Über 500 Festnahmen bei russischen Märschen

Michail B. 05.11.2008 21:31 Themen: Antifa Weltweit
In Moskau, sowie in zahlreichen anderen russischen regionalen Metropolen fanden gestern genehmigte offiziöse Großveranstaltungen von Parteien oder Bewegungen statt. So hatte die Kreml-Hauspartei „Einiges Russland“ zu einer Versammlung aufgerufen. Aber auch illegale Versammlungen Rechtsradikaler gab es an verschiedenen Orten. Insgesamt nahm die Polizei im gesamten Land fast 550 Menschen fest.
Staatlich verordneter Nationalfeiertag

Der "Tag der nationalen Einheit" am 4. November ist seit dem Jahr 2005 Russlands jüngster Feiertag und sogar in der Ukraine wurden im letzten Jahr Veranstaltungen abgehalten ( http://de.indymedia.org/2007/11/199513.shtml). Dieser Tag soll eigentlich an die Befreiung Moskaus von der polnischen Besatzung im Jahr 1612 erinnern. Mehr als 14 000 Polizeibeamte hatten dieses Jahr für die Sicherheit in Russland gesorgt sorgen. "Am 4. November werden in Russland mehr als 70 Veranstaltungen anlässlich des Tages der Volkseinheit stattfinden, an welchen rund 146 500 Menschen teilnehmen sollen", das hatte der Erste Vize-Innenminister Michail Suchodolski betont. Der Tag ist seit Beginn auch ein Magnet für die rechtsradikale Szene in Russland, so gab es schon im Vorfeld Diskussionen über die Tatsache, dass wieder einige rechte Vereinigungen und Parteien auf die Straße wollten.


Marsch auf den Kreml angekündigt

In Moskau kündigten die rechten politischen Organisationen „Bewegung gegen illegale Migration“ (Dwischenije protiw nelegalnoj immigrazi, DPNI) und „Slawischer Bund“ (Slawjanski sojus, SS) an, wie jedes Jahr am 04. November ihren „Russischen Marsch“ durchführen. Plakate und Aufkleber mit fremdenfeindlichen Motiven und dem Aufruf, am Marsch teilzunehmen, klebten bereits einige Tage vorher massenweise in Moskauer Metrowaggons. Zunächst erteilte die Stadt dem Vorhaben eine Absage, am staatlichen „Tag der nationalen Einheit“ einen nationalistischen Marsch zu veranstalten. Die Führungspersonen der beiden genannten nationalistischen Vereinigungen erklärten daraufhin, dass sie ihre Veranstaltungen auch bei einem Verbot durchführen würden. Dann eben nicht mit 5.000 Teilnehmern, wie beantragt, sondern voraussichtlich mit lediglich 3.000. „Wir werden so oder so marschieren“, erklärte der Anführer der „Slawjanski Sojus“ Dmitri Demuschkin. „Die Menschen sind sauer. Es wird wieder Verhaftungen und Zusammenstöße geben. Ich weise schon jetzt die Verantwortung für das zurück, was passieren wird.“ Demuschkin sagte weiter, dass der Marsch im Zentrum durchgeführt werde, vielleicht würden die Demonstranten sogar versuchen, zum Kreml vorzudringen. Man berate sich mit ehemaligen Mitarbeitern der staatlichen Einsatztruppe OMON, welche die Positionen der rechten Organisationen teilten. Sie sollen den Rechten Ratschläge für Auseinandersetzungen mit den staatlichen Sicherheitskräften geben. Zuvor hatte der staatliche Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin die Ansicht geäußert, die so genannten „Russischen Märsche“ der DPNI müssten nicht unbedingt verboten werden. Allerdings sollten die Organisatoren gewarnt werden, dass sie für radikale Losungen auf den Veranstaltungen verantwortlich gemacht werden könnten.


Ruhm und Ehre für Russland

In der Hauptstadt versammelten sich dann gestern am Moskwa-Ufer die 1500 Teilnehmer eines nach einigem Hin und Her am Ende doch noch genehmigten „Russischen Marsches“ rechter Gruppen. Der genehmigte Zug am gegenüber des Weißen Hauses war von den rechtsgerichteten Organisationen „russisches Vorbild“ und „Volksunion“ veranstaltet worden. Die Teilnehmer trugen dabei unter anderem Flaggen der russischen Flotte, der Sowjetunion sowie Ikonen. Eine ganze Gruppe Demonstranten trat als alte Slawen mit Schild, Helm und Rüstung auf. Die Menschen zogen auf den Platz vor dem Hotel "Ukraine" statt. Die Aktion verlief nach Behördenangaben äußerst friedlich. An der Metrostation Arbatskaja kam es dann zu Zusammenstößen mit der Polizei, als DPNI-Anhänger versuchten, zum Kreml durch zu stoßen. Etwa 100 Personen wurden festgenommen. Mit vermummten Gesichtern riefen die Rechtsextremen „Ruhm und Ehre für Russland“ und „Alle Macht dem slawischen Volk“. Etwa 400 Personen wurden im Laufe des Tages vor allem in der Gegend des Arbats, dem alten historischen Stadtzentrum, und im Bereich des Neuen Arbats festgenommen, teilte die Polizei mit. Einige Teilnehmer wurden in Kremlnähe von der Sondereinheit OMON abgeführt. Hier hatte die „Bewegung gegen die illegale Einwanderung“ (DPNI) wie angekündigt versucht, einen nicht genehmigten „Russischen Marsch“ in Richtung Kreml abzuhalten. Bis zum frühen Abend seien die meisten Festgenommenen wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Unter den Festgenommenen befänden sich auch zahlreiche Führungspersonen der DPNI, das teilte Polizeisprecher Viktor Birjukow Journalisten mit. "Den Festgenommenen wird vorgeworfen, an nicht genehmigten Veranstaltungen teilgenommen bzw. versucht zu haben, solche zu organisieren", sagte er. Aktivisten der liberalen Jabloko-Partei protestierten im Stadtzentrum mit Straßentheater gegen Fremdenhass. In der Stadt gab es auch einige weitere spontane Gegenaktionen gegen die Rechtsradikalen. So hängten einige Menschen zum Beispiel ein großes Transparent an einer Mauer auf, auch diverse Schriftzüge waren in der Stadt gesprüht worden.


DPNI federführend bei der Organisation illegaler Märsche

Die Behörden der zweitgrößten russischen Stadt St. Petersburg teilte am Dienstagabend mit, dass etwa 50 Menschen bei "diversen Veranstaltungen am Tag der nationalen Eintracht" festgenommen wurden. Ihnen würden Verstöße gegen die öffentliche Ordnung zur Last gelegt. Zuvor war gemeldet worden, dass die DPNI im Stadtzentrum eine nicht genehmigte Kundgebung durchgeführt hatte. In St. Petersburg gab es außerdem eine genehmigte Nationalisten-Kundgebung, zu der etwa 100 Personen kamen. Darunter waren Neonazis, die den Hitlergruß zeigten ebenso wie Anhänger altslawischer Kulte. Den Ultrarechten wurde ein Demonstrationszug verboten und nur eine Kundgebung in einer abgeschiedenen Parkanlage genehmigt, Teilnehmer, die zum angekündigten Versammlungsort kamen, wurden von der Polizei dorthin weitergeschickt. Einer der Organisatoren, der sich „Oberpriester aller Slawen, Bogumil II.“ nennt, forderte die Demonstranten nach dem Verbot auf, unorganisiert zu der Parkanlage zu gehen. An einem nicht genehmigten Demonstrationszug vom Sennaja Ploschtschad zur Kasaner Kathedrale nahmen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 50 und 200 meist jugendliche Personen teil. Auch hier zeigte sich die DNPI als Organisator. Einige Dutzend Demonstranten wurden festgenommen. Auf halben Weg soll es zu einem gewalttätigen Angriff auf einen Kaukasier gekommen sein. Zeugen berichteten, dass Wachmänner einer benachbarten Institution mit Warnschüssen in die Luft das Geschehen beendet hätten.


Auch in Sibirien wurde marschiert

In Wladiwostok war der von ultra rechten Gruppen geplante „Russische Marsch“ durch die Straßen der Stadt von den Behörden erst kurzfristig verboten worden. Zugelassen wurde jedoch eine Versammlung, zu der etwa 200 Teilnehmer kamen- die meisten davon vermummt. Sie hielten Fahnen und Transparente mit Losungen wie „Russische Herren für die russische Erde“ und „Keine Nation für den Staat, sondern einen Staat für die Nation“ hoch.
In den sibirischen Großstädten Krasnojarsk, Nowosibirisk und Tschita fanden die Märsche hingegen statt. Die Beteiligung lag nach Agenturberichten jeweils im Bereich von 200 bis 300 Personen. Vereinzelt kam es dabei zu Zusammenstößen mit Antifaschisten. Auch in Krasnojarsk war die fremdenfeindliche DPNI Organisator des Marsches. Die Teilnehmer verzichteten hier auf das Zeigen von Plakaten und Text-Bannern. Erst im Oktober wurden in Russland erneut zwei Antifaschisten von Neonazis ermordet. In Moskau lauerten die Täter dem antirassistischen Skinhead Fjedor Filatov vor seiner Wohnung auf ( http://de.indymedia.org/2008/10/229911.shtml), in Irkutsk wurde die 16jährige Olga Rukosyla vermutlich wegen ihres alternativen Äußeren zum Opfer neofaschistischer Schläger. Im Jahr 2007 starben 76 Menschen bei neofaschistischen Überfällen, 2006 waren es 62 Tote, und in diesem Jahr wurden bereits 80 Morde registriert ( http://www.jungewelt.de/2008/11-05/001.php), nach Angaben von Menschenrechtlern sind in diesem Jahr schon mehr als 100 Menschen bei fremdenfeindlichen Übergriffen getötet worden. Das seien mehr als anderthalb Mal so viele Opfer wie 2007, sagte der Direktor des Moskauer Büros für Menschenrechte, Alexander Brod, am Dienstag. Insgesamt wurden von Januar bis Oktober 113 Ausländer getötet und mindestens 340 verletzt.

Am 14. November wird es in Berlin eine Konferenz geben ( http://siempre.red-skins.de/konferenz/), bei der unter anderem Aktivisten aus Russland, Spanien, Tschechien, Serbien, Italien und Polen über die Auseinandersetzung mit den rechten Bewegungen in ihren Ländern berichten und die jeweiligen gesellschaftlichen Hintergründe benennen, auf denen die Politik der faschistischen Strömungen fußt. Dabei soll auch über mögliche Gegenkonzepte und jeweilige Verfahrensweisen beraten werden.
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Ergänzungen

Videoimpressionen auf U-Tube

Michail B. 05.11.2008 - 21:45

Nowosibirsk

Igor 06.11.2008 - 07:35
In Nowosibirsk wurde der Marsch mit etwa 200 TeilnehmerInnen von ca. 50 Antifas gestoppt. Unter dem Link gibt's die Info auf Russisch, aber auch Bilder und ein Video.

Nowosibirsk

PS 06.11.2008 - 07:46
bei dem Zusammenstoß ging zwar das Antifa-Transpi verloren, aber es gab auf Seiten der Antifa laut indy weder Verletzte noch Festnahmen. Dagegen wurde ein Fascho bei der Konfrontation verhaftet, weil er irgendwas geworfen hatte.

Marsch gestoppt

aka 06.11.2008 - 12:22
In der westsibirischen Stadt Novosibirsk versuchten circa 200 Personen (Polizeiangabe) bis 400 (Veranstalterangabe) ebenfalls einen "Russischen Marsch" durchzuführen. Weit kamen sie jedoch nicht. 20-30 Antifaschisten stellten sich ihnen in den Weg. Mit Parolen und Feuerwerk wurden die Nationalisten aufgehalten. Sie zerstreuten sich.

Infos gibts dazu hier:
 http://tayga.info/news/33532
 http://avtonom.org/index.php?nid=2037

NS SXE BLACK BLOC IN MOSKAU (SIC!)

ximmigrantx 06.11.2008 - 13:01
Am 4 November ...
Ich glaube es ist der erste Versuch in Russland eines Nazi Black Blocks. Keltenkreuze, Schwarze Fahnen und X´e auf den Händen.

Wenn ich so einen mal erwische...

True till Death, antifascist XXX

Bericht mit Video + Bilder (Achtung Naziseite...)

 http://anonym.to/?http://www.jugend-offensive.info/aktionsberichte/europaisches-Ausland/NS_SxE_Black_Block_in_Moskau-630.html

Feiern zum Jahrestag der Oktoberrevolution

http://www.focus.de 07.11.2008 - 21:18
Am Freitag haben in Russland mehrere tausend Kommunisten den 91. Jahrestag der Oktoberrevolution von 1917 gefeiert. Zudem erinnerten Soldaten mit einem Marsch an die historische Parade vom 7. November 1941.

Mit einer Parade haben am Freitag mehrere tausend Kommunisten in Russland den 91. Jahrestag der Oktoberrevolution von 1917 gefeiert. Sie schwenkten die sowjetische Flagge und zogen durch das Zentrum von Moskau. Wenige Stunden zuvor hatten dort Soldaten mit einem Marsch über den Roten Platz an die historische Parade vom 7. November 1941 erinnert, als die Rote Armee von Moskau aus direkt an die Front marschierte.

Die Veranstaltung auf dem Roten Platz, an der auch Bürgermeister Juri Luschkow teilnahm, wurde live im russischen Fernsehen übertragen. Viele der Teilnehmer trugen Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg und stellten Kampfszenen nach. Über den Marsch der Kommunisten berichteten die russischen Medien nicht. Bis 2004 war der 7. November in Russland ein Feiertag zum Gedenken an die Oktoberrevolution, dann schaffte der damalige Präsident Wladimir Putin ihn ab.

Der sogenannte Sturm auf den Winterpalast in St. Petersburg, der 1917 den Sieg der Bolschewiki über die zaristische Herrschaft besiegelte, fand nach dem damals in Russland gültigen Julianischen Kalender in der Nacht vom 24. zum 25. Oktober statt. Nach dem später eingeführten Gregorianischen Kalender fällt dieses Datum auf den 7. und 8. November.

Quatsch, aka

Igor 09.11.2008 - 14:17
Dass sich der Marsch in Nowosibirsk nach der Blockade durch die Antifa aufgelöst hätte, ist Käse. Auf dem imc-siberia-Link, den ich oben angegeben hab, ist ein Video drauf, das die ganze Aktion zeigt. Die Antifas mussten sich irgendwann zurückziehen, was bei den Kräfteverhältnissen kein Wunder war. Ich find's immer noch wahnsinnig toll (oder auch bloß wahnsinnig), dass sie's überhaupt probiert haben=)