Stadt Pforzheim gegen Versammlungsfreiheit

alert|a 20.01.2009 21:06 Themen: Repression
Seit Jahren fordert die Stadt Pforzheim grundsätzlich von AnmelderInnen von Kundgebungen und Demonstrationen Verwaltungsgebühren für die jeweils erteilten Auflagen.

Hiermit möchten wir auf die bevorstehende Gerichtsverhandlungaufmerksam machen, bei der die Stadt Pforzheim nun schon in zweiterInstanz versucht, die bereits vom Verwaltungsgericht Karlsruhe wie auchvon verschiedenen Gerichten in anderen Bundesländern klar alsrechtswidrig beurteilte antidemokratische Praxis,willkürliche Gebühren für die Inanspruchnahme des verfassungsrechtlichgarantierten Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu erheben,weiterführen zu dürfen, um AntifaschistInnen von der Inanspruchnahmeihrer Grundrechte abzuschrecken.

Links:
Aufruf zum Prozess 2007 | Urteil des VG Karlsruhe | Rote Hilfe zum Prozess | Aufruf zur Demonstration - Juli 2008 |
Bericht zur Demonstration | Kampagne 19. Mai | Antirepressions-blog

Demogebühren in anderen Bundesländern:
Gebühren rechtswidrig | PM VG Gießen | demorecht.de.vu | BVG Urteil | Märkische Oder Zeitung

Gegen die neuen Versammlungsgesetze:
Bayern |Baden - Württemberg
Diese hat im Februar 2005 zum Schutz einer am gleichen Abend statt findenden Fackelmahnwache der regionalen Neonaziszene einschränkende Auflagen für eine thematisch gegen die Kundgebung der Neonazis gerichtete Demonstration verfügt und dafür eine "Gebühr" von 150 EUR erhoben.

Um gegen die geschichtsklitternde Politik der Stadt Pforzheim, wie z.B. die Einweihung eines Denkmals zur Bombardierung am 23. Februar 1945, an dem ganz bewusst an keiner einzigen Stelle die NSDAP, Adolf Hitler, 1933, die SA, die SS, Zwangsarbeit, der Angriffs- und Vernichtungskrieg, die Pforzheimer Rüstungsindustrie oder der Holocaust erwähnt wird, zu protestieren wurde eine Kundgebung vor der ehemaligen "Adolf Hitler Schule" angemeldet. Das Motto "Der 23. Februar hatte eine Vorgeschichte! Beispiel Adolf Hitler Schule" sollte auf den geschichtlichen Zussmmanhang von Naziregime, Vernichtungskrieg und Holocaust und der schliesslich erfolgten Bombardierung Pforzheims hinweisen. Für das faktische Verbot dieser unliebsamen Kundgebung vor der ehemaligen "Adolf Hitler Schule" in Form von Auflagen bzgl. der Örtlichkeiten (weg vom historischen Ort und weit entfernt von dem von Neonaziaufmärschen betroffenen Wohngebiet, dessen Bevölkerung erreicht werden sollte, auf den "Turnplatz" - also einen großen Parkplatz) wurde eine "Verwaltungsgebühr" von 100 EUR erhoben.

Die Gebühr von 150 EUR betraf eine Schülerin mit einem monatlichen Taschengeld von 25 EUR. Die Gebühr von 100 EUR betraf einen zu dieser Zeit arbeitslosen Jugendlichen.

Es ist völlig inakzeptabel, wenn engagierte Menschen, die Aufgrund von Mißständen ihr verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen möchten, um öffentlich gegen diese Mißstände zu protestieren durch ein unkalkulierbares Risiko hoher Gebühren abgeschreckt werden sollen!

Da niemand vorher genau wissen kann, welche Probleme durch eine geplante Versammlung entstehen können, die ein Tätigwerden der Behörden notwendig machen und welcher in der Gebühr berücksichtigte Aufwand dann dort nötig wird, würde die Inanspruchnahme des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ein nicht unerhebliches, unkalkulierbares und (gerade auch in Zeiten des ALG2) nicht für jedeN tragbares, insgesamt oft abschreckendes Kostenrisiko beinhalten und solche Gebühren damit zum weiteren Abbau von Grundrechten beitragen.

Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit darf keine Frage des Geldbeutels sein!!!

Deshalb hatten die Betroffenen gegen die willkürlichen Gebührenbescheide geklagt.

Damit war der Versuch der Stadt Pforzheim, sich für derartige Sabotageaktionen gegen das Versammlungsrecht auch noch von den Betroffenen bezahlen zu lassen und zugleich die VeranstalterInnen von Demonstrationen auf finanziell besser gestellte Organisationen zu beschränken, zunächst gescheitert.

Denn - so das Verwaltungsgericht Karlsruhe - aus einer solchen Gebührenpflicht resultiere die Gefahr, dass die Bürger auf die Ausübung ihres Grundrechts verzichten, was ein erheblicher Schaden für die Demokratie bedeuten würde.

Das hätte die Stadt Pforzheim jedoch gerne anders. Viele Versammlungen sind ihr ein Dorn im Auge. So argumentierte ihr Vertreter damals vor Gericht sinngemäß, dass solche Gebühren notwendig seien, um seiner Meinung nach zu häufige Inanspruchnahme des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu verhindern, das er unter Kopfschütteln vieler Anwesender als "Missbrauch" betitelte und damit ein Armutszeugnis nicht nur zu seinem sondern auch zum städtischen Demokratieverständnis abgab.

So legte die Stadt Pforheim Einspruch gegen das Urteil ein und das Verfahren geht in die nächste Instanz.

Interessant wäre es zu wissen, ob die Stadt in Zeiten des Grundrechtabbaus dafür echte Chancen sieht oder einfach "nur" auf Kosten der Allgemeinheit weiterhin AntifaschistInnen durch weiteres Hinauszögern des Verfahrens verunsichern und belästigen will und, obwohl sie im Sozialbereich ständig kürzt, kein Problem damit hat, weiterhin viel Geld für solche Verfahren zu verpulvern.

Sollte es tatsächlich letzteres sein: Schade um die öffentlichen Mittel, die die Sicherheitsbehörden bei Ihrem Rachefeldzug gegen unliebsame AntifaschistInnen verheizen und die besser wieder im Sozialbereich, anstatt in unnötigen Zusatzausgaben dieser Extremisten der Mitte angelegt wären!

Wir liessen und lassen uns jedenfalls nicht von ihnen abschrecken und werden auch in Zukunft weiter gegen die Pforzheimer Verhältnisse auf die Strasse gehen!


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Ergänzungen

Solidarität und weiterhin viel Erfolg!

Kurt K. 21.01.2009 - 18:33
In Landau erhebt die Stadt auch ordentlich Gebühren für die Anmeldung von Kundgebungen und Demonstrationen.
Hoffentlich bleibt es bei einer Bestätigung dieses kleinen Teilerfolg gegen die Beschneidung der Grundrechte.

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