Castorprotest: skurrile aber echte Erzählung

Eichhoernchen 11.05.2009 11:50 Themen: Atom Repression
Wder Staat seine BürgerInnen schützt : Eine skurrile aber echte Erzählung im Rechtsstaat

Eines Tages im November 2008, der Castor kommt und eine Aktivistin sitzt für über 3 Tage in Langzeitgewahrsam – zu ihrem Schutz. Es geht aber natürlich nicht um die Strahlung aus dem Castor, hierzu mag Papa-Staat nicht tätig werden. Sondern Schutz vor sich selbst, zur Gefahrenabwehr, so die übereinstimmende Begründung von Polizei und Gerichten. Der Freund und Helfer schützt die ungehorsame Aktivistin vor der Vielleicht-Begehung einer Ordnungswidrigkeit. Sie könnte ja gegen den Castortransport in luftiger Höhe demonstrieren, sprich - den Luftraum über die Strecke besetzen und somit eine Anzeige kassieren. Wie ungeheuer!
Die Haftbedingungen sind alles andere als gemütlich, aber was soll's? Etwas Ersatzbestrafung kommt ja auch gut hin. Schließlich sollte sich die Betroffene ja darüber freuen derart vor einer erneuten Anzeige wegen Baumklettern geschützt zu werden. Und wenn es ihr nicht passt, kann sie sich ein Bild davon machen, wie die OrdnunghütterInnen sie überzeugen möchten: an der Wand des Gewahrsamstraktes hängen aussagekräftige Bilder, die alltägliche amtliche Fesselungs- und Folterungstechniken darstellen. Eine Delle in der Wand wurde sorgfältig umrahmt. „Kopfstoß gleich Kopflos“ lautet die Bildunterschrift. Die Beamten haben sogar Humor.

Die Bilder sorgten in der Öffentlichkeit für Empörung und wurden inzwischen entfernt, um „ Forderungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ nach zu kommen, so die zuständige Polizeidirektion.

Doch unsere Geschichte ist längst nicht zu Ende. Wenige Monate nach diesem Vorfall flattert ein Strafbefehl ins Haus. Wird die Polizei für ihre menschenverachtende Handlung nun zur Rechenschaft gezogen?

Aber nein! Fehlanzeige! Der Strafbefehl richtet sich gegen die Aktivistin. Statt einer Ordnungswidrigkeitsanzeige wegen Baumklettern, erntet sie also eine Strafanzeige. Die StaatsSchützerInnen machen es möglich! Der Vorwurf lautet Widerstand und Körperverletzung: die großzügige Polizei hat der Gefangenen innerhalb von 3 Tagen einen ca. 30-minütigen „Freigang“ gewährt. "Frei" heißt hier an einer Polizistin mit Handfesseln gebunden. Statt sich zu bedanken, weigerte sich die Gefesselte sich vom Sonnenschein zu verabschieden und freiwillig in die fensterlose weiß gekachelte Zelle zurückzukehren. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem verfahren das öffentliche Interesse bejaht.

Doch die besagte Öffentlichkeit wird sich sicherlich fragen, wieso die Staatsanwaltschaft der Meinung ist, sie vertrete das öffentliche Interesse, wieso die Richterin den Wisch namens Strafbefehl im Name des Volkes unterschreiben könne.
Aus der Akte ist nämlich zu entnehmen, dass die Gefangene sich äußerst passiv verhielt und „schwer“ machte. Die Polizei ist der Meinung, die Angeklagte könne die physikalischen Gesetze der Schwerkraft beseitigen und schwerer wiegen, als das was die Waage anzeigt. Und der arme verletzte Polizist weiß nicht mehr wann und wo er sich seine „Schürfwunde“ eingeholt hat. Da werden Einem beim lesen die Augen ganz schön feucht.

Dank der Bemühungen des Rechtsanwaltes der Aktivistin wird das Theater Stück doch nicht vor dem Amtsgericht Braunschweig statt finden. Die Staatsanwaltschaft hat schließlich klein gegeben und das Verfahren wurde eingestellt. Es hat ein bisschen gedauert, weil die Staatsanwaltschaft ja etwas unbelehrbar ist und zunächst keine Einstellung auf Staatskosten annehmen wollte. Die Aktivistin blieb aber stur und setze sich durch. Die Geschichte ist jedoch nicht ganz zu ende: Wenn es darum geht, AktivistInnen zu verurteilen, arbeiten die Behörden fleißig daran. Wenn es dagegen geht, die Rechtmäßigkeit eine behördlichen Maßnahme zu überprüfen, da gibt es scheinbar keine Eile. Über entsprechende Anträge der Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung und Durchführung des Langzeitgewahrsams wurde noch nicht entschieden.

Einzelheiten zum Vorfall:  http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/langzeitgewahrsam.html
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Ergänzungen

Schünnemanns Antwort auf Anfrage im Landtag

SOG abschaffen! 11.05.2009 - 23:29
NI Innenminister Schünemann hat eine Anfrage der Grünen zum (Langzeit)gewahrsam beantwortet, diese Antwort wird nun hier dokumentiert. Die Anfrage wurde im Zusammenhang mit dem Fall vom Eichhörnchen gestellt.

In den letzten monaten gab es bereits 2 weiteren Anfragen:
Anfrag von der LINKE :  http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/Anfrage-Linke-Dez08.pdf

Erste Anfrag von den Grünen :  http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/antwort-anfrage-gruenen-landtag-gewahrsam.pdf

Die Antwort auf die neuerste Anfrage gibt ein paar "Neuigkeiten" oder Bestätigt andere Tatsachen die bereits früher bekannt wurden. Beispiele

- Die Fixierung:
"Regelungen zur Fixierung von Personen:
Mit den in Nr. 15.2 neu aufgenommenen Regelungen zur Fixierung von
Personen wird Forde-rungen des Europäischen Ausschusses zur Verhütung
von Folter und unmenschlicher oder er-niedrigender Behandlung oder
Strafe (CPT) nachgekommen. Der Ausschuss hatte Ende 2005 Deutschland
besucht und sich polizeiliche Einrichtungen, Justizvollzugsanstalten,
Abschiebe-einrichtungen sowie psychiatrische Einrichtungen angesehen,
wobei es im Bereich der polizeili-chen Einrichtungen keine
Beanstandungen gab. Der Ausschuss hat jedoch allgemein Forde-rungen zur
Behandlung fixierter Personen erhoben, die dann auch für den
Polizeigewahrsam aufgegriffen wurden. [...]"

Kommentar: der Ausschluss hatte also wohl den polizeilichen Gewahrsam in
BS nicht besichtigt... den die Bilder sind ein eideutiger Beweis für ein
tatsätzlicher Verstoß gegen die Anti-Folter Richtlinien vom CPT

- 9 Fälle von Langzeitgewahrsam überhaupt in Niedersachsen!
"Mit der Neuregelung des § 21 Satz 2 Nds. SOG durch das Gesetz zur
Änderung des Niedersächsi-schen Gefahrenabwehrgesetzes vom 11.12.2003
wurde für die Fälle des sogenannten Unterbin-dungsgewahrsams nach § 18
Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG die Höchstdauer der Freiheitsentziehung von vier
auf zehn Tage erhöht.
Im Zeitraum der Geltung der PGO 2001 ist die gesetzlich maximal
zulässige Gewahrsamsdauer in neun Fällen - zwei Fälle mit vier und
sieben Fälle mit zehn Tagen - ausgeschöpft worden."

Kommentar: Und Polizei und PolitikerInnen erzählen uns, die Bestimmungen zum Langzeitgewahrsam wurden als Antwort auf tausende Fällen "häuslicher Gewalt" dem SOG gesetz zugefügt... entweder ist häusliche Gewalt kein Problem (9 angebliche Fälle) oder wird eh nicht als Lösung für/ Antwort auf das Problem angewendet. Auf jeden Fall wird das Gesetzt mißbraucht, zum Beispiel gegen "renitente Atomkrafgegnerin" (Dixit das AG Lüneburg in seinem beschluss was dem Antrag der Polizei für Langzeit-Folter-Gewahrsam grünes Licht gab)

- Beschäftigung
"Seitens der Polizei werden grundsätzlich keine Beschäftigungsangebote
für in Polizeigewahrsam aufgenommene Personen gemacht. Teilweise werden
Tageszeitungen zur Verfügung gestellt.
Personen im Langzeitgewahrsam haben die Möglichkeit eines begleiteten
Aufenthalts im Freien von 45 Minuten täglich. Teilweise werden ihnen
Bücher und Zeitungen angeboten; der Betrieb mit-gebrachter Geräte der
Unterhaltungselektronik ist unter Berücksichtigung der Vermeidung der
Selbst- und Fremdgefährdung (nur Batteriebetrieb, keine Stab- und
Teleskopantennen) möglich."

Kommentar: Das Eichhörnchen durfte nicht mal Stift und Papier erhalten!!! erst am
Sonntag mittag, nach 3 Tagen Haft und andauernde Proteste durch die Gefangene und durch ihre Anwältin durfte das Eichhörnchen einen Bleisstift überhaupt erhalten. Eigenes Handy
durfte die Gefangene nicht behalten, nicht mal ein zusätzliches Pulli!
45 Min Freigang? War ebenfalls Fehlanzeige sondern eher 20-30min draussen in Fessel!
Zudem entsprechen die gesetzliche vorgeschirebenen 45 Minuten nicht die Rgelungen für den Strafvollzug (eine Stunde am Tag). Ob das nicht irgendwie verfassungswidrig ist? In Gewahrsam genommene Personen dürfen theoritisch nicht schlechter gestellt werden als rechtskräftig Verurteilte Strafgefangene...
Gut Knast und die Tatsache, dass man Menschen überhaupt einsperrt ist das eigentliche Problem...

- Raumaussattung
"Die Unterbringung erfolgt in diesen Fällen in Hafträumen, die
mindestens mit Bett, Spind, Tisch, Stuhl, Standregal, Toilette mit
fließendem Wasser und Fenster ausgestattet sind. Die Personen erhalten
die erforderliche Bettwäsche (Steppdecke, Kopfkissen und -bezug,
Bettlaken und -bezug), Handtücher sowie ein komplettes Essgeschirr. Die
Versorgung mit Hygieneartikeln (z. B. Zahnbürs-te, Rasierer etc.) ist
ebenfalls gewährleistet."

Kommentar: Toilette ??? Fehlanzeige im polizeigewahrsam in BS. Also
Langzeitgewahrsam dürfte eigentlich dort erst gar nicht vollstreckt werden!
Hygieneartikel??? War auch Fehlanzeige

Das SOG-Gesetz gehört abgeschafft! - und der Polizeistaat auch und und und... jaw ist noch viel zu tun dafür, da lohnt's sich also, sich von Repressalien nicht einschüchtern zu lassen und weiter zu kämpfen!!!

Résistance!

Proteste gegen mögliches Atomkraftwerk

http://www.mvticker.de 11.05.2009 - 23:29
Wie die Grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter während ihres Besuchs in Mecklenburg-Vorpommern deutlich macht, ist die Bemühung der Grenz-Wojewodschaft Westpommern zur Ansiedlung eines Atomkraftwerkes ein Schritt in die falsche Richtung. "Ich kann so einer Idee nur mit einer klaren Ablehnung entgegentreten. Atomkraftwerke sind Investitionen in die falsche Technik." Die polnische Regierung plant den Bau von zwei neuen Atomkraftwerken bis 2020. Die Standortentscheidungen stehen bisher noch aus, jedoch bemüht sich die Wojewodschaft intensiv um die Ansiedlung und hat bereits, wie die Nachrichtenagentur ddp meldet, mögliche Standorte aufgezeigt. Darunter auch die an der Oder gelegene Stadt Gryfino. Die Kreisstadt liegt gerade einmal 10 km von der deutsch-polnischen Grenze entfernt in der Nähe von Stettin.

Der Landeverband Bündnis 90/Die Grünen kündigt an, sich massiv gegen entsprechende Pläne zu wehren. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich frühzeitig zu positionieren. "Es ist schon bezeichnend, dass die Landesregierung dazu überhaupt aufgefordert werden muss", so Jürgen Suhr, Landesvorsitzender der Grünen.

Die Bündnisgrünen fordern eine klare Strategie der EU gegen den Ausbau von Atom- oder Kohlekraftwerken. Angesichts des Klimawandels müssen alternative, erneuerbare Energien gefördert werden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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falscher Titel — hoernchen

eichhörnchen — ja

wie auch immer — xxxxxxxxxxxxxxx