"mg"-Prozess Berlin: BKA lügt und manipuliert

Einstellung! 26.03.2009 12:24 Themen: Militarismus Repression
Im Prozess wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der "militanten gruppe" vor dem Berliner Kammergericht wurde am heutigen 34. Prozesstag die Vernehmung des BKA-Zeugen Oliver Damm fortgesetzt. Auf ausdrückliche Fragen der Verteidigung nach der Urheberschaft eines veröffentlichten Diskussionsbeitrages zu militanten Aktionen erklärte der Zeuge Damm nicht zu wissen, wer den Text verfasst hat - obwohl der Text von Mitarbeitern des Bundeskriminalamtes stammt. Erst nachdem ihm sein eigener Vermerk, der dem Gericht allerdings nicht vorlag und aus dem sich die Urheberschaft des BKA ergibt, vorgelegt wurde, gab er zu, dass dieser Text vom BKA stammt und dass es daneben noch einen weiteren Beitrag des BKA in der so genannten Militanzdebatte gab.
Seit dem 25.09.2009 wird Axel, Oliver und Florian vom 1. Senat des Kammergerichts der Prozess wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemacht, mittlerweile also seit einem halben Jahr. Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung hat die Verteidigung gerügt, dass die Akten unvollständig sind und die Bundesanwaltschaft (BAW) sowohl der Verteidigung als auch dem Gericht eine Vielzahl von Akten vorenthält.

Unter anderem wurden fehlende Sachstandsberichte vom Ermittlungsführer KHK Damm vom BKA bemängelt. Diese waren nach Aktenvermerken nicht zu den Akten gelangt, weil sie angeblich „zu umfangreich“ seien. Am 19.02.2009 ­ vor der vom Gericht geplanten Vernehmung des Zeugen Damm ­ beantragte die Verteidigung erneut Einsicht in diese Sachstandsberichte. Diese wurden kurze Zeit später der Verteidigung zur Verfügung gestellt.

Diese Aktenbestandteile wurden vor der Übergabe an die Verteidigung offensichtlich vom BKA nur unzureichend kontrolliert.

Denn aus dem BKA-Sachstandsbericht vom 07.06.2006 ergibt sich nun, dass das BKA im Rahmen der sog. „Militanzdebatte“* unter ausgedachtem Namen selbst heimlich daran teilgenommen hat. Es findet sich im Anhang 4, wo jeder Beitrag der Militanzdebatte aufgeführt ist, hinsichtlich eines Textes aus der Interim 611 vom 10.02.2005, der unter dem Namen „Die zwei aus der Muppetshow“ veröffentlicht wurde, folgender Hinweis:

„Nur für die Handakte: Der Text wurde vom BKA verfasst und an die Interim versandt, um eine Reaktion bei der „militante gruppe (mg)“ zu provozieren und gleichzeitig auf die Homepage des BKA (Homepageüberwachung) hinzuweisen.“

Dieser Anhang 4 findet sich ­ bis auf obigen Satz ­identisch in jedem anderen Sachstandsbericht. Die anderen Berichte sind also offensichtlich gesäubert worden oder es wurden von vornherein verschiedene Versionen produziert. Der BKA-Zeuge Damm hat in seiner bisherigen Vernehmung vor dem Gericht diesen Text als einen allgemeinen Beitrag bezeichnet und kommentiert. Er hat entgegen seiner Wahrheitspflicht bewusst verschwiegen, dass das BKA dieses Schreiben selbst verfasst hat.

Die sog. Homepageüberwachung wurde mittlerweile vom Bundesinnenministerium als illegal eingestuft und das BKA angewiesen, diese Methode nicht mehr anzuwenden (vgl. Der SPIEGEL von dieser Woche).

Das BKA manipuliert die Akten und enthält sowohl dem Gericht als auch der Verteidigung Entscheidendes vor. Beim BKA und eventuell bei der BAW werden parallele Geheimakten („Handakte“) geführt, welche offensichtlich brisant sind. Spätestens jetzt kann der Prozess gegen unsere Mandanten nicht mehr als faires Verfahren bezeichnet werden. Als Konsequenz muss er eingestellt werden.

Der BKA-Text befindet sich hier:  http://einstellung.so36.net/files/BKA-Text.pdf


* Hinweis: Im Rahmen der Militanzdebatte wurde über Sinn und Unsinn von
militanten Aktionen, der Taktik und Strategie des Einsatzes von Militanz etc. per schriiftlichen Beiträgen diskutiert. Die Beiträge wurden in der Regel in der Szene- Zeitschrift Interim veröffentlicht, welche alle 14 Tage erscheint.
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Ergänzungen

Ein Unding. Freispruch für die Angeklagten

delete129 26.03.2009 - 13:17
KHK Damm hatte bei seiner Vernehmung vor etwa zwei Wochen die Militanzdebatte aus Interim, radikal, junge Welt und analyse und kritik zusammengefasst.

Hätten die Rechtsanwälte die Lüge nicht aufgedeckt, würden die Aussagen von KHK Damm weiter im Raum stehen. Das BKA hat also im Prozess gegen die drei Angeklagten bewusst eine Militanzdebatte und ihre Gefährlichkeit dargestellt, ohne zu erwähnen, dass das BKA dazu beigetragen hat. Das BKA hat offensichtlich ein Verurteilungsinteresse.

Aber was heisst das jetzt? Wieviele Texte sind vom BKA, wieviele vom LKA Berlin, wieviele vom Verfassungsschutz? Hat das BKA auch Brandsätze gelegt? Den BKA-Zeugen kann man jedenfalls nicht mehr glauben. Nun ist jedem klar geworden, dass die Forderung der Anwälte nach vollständiger Akteneinsicht begründet und richtig war und ist.

Mich erinnert das Verfahren an den Schmücker-Prozess, der letztlich ohne Verurteilung eingestellt werden musste, weil die Rolle staatlicher Stellen nicht aufgeklärt werden konnte.

Presseberichte

Behemoth 27.03.2009 - 00:45
Auch die "junge Welt" hat über diesen Skandal berichtet:
 http://www.jungewelt.de/2009/03-27/063.php

Scheitern wie beim NPD-Verbotsverfahren?

K. Jurist 27.03.2009 - 11:40
Mich erinnert das an das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren. Wie kann ein Gericht etwas verurteilen, wenn der Staat so mitmischt? Die Forderung der Anwälte nach Einstellung des Verfahrens erscheint schlüssig.

Auch das Neue Deutschland berichtete:
 http://www.neues-deutschland.de/artikel/146253.mg-verfahren-bka-zeuge-beluegt-gericht.html

Der Richter Hoch muss ganz schön aufgebracht gewesen sein von den BKA-Lügen und BKA-Manipulationen, wenn man der Medienberichterstattung Glauben schenken darf.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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bka-spacken — "theo"

bonner bka-spacken II — warnung

Nicht neu — asdd