Bildungsstreik Münster über 60 Programmpunkte

Yellow Submarine 11.06.2009 19:03 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Am Montag, den 15. Juni beginnt auch in Münster die Bildungsstreikwoche. Zahlreiche Aktionen begleiteten bereits die vergangenen Wochen. Am 6. Juni protestierten Bildungsstreiker gegen den öffentlichen Auftritt von "Innovationsminister" Andreas Pinkwart. In der kommenden Woche sind bereits über 60 Programmpunkte fest geplant.
Der kommende Bildungsstreik ist in Münster kaum zu übersehen. Überall wurde plakatiert, selbst in Außenbezirken. Es gibt eigens produzierte Vorfahrtsschilder auf denen "Vorfahrt für Bildung" steht und die entlang der Promenade aufgestellt wurden, ebenso wie mit Sprühkreide aufgebrachte Symbole. Auf offiziellen Vorfahrtsschildern prangen zudem Bücher (siehe Foto).

In der Innenstadt gab es schon mehrere Aktionen, etwa Theaterperformance auf dem Eurocityfest, welche auch gut ankamen. Am 6.Juni wurde eine Wahlkampfveranstaltung der FDP ad absurdum geführt, da ebensoviele Bildungsstreiker wie FDP-Anhänger anwesend waren und die Rede des Ministers für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie aus NRW Andreas Pinkwart mit Zwischenrufen unterbrachen. Das war auch dringend notwendig den Minister Pinkwart spielte die Probleme an den Hochschulen herunter und behauptete beispielsweise, dass niemand in diesem Land von einem Hochschulstudium abgehalten werde und verwies auf noch immer nicht vorhandene Stipendien. Die Protestler überreichten ihm bei der Gelegenheit die Forderungen der im Bildungsstreik Aktiven, die schriftlich wohl noch nicht zu ihm vorgedrungen waren. Bei der Gelegenheit wurde auch ein Flyer verteilt, der bei der Bevölkerung gut ankam. (Inhalt siehe unten).

Es hat einige Vollversammlungen gegeben, auf denen die Teilnahme jeweils mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurde, so etwa an der katholischen Fachhochschule, dem Pascal-Gymnasium und zuletzt im Fachbereich Geologie/Landschaftsökologie/Geoinformatik. Für die gemeinsame münsterweite Demonstration am 17. Juni sind zahlreiche Protestzüge von Schulen geplant, die in einem Sternmarsch den Prinzipalmarkt erreichen. Von dort aus wird ein Demonstration durch die Innenstadt erfolgen.

In der Bildungsstreikwoche wird es erneut ein Protestcamp vor dem Schloss geben, wie es schon in der "Global Week of Action" gestartet wurde. Hier ist der Anlaufpunkt für zahlreiche Aktionen, Workshops, Informationen und Diskussionen. Insgesamt sind bisher in Münster über 60 Programmpunkte fest geplant, hinzu kommt die "Lange Nacht der Bildung" in der Soziologie, die mit zahlreichen weiteren Veranstaltungen aufwartet. Es wird zudem jeden Tag Plena und Volxküche im Camp geben. Auch für kulturelles Rahmenprogramm ist reichlich gesorgt.

Das gesamte Programm findet sich auf: www.bildungsstreik-muenster.de

Hier noch ein Interview über Studierendenproteste in Italien, welches im Münsteraner Bildungscamp am 26. April aufgenommen wurde:
 http://www.youtube.com/watch?v=r467jBY1Obk
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Ergänzungen

Flyertext

zu Minister Pinkwart 12.06.2009 - 10:15
Warum wir gegen Minister Pinkwart demonstrieren?!

Prof. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie (früher Bildung) von der FDP ist sowohl für die Einführung von allgemeinen Studiengebühren, als auch das neue Hochschulgesetz NRW, welches nach seiner Partei "Hochschulfreiheitsgesetz“ genannt wurde, verantwortlich.
Über Studiengebühren wurde bereits vieles gesagt. Minister Pinkwart lehnt jede Verantwortung für die Belange der Studierenden und die sozialen Auswirkungen seiner Gesetze stets ab.

Das Hochschulfreiheitsgesetz ist ein erster Schritt hin zur Privatisierung der Hochschulen. Der Wirtschaftsprofessor wollte seiner Marktideologie folgend sogar die Insolvenzfähigkeit von Hochschulen im Gesetz festlegen. Nur durch massive Proteste konnte dieser Schritt verhindert werden. Nicht auszudenken, welche Folgen eine solche Pleite in der jetzigen Finanzkrise bedeutet hätte.

Was bedeutet das Hochschulfreiheitsgesetz?

Um die Umwandlung der Hochschulen in wirtschaftlich orientierte,unternehmerisch handelnde Organisationen umzusetzen, wird mit dem Hochschulfreiheitsgesetz die Entdemokratisierung der Hochschulen vorangetrieben. Das bedeutet konkret, dass ein Hochschulrat mit weitreichenden Kompetenzen eingerichtet wurde und damit der demokratisch gewählte Senat an Entscheidungsbefugnissen verloren hat. Auch die Mitbestimmung von Studierenden an den Hochschulen wurde und soll weiter zurückgedrängt werden. Die Hochschulräte sind oftmals mit Personen aus der Wirtschaft besetzt. Im Hochschulrat der Universität Münster, welcher durch ein undemokratisches Verfahren zustande kam, sitzt beispielsweise Thomas Middelhoff,
welcher als ehemaliger Vorstandschef für die derzeitige Pleite des Karstadt (Arcandor)-Konzerns verantwortlich ist.

Im neuen Hochschulgesetz wurden des weiteren zahlreiche Aufgaben der Universitäten, die zur Erhaltung des demokratischen und sozialen Rechtsstaates beitragen sollen, herausgestrichen. Auch für die Lehre bringt das Gesetz Verschlechterungen mit sich:
Das Recht „Lehrveranstaltungen außerhalb des eigenen Studienganges“ zu besuchen wurde eingeschränkt, gesetzlich festgelegte Freiversuchregelungen gestrichen und die Verpflichtung der Hochschulen dazu, zentrale Studienberatungen für persönliche und psychologische Probleme einzurichten, ebenso. Dienste, wie Büchereien und Medienpools können privatisiert und hierfür zusätzliche Gebühren erhoben werden.

Bericht von Montag, 15.6.

Bildungsstreik Münster 17.12.2009 - 14:27
Am philosophischen Institut der Uni

Am 15. Juni 2009 hat in Nordrhein-Westfalen und somit auch in Münster der bundesweite Bildungsstreik begonnen. An diesem Montag traf sich eine engagierte Gruppe von Studenten vor dem Philosophischen Seminar der Uni Münster.

Ab sieben Uhr wurden Tische, Stühle und Absperrband oder Wände aus Plakaten genutzt, um das Gebäude zu blockieren. Eingänge wurden bis auf enge Durchgänge gesperrt. Dadurch entstanden Situationen, in denen auch nicht-beteiligte Mitarbeiter und Studenten informiert wurden. Beispielsweise wurde eine Resolution mit Forderungen des Bildungsstreiks verteilt, die in einer Vollversammlung der Philosophie und Geschichte einige Tage zuvor beschlossen worden war. Zudem wurden Dozenten überredet, ihre Veranstaltungen abzusagen, sodass sich noch viele andere Studenten dem Streik anschließen konnten. Das philosophische Institut verzichtete aufgrund der Blockade für den gesamten Montag auf die Durchführung von Lehrveranstaltungen. Die Anwesenheitspflicht für alle Veranstaltungen innerhalb der Bildungsstreikwoche war schon im Vorfeld aufgehoben worden.
Zur Mittagszeit wurde der Streik ausgeweitet und das Fürstenberghaus von einer immer größer werdenden Gruppe Studenten besetzt. So wurden viele weitere Studenten auf den Bildungsstreik aufmerksam gemacht. Viele schlossen sich der Blockade an, andere waren zumindest dazu angehalten, sich mit den Forderungen auseinander zu setzen, die generell auf Zustimmung trafen.Somit war ein guter Anfang gemacht worden.
Weitere Aktionen, die im Laufe der Woche stattfanden, wurden beworben (Alternatives Vorlesungsverzeichnis).
Im Bildungscamp vorm Schloss

Während das philosophische Seminar noch blockiert war, wurde vorm Schloss der alternative Campus aufgebaut, drei größere Zelte und viele kleinere folgten, von gelegentlichen Regenschauern ließen wir uns nicht abschrecken. Auch am Montag fanden dort und an anderen Orten schon zahlreiche alternative Bildungs-Veranstaltungen statt. ProfessorInnen boten beispielsweise ein Seminar zur Kants Anthropologie, zum Frankenstein-Komplex oder zu Wahlen im Iran und Libanon an. Hochschulpolitische Veranstaltungen wie ein Gespräch zu Studierendenvertretungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder eine Diskussion zum Thema: Ist der AStA eine linksradikale Kampforganisation? durften nicht fehlen. Die Fachschaft GHR organisierte zusätzliche Veranstaltungen zur LehrerInnenbildung.

Auf einer Infoveranstaltung zum Bildungsstreik wurden die Forderungen und das Programm in Münster vorgestellt und fand bei den BesucherInnen durchaus Anklang. Der Infostand vorm Schloss zog immer wieder interessierte Studierende und Bürgerinnen und Bürger an und auch zahlreiche PressevertreterInnen der lokalen und regionalen Medien hatten vom Bildungsstreik gehört, schauten vorbei, knipsten Fotos und führten Interviews. Das Bildungscamp fand in der Lokalpresse dementsprechend großen Anklang.

Am Montag wurde an vielen Orten auch noch für den Bildungsstreik und die Demo am Mittwoch mobilisiert, Flyer wurden verteilt, Vorlesungen mit kreativen Aktionen besucht und an der Islamwissenschaft fand eine Vollversammlung der Studierenden statt, die den Bildungsstreik an ihrem Institut beschloss.

Neben diesen eher inhaltlichen Veranstaltungen gab es auch einige aktionistische Workshops, zum Beispiel einen Clownsworkshop, der sich auch am Mittwoch auf der Demo in Höchstform präsentierte oder einen Workshop, angeboten von der Fachschaft Religionswissenschaft „Aus dem Rahmen fallen“ zum politischen Straßentheater.

Auf dem Plenum wurden die Erfahrungen des ersten Tages ausgetauscht und die Aktionen für die nächsten Tage, insbesondere bei der Blockade von Gebäuden kontrovers diskutiert. Der Workshop „Volksküche“ bereitete noch ein leckeres vegatarisches Gericht und schließlich klang der Abend trotz heftigem Regen bei Musik von „Caravana del Mundo“ und „Eule and Friends“ gemütlich aus, Raum für politische Diskussionen blieb genug.


An der Katholischen Hochschule

Den Studierenden der Katholischen Hochschule wurde der Beginn der Streikwoche durch eine Blockade des Eingangs zum Campusgelände in Erinnerung gerufen. Eine Wand aus 50 bemalten und beklebten Umzugskartons versperrte den Weg und wer in die Hochschule wollte musste die Kartons, die symbolisch für Blockaden im Bildungssystem standen, einreißen.

In der Hochschule liefen so gut wie gar keine regulären Seminare, stattdessen wurden von Dozierenden und Studierenden alternative Veranstaltungen angeboten. Zahlenmäßig am besten besucht war dabei der Transpi-Mal Workshop, den ein komplettes Recht-Seminar als bessere Alternative zum Vorlesungsbetrieb auserkoren hatte.


Und was war in anderen Städten los?

Bildungscamps waren der große Renner: In mehr als 15 Städten bauten Studierene und SchülerInnen ihre Zelte auf, um für besser Bildung einzutreten und eine offene Uni mit freien Bildungsveranstaltungen für alle anzubieten. In Verne wurde das Schülercamp gedoch gleich von der Schulleitung mit der Drohung die Polizei zu holen, aufgelöst.

In verschiedenen Städten wurden Uni-Gebäude blockiert, zum Beispiel in Bochum für drei Stunden, in Mainz, Wuppertal, Hildesheim, Lüneburg, Hamburg und Berlin. In Düsseldorf blockierten die BildungsstreikerInnen den Eingang zur Staatskanzlei. Aus Stühlen und Tischen wurden Blockade-Kunstwerke zum „Frühling der Stühle“ aufgetürmt.

In Heidelberg wurde das philosophische Institut und das Romanische Seminar besetzt, in Berlin das Otto-Suhr-Institut (Politikwissenschaft).

Bericht vom Dienstag, 16.6.09

Bildungsstreik Münster 17.12.2009 - 14:35
An der Katholischen Hochschule

Der Dienstag war an der KatHO der Tag, der ganz im Zeichen der Alternativveranstaltungen stehen sollte. Für den ganzen Tag war ein vielfältiges Programm aufgestellt worden. Dozierende betrachteten Aspekte des Themas Bildung aus ihren fachspezifischen Perspektiven, egal ob soziologisch, bildungstheoretisch oder evolutionsbiologisch. Konkrete Diskussionsangebote zum Beispiel zum Thema „Selbstbestimmtes Lernen: Wo wird es an unserer Hochschule ermöglicht/behindert?“ sorgten dafür, dass alle Beteiligten die Forderungen des Bildungsstreiks im Kontext ihrer eigenen Betroffenheit betrachten konnten. Eine Schulsozialarbeiterin der Hauptschule Coerde erläuterte in einer Vorstellung des Konzeptes ihrer Schule konkrete Veränderungen im System Schule, die zu einer wesentlich besseren Situation von SchülerInnen und LehrerInnen beitragen.

Kreativ gearbeitet wurde im Innenhof der Hochschule. Nachdem am vorherigen Tag viele Transpis für die Demo gestaltet worden waren, stand der Bau einer Großpuppe für die Demonstration an.

Mit jeweils ungefähr 50 interessierten Studierenden waren die offenen Diskussionen zu den Themen „Studienbedingungen vor dem Hintergrund bestehender Bedürfnisse von Studierenden“ und „Reflexionen über Bildung in Zeiten der Unbildung“ die am besten besuchten Veranstaltungen. Hier zeigte sich, wie groß bei Studierenden das Bedürfnis nach kritischen Diskussionen über den Zustand Bildungssystem ist.

Im Bildungscamp

Auch am Dienstag gab es im Bildungscamp wieder morgens ab 8 Uhr Frühstück für alle Streikenden. Um 10 Uhr folgte eine sokratische Vorlesung auf dem Domplatz. Dort redete Prof. Rohs über Probleme der Willensfreiheit und diskutierte anschließend mit den Anwesenden. Etwa 80-90 Personen hörten zu, darunter nicht nur Studierende, sondern auch ein paar interessierte Einwohner Münsters.

Zeitgleich im Camp diskutierten Studierende über europaweite Studierendenproteste im Rahmen des Bologna-Prozesses und der Kommerzialisierung, die in den letzten Monaten und Jahren auch in Spanien, Italien, Finnland, Griechenland und Frankreich ausbrachen.

Die Fachschaft Kultur- und Sozialanthropologie bot im Rahmen eines Seminars „Kulturkontakt Schwarz-Weiß“ eine Diskussion mit Miseor, einer katholischen Entwicklungshilfeorganisation, über Entwicklungshilfe an, zu der auch weitere interessierte Studis erschienen und lebhaft diskutieren. In einem anderen Workshop, angeboten vom Eine-WeltNetz NRW, wurde über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ärmsten gesprochen und aktive Handlungsmöglichkeiten vorgestellt. Auch über ein umstrittenes Mitglied, Thomas Middelhof, aus dem Hochschulrat der Uni, verantwortlich für den Niedergang von Karstadt, konnten die Studierenden sich austauschen.

Vorm Schloss fanden aber auch wieder viele praktische Workshops statt, so malten vor allem viele SchülerInnen noch Transparente für den nächsten Tag mit Sprüchen wie „Menschen verändern sich – Kopfnoten bleiben“, „Ich bin mehr als eine Note“ oder „Wir rocken den Bildungsstreik“ - eine weise Vorraussage. Daneben gab es einen Workshop zum Straßentheater und eine Veranstaltung unter dem Titel „Alternative Wissensvermittlung mit Spaß und Action“.
Abends wurde das Programm abgerundet von einem Poetry Slam, der neben der Demo wohl die best besuchteste Veranstaltung sein sollte, es kamen 200 Leute um sich verschiedenste Texte zum Thema Bildung anzuhören.
In der Baracke

Unter dem Motto „Das schöne Leben erkämpfen“ fanden auch in der Baracke zahlreiche alternative Bildungsstreikveranstaltungen statt. Ein ausführlicherer Bericht folgt hoffentlich noch.

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