Konstanz: Bundeswehrvortrag mit Hindernissen

Christoph Schulz 11.06.2009 11:37 Themen: Blogwire Militarismus
An der Universität Konstanz sollte am Montag ein Bundeswehrvortrag unter dem Motto „ATALANTA-Einsatz der deutschen Marine am Horn von Afrika“ stattfinden. Eine größere Gruppe Studierender, darunter auch ein als Pirat verkleideter Student, verhinderten den reibungslosen ablauf. Darauf hin wurden die Veranstalter gewalttätig und es kam zu einem Handgemenge zwischen den Veranstaltern und herbeieilenden Studierenden.
Uni Konstanz: Ein Bundeswehrvortrag mit Hindernissen in A 702

Mit dem Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ beginnt eine Studentin ihre Gegenrede bei einer Veranstaltung der "Arbeitsgemeinschaft internationale Sicherheit und Verteidigung Konstanz". Unterdessen karikiert ein als Pirat verkleideter Student die Gastgeber und entlarvt im weiteren Verlauf die ach so friedensstiftenden Soldaten...

Friedliebende Soldaten sollen uns bei den Bundeswehr-Missionen in aller Welt vor dem internationalen Terrorismus beschützen. Davon ist auch der durchaus sympathisch wirkende Kapitänleutnant Timo Kompst überzeugt. Sein Vortrag unter dem Motto „ATALANTA-Einsatz der deutschen Marine am Horn von Afrika“ sei auch nicht als Werbeveranstaltung für die Bundeswehr angelegt gewesen. Der 32-jährige versuchte am Montagabend in der Universität Konstanz den Einsatz vor Somalias Küste als legitimes Vorgehen gegen Piraterie vor der somalischen Küste zu verkaufen.

Während Kompst am Anfang des Vortrages noch Ausführungen über seine Biografie macht, gewährt er einer Studentin ein kurzes Rederecht, die Stellung gegen den Bundeswehr-Einsatz in Somalia bezieht. Drei Studierende unterstützen sie mit einem Banner „Beim Bund ist alles doof“. Die Bundeswehr bekämpfe die Symptome, nicht aber die Ursachen, so die Grundessenz der Studierenden. Noch während ihrer Rede sorgt ein als Pirat verkleideter Studierender für Aufsehen und polarisiert während der Veranstaltung das Publikum, indem er zunächst mit gespielt-gebrochenem Englisch auf die schwierige soziale Lage der Bevölkerung von Somalia eingeht.

Immer wieder stellt der „Pirat“ kritische Fragen und wird von KommilitonInnen diverser Hochschulgruppen und anderen kritischen Zuhörern bekräftigt und unterstützt. Neben den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bemängeln sie, dass ihre Universität militärischen Gruppierungen eine Plattform bietet. Viele sind der Überzeugung, dass die Bundeswehr an Hochschulen nichts zu suchen hat. So melden sich mehrere Anwesende bei zweifelhaften Aussagen des Referenten zu Wort, ihre Fragen wollen aber wegen der Störung „erst zum Schluss beantwortet“ werden. Aufgrund der andauernden Diskussionen kann die Veranstaltung nur sehr stockend durchgeführt werden.

Letztlich wird der „Pirat“ von einem angesäuerten jungen Mann (der Optik und dem Verhalten nach möglicherweise ein ehemaliger junger Soldat) nach draußen begleitet - wohlgemerkt bei einer öffentlichen Veranstaltung. Da er den Raum angeblich angemietet hat, habe er schließlich Hausrecht. Eine Freundin des „Piraten“ fordert den Rausschmeißer auf, ihr seinen Namen zu geben, damit er seine Behauptungen nachweisen könne. Nach einem kurzen Wortgefecht wird der Mann – von den meisten Leuten unbemerkt –, wohl unter dem verbalen Druck der jungen Frau, ihr gegenüber laut Zeugenaussage handgreiflich.

Da er dies vehement bestreitet, verlassen daraufhin die meisten der Veranstaltungsprotestler ebenfalls den Hörsaal und wollen, dass Anzeige erstattet wird. Deswegen besorgt sich die Gruppe eine Kamera, um den vermeintlichen Gewalttäter zu fotografieren. Als ein Protestteilnehmer ein Foto schießen will, verlieren die Veranstalter endgültig die Nerven, vier von ihnen stürmen aus dem Hörsaal und einer packt und würgt ihn am Hals. Nur das beherzte der Protestgruppe verhindert Schlimmeres. Darauf hin kommt es zu einem kurzen Handgemenge zwischen herbeieilenden Studierenden und den Veranstaltern.

Die Protestgruppe ruft spontan mehrfach laut gegen das unbeholfen wirkende Agieren der Konservativen: „Ich kann nichts, ich bin nichts, gebt mir eine Uniform!“ Die Veranstaltung wird unter dem „Schutz“ der Polizei anschließend die letzten Minuten fortgesetzt. Gegen die Gewalttäter wurde Anzeige erstattet. Der angegriffene Protestteilnehmer trug Würgemale am Hals davon.

In der Tat, sie können auch nichts. Das Scheinargument der globalen Sicherheit und dem Einsatz für Menschenrechte sowie Demokratie wird mehrfach als Vorwand genommen, um das militärische Vorgehen in aller Welt zu rechtfertigen. Laut Kapitänleutnant Kompst hat die Bundeswehr keine kollektive Meinung. Aber wer keine Meinung hat, der ist zwangsläufig manipulierbar.

Die Operationen der NATO in aller Welt, sei es im IRAK, in Afghanistan, dem Horn von Afrika, zielen in der Tat auf die Vormachtstellung der westlichen Industriestaaten ab. US-treue Regierungen werden installiert, wahre Opposition behindert. Der Drogenanbau, Armut und Leid haben Hochkonjunktur, obwohl man angeblich dagegen vorgehen wollte. Es drängt sich zwangsläufig die Frage auf: Bekämpft man die Armut oder eher die Armen?
Der Staat und seine Militarisierung sind Produkt der kapitalistischen Gesellschaft. Auch die Militäreinsätze sind Ausdruck davon, dass sich die Gesellschaft in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat. Das Militär hält die Opfer der kapitalistischen Ordnung zurück und schreckt auch nicht vor völkerrechtswidrigen Kriegen und anderen Verbrechen zurück.

An diesem Abend hat sich herausgestellt, dass viele Studierende solche Werbeveranstaltungen nicht dulden und sich dafür einsetzen, dass das Militär keinen Platz in den Hochschulen findet.
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Ergänzungen

Originaltext

Ryk Fechner 12.06.2009 - 09:48
Der Artikel von Christoph Schulz ist als Originaltext unter dem Link

 http://www.seemoz.eu/a75a4a89f5ab4bac9b14f3bd7d2322a3/deutsch/bodensee/newsseite.html?nid=1119 erschienen.

Beim Originalautor handelt es sich dabei um mich, Ryk Fechner.

Propaganda

Militaristen demaskieren 12.06.2009 - 16:07

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TdE

Otti 11.06.2009 - 13:31
Gewalt erzeugt Gegengewalt!

auch an Schulen

Moritz 11.06.2009 - 14:12
Bei uns an der Schule war auch ein Soldat der vom Afganistaneinsatz berichtet hat. Hier traut sich aber niemand sich zu wehren. Der Vortag war voller Vorurteile gegen die Einheimischen.

absoluter Blödsinn

zumindest teilweise... 11.06.2009 - 17:07
Ich möchte nur mal den Satz "Der Staat und seine Militarisierung sind Produkt der kapitalistischen Gesellschaft." herausgreifen.
Das ist, gelinde gesagt, Bullshit. Eine "Militarisierung" ist quasi unabhängig von der Staatsform; sie ist im antiken Griechenland, dem Römischen Reich, dem Mittelalter und dere Weimarer Republik (um nur einige wenige zu nennen) allgegenwärtig. Im übrigen ist sie auch _sehr vielen_ indigenen Gruppen eigen gewesen (Maya, Indianer, afrikanische Stämme, ...).

Überhaupt: welches kommunistische/sozialistische Regime hat bitte dazu geführt, daß das eigene Militär (bzw. die eigene "Widerstandsbewegung") _keine_ herausragende Stellung in der Gesellschaft hatte (ob nun umjubelt oder gefürchtet sei dahingestellt)? Das andere Ideologien und Staatsformen da nicht unbedingt "besser" sind stelle ich nicht in Frage.
Klar ist: Wer die "Militarisierung" (die übrigens nicht so ausgeprägt ist, wie hier immer wieder beschworen wird, man schaue sich die Geschichte 'Deutschlands' in den letzten 250 Jahren an) als Folge des Kapitalismus ausgibt, möchte den Leser in eine Richtung lenken, die letztendlich nicht den Militarismus stoppen wird.

Die Bundeswehr an Unis und Schulen? Muss nicht sein - insbesondere nicht für Nachwuchsgewinnung. Wenn sie aber wie im Artikel beschrieben zur "Information" auftritt, was spricht dann dagegen eine entsprechende Veranstaltung mit einer anderen Sichtweise anzubieten (Chancen der Entwicklungshilfe, Brauchen wir die Bundeswehr?, Die Verteilung des Wohlstands etc.)?

Gut, gut!

fluffi 13.06.2009 - 03:43
Gute Aktion! Weiter so!