Israels Wahlen und Israels Krieg

Wal Buchenberg 05.01.2009 11:33 Themen: Weltweit
Am 30.12. 2008 hatte ich hier geschrieben (Wahlerfolg durch Krieg?): "Die Militäraktion gegen Gaza und das politische Säbelrasseln der israelischen Regierung stehen möglicherweise mit den kommenden Wahlen am 10. Februar 2009 in Zusammenhang. Man wird in den nächsten Meinungsumfragen sehen, ob die Kadima-Regierung ihr verlorenes Ansehen bei den Wählern in Israel dadurch hat verbessern können."

Nur nebenbei wurde in deutschen Medien angedeutet, dass dieser Krieg mit den kommenden Wahlen in Israel im Zusammenhang steht. Die FTD schrieb, der Angriff dürfte "auch dadurch motiviert sein, dass die Politik vor der nahenden Parlamentswahl Stärke beweisen wollte." Inzwischen liegen ausreichend Informationen vor, um die Zusammenhänge zwischen den kommenden Neuwahlen und dem Krieg gegen Gaza aufzeigen zu können.

In früheren Meinungsumfragen lag Barak, der Führer der "Arbeiterpartei", ebenso wie Zipi Livni, Chefin der Regierungspartei "Kadima" und derzeitige Außenministerin, aussichtslos hinter Benjamin Netanjahu und seiner oppositionellen Likudpartei zurück. Laut israelischen Umfragen vom 15. November hätte Likud ihre Parlamentssitze von 11 auf 33 verdreifachen können, während die regierende Kadima-Partei mit jetzt noch 29 Abgeordneten jedenfalls ihre Regierungsmehrheit verloren hätte. Siehe dazu: Meinungsumfrage.

Seit dem israelischen Angriff auf Gaza ist vor allem das Ansehen von Verteidigungsminister Barak stark angestiegen. Plötzlich findet Barak bei 60 Prozent der Wähler Sympathie und Zustimmung, noch vor einer Woche lagen seine Sympathiewerte bei 23 Prozent. Laut einer israelischen Umfrage vom 1. Januar dieses Jahres halten über 70 Prozent der Wähler die israelischen Luftangriffe gegen Gaza "für richtig".

Barak machte das wahltaktische Optimum aus seiner Rolle als harter Kriegshund, indem er ohne Regierungschef Olmert und ohne Außenministerin Livni vor die Presse trat und den Israelis die Angriffsziele und seine Kriegsziele erläuterte. Die regierungsnahe Zeitung "Haaretz" titelte: "Barak ist zurück!"

Auch Netanjahu und seine Likudpartei gewinnt weiter an Popularität. Netanjahu war es, der immer schon ein hartes Vorgehen gegen die Palästinenser und gegen die Hamas verlangt hatte. Er hatte auch den israelischen Abzug von Gaza im Jahr 2005 scharf kritisiert. Netanjahu sagt jetzt: Die Regierung erfülle mit dem Krieg gegen Gaza endlich seine Forderungen.

Nachdem sich Außenministerin Livni in den innerparteilichen Wahlen zur Nachfolge Olmerts vor kurzem noch als Friedensengel hingestellt und Verhandlungen mit den Palästinensern befürwortet hatte, sucht auch sie jetzt den blutroten Glanz der Kriegsheldin. "Genug ist genug", donnerte sie immer wieder und ließ sich an mehreren Orten abfilmen, wo kurz zuvor palästinensische Raketen eingeschlagen waren, und rechtfertigte die israelischen Angriffe in mehreren internationalen Interviews.

Auch Noch-Regierungschef Ehud Olmert, gegen den mehrere Verfahren wegen Korruption laufen, hofft durch einen günstigen Ausgang des Gaza-Krieges sein angeschlagenes Image zu reparieren. Olmert stellt sich am 10. Februar nicht mehr zur Wahl. Diese Wahlen entscheiden jedoch über sein politisches Erbe.

Zwar bestreitet das Kriegs-Trio Barak, Olmert, Livni öffentlich, dass sie mit dem Gaza-Krieg wahltaktische Ziele verfolgen, aber es ist mittlerweile klar, dass ihre Kriegsvorbereitung gegen Gaza schon etliche Monate vorher angelaufen war, bevor deutlich wurde, dass die Hamas den auslaufenden Waffenstillstand am 19. Dezember nicht verlängern wollte. Diese Entscheidung der Hamas lieferte den Dreien einen billigen Vorwand und Livni konnte vor die Presse treten und verkünden: dadurch sei "die rote Linie überschritten" worden.

"Barak hatte keine andere Wahl, als loszuschlagen. Die Wähler hätten ihn sonst bestraft", sagt dagegen Schmuel Sandler vom Zentrum für Strategische Studien in Ramat Gan.

Abgesehen von den unsicheren Wahlprognosen gibt es auch ein gemeinsames politisches Ziel in diesem Krieg, das wohl alle Staatspolitiker in Israel verfolgen: Die Machtstellung der Hamas in Gaza, die die Hamas erst durch freie Wahlen gewonnen und anschließend durch einen kurzen Bürgerkrieg gegen die Milizen der Fatah gesichert hatte, soll unterminiert und zerstört werden.
Insofern ähnelt das israelische Eingreifen in Gaza dem Angriff der USA auf den Irak: Ein ungeliebtes Regime soll gestürzt und eine kompromissbereite, genehme Regierung dort installiert werden.

Anhand der Kriegskarte wird deutlich, dass die Raketenangriffe der Hamas und anderer radikaler Gruppierungen allenfalls die israelische Peripherie treffen. Es werden keine sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Zentren in Israel bedroht. Die Luft- und Bodenangriffe der Israelis zielen dagegen auf die Kernzonen in Gaza. Nach diesem Krieg wird in Gaza nichts mehr so sein wie vor diesem Krieg.




Die USA zahlten für ihren Irakkrieg einen hohen Preis, von dem nicht sicher ist, dass sich der Krieg für die USA auszahlen wird. Auch Israel geht ein hohes Risiko mit seinen Angriffen auf Gaza ein.

Das israelische Desaster im Libanon-Krieg von 2006 ist noch in aller Erinnerung. Nun will Barak alles besser machen als Olmert im Libanonkrieg. Wenn der Krieg für Israel keine greifbaren Vorteile bringt, muss Barak zwangsläufig die Angriffe bis zum Wahltermin am 10. Februar fortsetzen. Ansonsten gefährdet er seine privaten Kriegsziele.
Der politische Einfluss der Hamas in Gaza und in den arabischen Ländern wurde durch die Angriffe Israels bisher jedoch eher gestärkt als geschwächt. Wie an anderen Schauplätzen hat der Krieg des Westens "Gegen den Terror" vorhandene Probleme nicht verdrängt, sondern vermehrt.

Wal Buchenberg für Indymedia, 5. Januar 2009
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Der zweifelhafte Erfolg des "War on Terror"

frosch 05.01.2009 - 11:46

Avneri: "Wahlkampfkrieg"

Gush Shalom 05.01.2009 - 11:49
Aus einem Artikel von Uri Avneri (Gush Shalom):

Der offizielle Name des jetzigen Krieges ist "Gegossenes Blei", zwei Wörter aus einem Kinderlied über den Trendel, ein Chanukka-Spielzeug. Ihn "Wahlkampfkrieg" zu nennen wäre passender.

Nach Umfragen wuchsen Baraks vorausgesagte Wahlergebnisse innerhalb von 48 Stunden um fünf Knessetsitze - also etwa 80 tote Palästinenser pro Sitz. Aber es ist schwierig, über einen Stapel von Leichen zu gehen. Der Erfolg mag sich innerhalb einer Minute in Luft auflösen, wenn der Krieg von der israelischen Öffentlichkeit als Fehlschlag angesehen werden wird. Zum Beispiel wenn die Bodenoffensive zu vielen israelischen Gefallenen führt.

Der Zeitpunkt war sorgfältig ausgewählt worden. Der Krieg begann zwei Tage nach Weihnachten. Amerikanische und europäische Politiker pflegen bis über Neujahr in Ferien zu verweilen. Zudem: Es sind die letzten Tage von George Bush im Weißen Haus. Von diesem von Blut befleckten Schwachkopf konnte sogar eine Unterstützung des Krieges erwartet werden - und so kam es auch. Barack Obama sagte: "Es gibt nur einen Präsidenten." Das weitere Schweigen ist kein gutes Zeichen für seine Amtszeit.

Das Original in englisher Sprache.

The Invasion of Gaza: "Operation Cast Lead",

nik 05.01.2009 - 12:17
The Invasion of Gaza: "Operation Cast Lead", Part of a Broader Israeli Military-Intelligence Agenda

 http://www.globalresearch.ca/PrintArticle.php?articleId=11606

X

Y 05.01.2009 - 15:49
Was für inhaltleere Artikel hier mittlerweile im Zusammenhang mit dem Gaza-Feldzug auftauchen, die dann auch noch beanspruchen, sowas wie investigativer Journalismus zu sein. TsTsTs...

"Inzwischen liegen ausreichend Informationen vor, um die Zusammenhänge zwischen den kommenden Neuwahlen und dem Krieg gegen Gaza aufzeigen zu können."

Als ob es nicht in parlamentarischen Demokratien einfach IMMER so wäre, dass die gerade Regierenden versuchen, mit ihrer Politik möglichst viele Wähler für die nächste Wahl zu gewinnen. Im Falle Israel wird sowas dann aber anscheinend von einer Selbstverständlichkeit zu einer schmutzigen Verschwörung.

Das im Übrigen die etwa fünfhunderttausend Menschen, die SEIT JAHREN unter dem Dauerfeuer der Hamas liegen, nun ganz froh sind, dass jemand endlich was dagegen unternimmt und dann auch bereit sind, das mit ihrem Vertrauen und ihrer Wählerstimme zu honorieren - auch das ist für Dich wahrscheinlich ein RIESENskandal, was?

"Anhand der Kriegskarte wird deutlich, dass die Raketenangriffe der Hamas und anderer radikaler Gruppierungen allenfalls die israelische Peripherie treffen. Es werden keine sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Zentren in Israel bedroht."

Ach ja, stimmt, die sind ja nur 'Peripherie', dann kann man sie ja auch getroßt terrorisieren...

"Die Luft- und Bodenangriffe der Israelis zielen dagegen auf die Kernzonen in Gaza. Nach diesem Krieg wird in Gaza nichts mehr so sein wie vor diesem Krieg."

Die Angriffe der Israelischen Truppen zielen darauf, das eigene Territorium vor feindlichen Angriffen zu schützen - auch das eine Banalität. Jeder funktionierende Staat tut das. Da es sich bei der Hamas allerdings um eine Organisation handelt, die in ihren programmatischen Schriften, Reden und Pressemitteilungen immer wieder mitgeteilt hat, dass es ihr nicht um Verhandlung oder eine Zweistaatenlösung, sondern um Judenmord geht, fällt die israelische Antwort eben recht nachhaltig aus.

Wahlkampfpropaganda

egal 05.01.2009 - 16:43
Daß mit diesen Eigenbau"raketen" im Laufe von 7 Jahren 17 Leute ermordet wurden ist ebenso tragisch wie verbrecherisch, aber kaum mehr als ein gescheiterter Versuch, sich als irgendwie ernstzunehmende, bedrohliche Kraft zu profilieren.

Sinngemäßes Zitat eines israelischen Generals vor ein paar Jahren: Die Dinger können schlimmstenfalls einer Katze gefährlich werden, und auch nur dann, wenn sie genau auf den Kopf getroffen wird.

In diesem Zusammenhang von einer existenziellen Bedrohung Israels zu sprechen, bzw. gar auf die Geschehnisse im Nahen Osten die gleichen Kategorien wie auf die historischen deutschen Verbrechen anzuwenden, ist hochgradig absurd.

Sinnfrei

Kritiker 05.01.2009 - 16:52
Ohne den Raketenbeschuss akzeptieren zu wollen - bei 17 Opfern in 7 Jahren hätte man vermutlich mehr Menschen das Leben gerettet, wenn man das Geld für den Krieg stattdessen in die Verkehrssicherheit gesteckt hätte...

Ah

Oh 05.01.2009 - 18:20
"bzw. gar auf die Geschehnisse im Nahen Osten die gleichen Kategorien wie auf die historischen deutschen Verbrechen anzuwenden, ist hochgradig absurd."

Insofern absurd, als es der Hamas glücklicherweise bisher nicht gelungen ist, Israel wirklich EXISTENZIELL zu gefährden.

Insofern nicht absurd als die Hamas-Mitglieder ähnlichen Weltverschwörungstheorien anhängen wie die Nationalsozialisten, und eine ähnliche Lösung propagieren: Die Vernichtung aller Jüdinnen und Juden weltweit und die Zerstörung Israels.

Das lässt sich in ihrer vom Wahnsinn nur so strotzenden Charta nachlesen:

 http://www.palestinecenter.org/cpap/documents/charter.html

Was man aus den 'historischen deutschen Verbrechen' lernen kann ist, das Leute, die ein solch paranoides Weltbild haben es ernst meinen und auch ernst machen, wenn man sie lässt. Das gilt nicht nur für die Hamas, sondern beispielsweise auch für Ahmadinedjad und seine Antisemiten- und Holocaustleugner-Bande und auch Syrien, wo vor einem Jahr ein israelischer Militärschlag Schlimmeres verhinderte:

 http://www.lizaswelt.net/2007/10/osirak-reloaded.html

Nicht die Hamas hat geputscht!

Gerhard Lange 17.07.2010 - 14:14
In einigen deutschen Medien wird fälschlicherweise behauptet, die Hamas
hätt sich in Gaza an die Macht geputscht. Nicht die Hamas hat geputscht.
Es war die Fatah, die im Gaza-Streifen mit Hilfe der USA gegen die Hamas
geputscht hat. Die Hamas gewann bei den Wahlen 2006 die absolute Mehrheit.

"David Rose beschreibt in der Zeitschrift “Vanity Fair” vom April 2008 in „The Gaza
Bombshell“ die Hintergründe des geplanten Putsches der Fatah gegen die Hamas
im Gaza-Streifen, der von den USA organisatorisch vorbereitet worden sei.
 http://www.vanityfair.com/politics/features/2008/04/gaza200804
Dieser Putsch sollte von Mahmoud Dahlan ausgeführt werden. „Vanity Fair“ kam in
den Besitz von vertraulichen US-Dokumenten, „which lay bare a covert initiative,
approved by Bush and implemented by Secretary of State Condoleezza Rice and
Deputy National Security Adviser Elliott Abrams, to provoke a Palestinian civil war.
The plan was for forces led by Dahlan, and armed with new weapons supplied at
America´s behest, to give Fatah the muscle it needed to remove the democratically
elected Hamas-led government from power. (The State department declined to
comment.) But the secret plan backfired, resulting in a further setback for American
foreign policy under Bush. Instead of driving its enemies out of power, the U.S.-backed
Fatah fighters inadvertently provoked Hamas to seize total control in Gaza.”

 http://www.watzal.com/Gazakrieg%20und%20Wahlen%20in%20Israel.pdf

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

Hamas — Anarchist

Israels Eliten brauchen den Krieg — (muss ausgefüllt werden)

freundliches feuer — uafldu