innenstrukturen den Kampf in den Schulgebäuden weiterzuführen. Viele Kontakte zwischen verschiedenen Schulen und deren Aktivist_innen haben sich zu dieser Zeit seit ergeben.

::: Organisierungsflaute :::

Der Streik am 24. April 2007 kam relativ plötzlich und war maßgeblich von der LSV organisiert worden. Somit blieb den Schüler_innen im Nordosten, wie auch in ganz Berlin nur wenig Vorlauf eine Mobilisierung zu stemmen, die bei den Schüler_innen vor allem Inhalte vermitteln konnte. Trotzdem gelang eine weitest gehend gute Mobilisierung im Kiez zum Gesamtstreik. 2007 wurde klar, dass es in vielen Schulen ein schier schweres Unterfangen war Schüler_innen-Komitees aufzubauen. Auch auf Bezirksebene gestaltete sich die Umsetzung dieser Idee als schwierig, da sich Schüler_innen nicht zwangsläufig mit einer anderen Schule in ihrem Bezirk identifizierten, keine wirkliche Lust auf Organisation hatten oder einander auch einfach nicht gut genug kannten. So blieb einigen Schüler_innen z.B. in Bezirken wie Hohenschönhausen oder Schöneberg oft nur das los der Einzelaktivist_innen oder de Mitgliedschaft in einer der linken Gruppen die den Streik mitorganisieren. Hier zeigte sich das Dilemma der leider nicht massenhaft eintretenden Selbstorganisation der Schüler_innen.

::: Selbstbildung und Vernetzung :::

In der Folgezeit nach dem Streik im April 2007 verstärkte sich die Zusammenarbeit zwischen den „Schul-Aktiven“ im Großbezirk Pankow, durch die Reaktivierung der Schülerclubs als Orte des Austausches und der Organisation.

Das Primo Levi-Gymnasium war auch in der Mobilisierung zum Schulstreik am 22.Mai 2008 einer der Impulsgeber auf lokaler Ebene, inhaltliche wie auch praktisch. So gingen von der Schule, aber auch von anderen Schulen des Bezirks Infoveranstaltungen aus, bei der bereits Aktive, wie auch „Neulinge“ über die Sachverhalte der derzeitigen „Bildungsmisere“ aufgeklärt wurden. Somit wurden viele Schüler_innen fit für das Thema bei anstehenden Diskussionen gemacht. Über die Rechte, welche einem als Schüler zustehen, wurde unter anderem im Rahmen von öffentlichen Schüler_innenvollversammlungen an der Levi-Schule informiert. Die Zubringer-Demonstration startete 2008 mit rund 150 Schüler_innen und Endete wuchs bis auf 700 Teilnehmer_innen an. An der Prenzlauer Allee teilte sich die Demonstration in zwei Hälften. Eine fuhr zur Auftaktkundgebung am Potsdamer Platz und eine andre Hälfte holte noch rund 300 Schüler_innen an den Schulen in der Nähe des S-Bahnhof Greifswalder Straße ab. Im Verlauf der Demonstration wurde auch diese angemeldet. Für den 22. Mai 2008 lässt sich sagen, dass in Weißensee, Pankow und Prenzlauer Berg bei der Werbung für den Streik alles rausgeholt wurde, was drin war. Diese Mobilisierung kann, mit Abstand, als eine der erfolgreichsten mit eingestuft werden.

In vielen anderen Städten hatten zeitnah auch Streiks stattgefunden. Nach dem Streik im Mai wurde unter anderem auf Initiative von Schüler_innen aus „Pankow“ im Berliner Bündnis die Idee eines bundesweiten Bildungsstreiks angestoßen. Schnell verselbstständigte sich die Idee und über die bundesweite Vernetzung von Schüler_innen, Student_innen und Asten wusch das Projekt eines bundesweiten Streiks. Am 12.November 2008 gingen dann bundesweit rund 100.000 Schüler_innen in insgesamt 44 Städten auf die Straße.

Ähnlich wie auch im Jahr zuvor kam die Vorhab-Demonstration im Nordosten auf rund Schüler_innen und trug somit ihren Teil zur Mobilisierung von Schüler_innen bei. Während es 2007 noch gelungen war an der Heinz Brandt Oberschule (Hauptschule) oder der Hagenbeck-Oberschule (Realschule) in die Gebäude zu gelangen und Jugendliche für den Streik zu begeistern, so war dies Im November 2008 nicht mehr möglich. Die Demonstration war von Anfang an, aus Sicherheitsgründen, angemeldet worden. Dementsprechend wurde durch die anwesende Polizei jegliche Spontaneität, wie auch der eigentliche Zweck, nämlich das abholen der Schüler_innen, verhindert. Der zu diesem Zeitpunkt noch sehr guten Organisierung über die Schülerclubs war es zu verdanken, dass trotz Polizeischikanen die Schüler_innen aus den Schulen kamen und sich dem Zug anschlossen. Die Mobilisierung zum


::: Versuch einer Einschätzung :::

Vorweg: der Text ist nicht der Versuch einer Lobhudelei auf die aktiven Schüler_innen in Nordostberlin, vielmehr geht es darum zu zeigen, das „Selbstorganisation“ in den Lernfabriken keine lehre Phrase ist.

Über den persönlichen Weg, Diskussionen, Debatier-Clubs, internationalen Austausch (z.B. mit Lateinamerika) und viel gegenseitigen Vertrauen konnten in den letzten Jahren viele der Aktiven an sich wachsen. Vielleicht manchmal sogar mehr, als sie es in einer typischen linksradikalen Gruppe hätten tun können. Die Mischung aus Politik, Kunst, Musik und persönlichen Beziehungen hat in diesen Kreisen eine Kitt geschaffen, der eine weile halten wird. Aus dem Prozess des gemeinsamen politischen Handelns und Diskutierens sind viele, antikapitalistisch eingestellte und schlagkräftig argumentierende Menschen hervorgegangen. Hier wird deutlich dass wir der mittlerweile sehr konsumistischen Haltung in der linken Szene unter anderem begegnen könnten, wenn wir uns daran ein Beispiel nehmen und weniger mundgerecht unsere Angebote für die eigenen Genoss_innen gestalten.

Allerdings waren viele Projekte die liefen auch immer sehr stark an Einzelne geknüpft und die Beteiligung oft vom Erlebnisfaktor abhängig. Außerdem erfolgte die Organisierung der Leute meist über die Aktion an sich. Wenn keine Aktion, z.B. mal wieder ein Schulstreik, anstand gab es auch keine Vernetzung. Regelmäßige Treffen hätten es z.B. ermöglicht gegen den Zwang zur Wiederholung der MSA-Prüfungen im Juni 2008 aktiv vorzugehen. So konnte die Junge Union der Protest für sich vereinnahmen (  http://de.indymedia.org/2008/06/220371.shtml ) und die offizielle Aktion des Berliner „Bildungsblockaden“-Bündnis danach zog lediglich 150 Meschen an ( http://de.indymedia.org/2008/06/220386.shtml). Eine auf Projekte orientierte Organisierung wird darum nie ausreichen. Manch eine_r würde an der Stelle behaupten dies bedeute lediglich „Organisierung der Organisierung willen“. Dem lässt sich entgegen, dass es immer etwas zu tun gibt. So kann sich Beispielweise um den Aufbau von Infrastruktur gekümmert, längerfristig geplant oder andere Themenfelder erschlossen werden.

Unter den Punkt längerfristige Planung fällt auch die Frage wo „unsere Strukturen“ in zwei Jahren stehen werden? Mittlerweile sind viele der fitten JÖJ’ler (FÖJ = Freiwilliges Ökologisches Jahr), die in vielen Schülerclubs die Basis der Bildungsstreiks etc. gestellt haben nicht mehr vor Ort. Darum ist es wichtig an den Schulen den Kontakt zu den neuen JÖJ’lern zu halten. Gleiches gilt für die nachrückenden Klassen. Viele der Menschen, die vor anderthalb Jahren mit dabei waren gehen jetzt nicht mehr zur Schule und betätigen sich derzeit in anderen politischen Feldern oder kümmern sich um ihr Studium bzw. um die Arebeit. Auch hier zeigt sich, das selbst Aktion, Freundschaft und Erlebnisgehalt keine dauerhaften Strukturen schaffen, die es jüngeren ermöglichen Anschluss zu bekommen und „ausscheidenden Schulaktivist_innen“ die Option bietet weiter aktiv zu bleiben. Eine Möglichkeit bestünde hier z.B. darin nach der Schule mit den Menschen mit denen mensch bis dahin aktiv war weiterhin eine Art Gruppe zu bilden, die sich regelmäßig trifft und Projekte plant. Auch hier ist die Auseinandersetzung mit anderen Themen unumgänglich, da die Schule als Bezugspunkt ab einen bestimmten Punkt wegbricht.

In diesem Zusammenhang kann es von Vorteil sein sich mit verschiedenen politischen Gruppen, die mensch kennt über Organisationsansätze auszutauschen. Wichtig ist allerdings, dass die linken Gruppen nicht versuchen einen Anspruch auf die selbstorganisierten Schüler_innen-Strukturen zu erheben, sondern eher unterstützend wirken.

Auch die zunehmende Repression gegen die Bildungsproteste gebietet eine engere Zusammenarbeit mit Menschen, die sich in dem Gebiet längere Erfahrungen haben. Der Knüppeleinsatz beim letzten Streik, wie auch die Anzeigen gegen die „Spontan-Demo“-Anmelder_innen brauchen feste Strukturen, die sich regelmäßig treffen um mit der Repression gekonnt umzugehen und um Jugendliche nicht fallen zulassen, wenn ihnen etwas passiert ist. Generell steht auch eine Debatte innerhalb der Schüler_innenstrukturen über Repression aus. Den angekommen ist die Repression mittlerweile.
In Form des Schulaction-Bündnisses „Pankow“ gibt es eine solche Struktur. Aber selbst sie können nicht die Versäumnisse anderer Streik-Aktivist_innen im nu beseitigen. Deswegen kann mensch politisch aktiven Menschen ans Herz legen die Initiativen des Schulaction-Bündnisses zu unterstützen. In Zukunft müssen darum Diskussionen über Sinn und Unsinn von Organisierung auch längerfristiger geführt werden. Außerdem ist ein erneutes zusammenkommen der Schüler_innenstrukturen von Nöten um die derzeitige Zerfaserung von gemeinsamen Kräften wieder zu bündeln.

Wir haben bundesweit am 17.Juni einen Schulstreik hingelegt, der in über 50 Städten 24250.000-300.000 Menschen auf die Straße gebracht hat und weit links geprägt war. Über die Forderung nach „besserer Bildung“ hat sich der Streik mittlerweile wohltuend antikapitalistisch entwickelt.

Die obligatorischen drei Parolen am Ende:

Bildungsblockaden einreißen!
Klassenkeile für den Kapitalismus!
Kein Frieden mit der deutschen Rechtschreibung!


Informationen über linke Politik in Nordost-Berlin:
 http://northeast.antifa.de/
 nea@riseup.net

Bündnis „Bildungsblockaden einreißen“:
 http://www.schulstreik-berlin.de/
 be@schulstreik-berlin.de

Bündnis „Schulaction“-Pankow:
 http://www.schulaction.org/
 schulaction@schulaction.org


Im Folgenden wollen wir einen mit Videomaterial und Fotos bebilderten Rückblick der Schulstreik-Mobilisierungen im Berliner Nordosten bieten.

# Schulstreik am 22.Mai 2008:

Mobilisierungsvideo zum Streik / Hier:
 http://www.youtube.com/watch?v=jNilH7yefsU
-Interviews mit Aktivist_innen des Primo Levi Gymnasiums
-Dach-Aktion auf dem Primo Levi Gymnasium

Video zur Mobilisierung der Nordost-Berliner Schüler / Hier:  http://video.google.com/videoplay?docid=-7666926908316479319&hl=de
-Schüler_innen-Vollversammlung am Primo Levi Gymnasium
-Schüler werden abgeholt von der Heinz Brandt-Oberschule, der Hagenbeck-Oberschule, so wie dem Käthe Kollwitz-Gymnasium und dem Schliemann-Gymnasium abgeholt.

Bilder von der Vorab-Demo / Hier:
 http://de.indymedia.org/2008/05/218037.shtml

Video vom Streik / Hier:  http://video.google.com/videoplay?docid=361740122861227556&hl=de
- Interviews vorm Primo Levi Gymnasium
- Schüler_innen kapern die Heinz Brandt-Oberschule in Weißensee

RBB-Video zum Streik / Hier:  http://www.youtube.com/watch?v=Fecxc6zitoA&feature=related
-Interviews mit Aktivist_innen des Primo Levi Gymnasiums

# Schulstreik am 13. September 2006

Bilder der Vorab-Demo / Hier:
 http://www3.de.indymedia.org/2006/09/157130.shtml
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Ergänzungen