Neues vom Totalverweigerer in Strausberg

die soligruppe. 04.10.2008 10:32 Themen: Militarismus Repression
- Totalverweigerer über's Wochenende frei
- Bundeswehr überfordert
- Montag steht Arrest an
Diesmal ein Beitrag aus einem erfreulicheren Anlass: der
Totalverweigerer Jan-Patrick ist über’s Wochenende frei und ersteinmal zu
Hause.
Wies dazu kommt und über die Unfähigkeit der Bundeswehr-Hierachie wird er
selber im folgenden berichten.

die soligruppe.

zwischen.bericht.01:

Im Moment sitze ich wieder zu Hause in Flensburg, was dem einen oder
anderen Menschen merkwürdig vorkommen wird. Mir geht es dabei noch nicht
anders. Nun aber erstmal alles aus der Kaserne bis hierher:

Am 01. Oktober betrat ich die Barnim-Kaserne in Strausberg freiwillig und
begab mich vorerst zu Gebäude Nr. 6, in der die 18. Kompanie des
Luftwaffenausbildungsregiments nach Willen der Bundeswehr meine neue
Heimat werden sollte. Ich stellte mich einfach in die Warteschlange der
anderen „Rekruten“ und gab nach etwa einer Stunde meinen
Einberufungsbescheid ab und gab meinen „Heimatbahnhof“ an. Dann ging es
noch zur „Meldung“ in einen Unterrichtsraum in dem ich schließlich eine
Stube zugewiesen bekam. Auf dieser fand ich mich ein und traf dort meine
drei „Stubenkameraden“. Nach zwei, drei Zigaretten, dem Abendessen fand
sich mein Zug der Kompanie im Unterrichtsraum ein. Als alle anderen
Rekruten meines Zuges und mein „Zugführer“ Schmidt sich eingefunden haben,
fragte ich ihn, ob ich etwas sagen dürfe, was dieser bejahte.
Nun war meine Zeit gekommen. Ich sagte in etwa: „Gut, dann werde ich ihnen
jetzt erzählen, weshalb ich eigentlich hier bin. Und zwar werde ich keinen
Befehl ihrerseits befolgen. Ich bin Totalverweigerer!“
Sichtlich überrascht und überfordert – schließlich waren 52 „Rekruten“
anwesend – fragte er mich noch, ob ich darüber sprechen wolle und falls
ja, ob im Unterrichtsraum oder in seinem Büro. Schnell begriff er aber
wieder die Situation und bat mich mit ihm in sein Büro zu kommen.

In seinem Büro fragte er mich, ob ich nicht einen
Kriegsdienstverweigerungsantrag stellen wolle, was ich natürlich
verneinte. Dann bat er mich eine Erklärung für mein Handeln abzugeben, was
ich kurz und bündig tat. Immer noch ein wenig konfus erklärte er mir dann
meine vorläufige Festnahme und rief den UvD (Unteroffizier vom Dienst),
der sich um mich kümmern sollte, aber ebenso überfordert in seinem Büro
erstmal am Computer begann einen Kriegsdienstverweigerungsantrag
erstellen. Nachdem ich ihn über meine Absichten aufgeklärt hatte, brachte
er mich zu den GvDs (Gefreiten vom Dienst), die ihm unterstellt sind und
für den Rest des Tages auf mich aufpassen sollten. Einer dieser begleitete
mich noch einmal zum Rauchen und einmal zum Waschen bis ich um 23 Uhr auf
der Stube schlafen durfte.
Auch das ist ein Zeichen der Überforderung, schließlich konnte ich mich
nun mit meinen Zimmergenossen unterhalten und sie somit beeinflussen. Bei
anderen Totalverweigerern wurde bisher nach meiner Kenntnis ein
Ausweichschlafplatz meist bei den GvDs im Nebenraum des Büros geschaffen.

Am nächsten morgen wurde um 5 Uhr die Stubentür aufgerissen und
„AUFSTEHEN!“ gebrüllt. Im Gegensatz zu den anderen Menschen auf der Stube
ließ ich es gemächlicher angehen und wurde erst um kurz vor 6 Uhr von
einem GvD abgeholt um mich wieder in das GvD-Zimmer zu setzen. Einer der
GvDs brachte mich dann in die Truppenküche zum Essen und später wieder
zurück. Als nächstes wollte der Hauptmann und Kompaniechef Laatz mit mir
sprechen, der am Vorabend schon Dienstschluss hatte.
Er wollte auch von mir nochmal hören, weshalb ich mein Ding so durchziehen
möchte, was ich auch ihm nochmal erklärte. Da ich anscheinend ein
unliebsamer Gast bin, suchte der Hauptmann bis Mittags um 14:30 Uhr nach
Möglichkeiten mich einfach nur aus der Bundeswehr zu bekommen. In der
Zwischenzeit durfte ich allein auf meiner Stube sitzen und rauchen gehen,
wann ich wollte. Nur zum Mittagessen wurde ich von einem Soldaten
abgeholt. Um 14:30 Uhr sollte es dann aber so weit sein, dass Hauptmann
Laatz keine andere Möglichkeit mehr hatte mir einen Befehl zu geben mit in
etwa folgenden Worten: „Flieger Ehlert,“ (Flieger ist mein Dienstgrad, den
ich vom Papier her momentan leider habe) „ich befehle ihnen an der
Voreinkleidung der Truppen um 14:40 Uhr teilzunehmen.“
Diesem Befehl folgte meinerseits ein einfaches „Mach ich nicht.“
Der Hauptmann klärte mich nun nochmals über die Konsequenzen auf, die die
Ablehnung des wiederholten Befehls hätte und wiederholte den Befehl. Ich
antwortete mit: „Ich befolge keine Befehle.“

Daraufhin erklärte der Hauptmann mir meine erneute vorläufige Festnahme.
Infolgedessen folgte später noch ein Verhör, in dem ich jegliche Aussage
verweigerte und ein kurzer Besuch beim Truppenarzt, der mich fragte, ob
ich mir im Arrest selbst Schaden zufügen würde. Da ich dies verneinte
erklärte dieser mich für „arrestfähig“ und ich wurde erneut zu meinem
Hauptmann geleitet. Da dieser noch einiges zu tun hätte, wurde ich
verfrüht zum Abendessen geleitet. Vor der Truppenküche musste ich sogar
noch 15 Minuten warten, weil erst um 16:15 Uhr die Pforten öffnen. Nach
dem Essen sagte mir der Hauptmann, ich solle so viel einpacken wie ich für
zwei Tage Arrest benötigte. Nachdem dies geschehen war und ich erneut in
seinem Büro saß, folgte die Überraschung. Er drückte mir einen
Berechtigungsausweis für Familienheimfahrten und einen vorläufigen
Truppenausweis in die Hand und sagte mir, ich würde zum Kasernenausgang am
Bahnhof gebracht werden und könne vorerst nach Hause fahren. Außerdem bat
er mich darum Montag um 12:00 Uhr wieder in der Kaserne zu sein.

Warum plötzlich die Beurlaubung? Auch ich kenne den wirklichen Grund
nicht, habe allerdings aus einem Telefongespräch, dass in meinem Beisein
geführt wurde hören können, dass wohl beim Truppendienstgericht schon das
Urlaubswochenende eingekehrt war. Dass man mich nicht vier Tage von
irgendwelchen Soldaten beaufsichtigen lassen möchte und andere Soldaten
mich sehen und über alles nachdenken können, kann ich nur zu gut
verstehen. Die „Moral der Truppe“ könnte schließlich in Gefahr sein.

Leider konnte ich am Donnerstag nicht mehr ganz bis nach Hause fahren,
also übernachtete ich bei Freunden in Berlin und fuhr erst Freitag gen
Norden. Nun genieße ich erstmal die Zeit bis Montag und freue mich über
meine temporäre Freiheit. Ich möchte auch nochmal auf die Soli-Postkarten,
die es bei Black Mosquito (-->www.black-mosquito.org) zu Soli-Preisen
gibt hinweisen, die mit der Adresse von Hauptmann Laatz versehen sind
hinweisen. Ich schätze die Lage aktuell so ein, dass Druck von Außen
wirklich nützlich sein kann. Deshalb auch für alle, die keine Postkarte
bestellen, aber dennoch ihre Meinung loswerden wollen die Postanschrift
für Briefe an den Hauptmann:

Hauptmann & Kompaniechef Laatz
Barnim-Kaserne
Umgehungsstraße 1
15344 Strausberg

Nun gut, ich persönlich werde am Montag wieder freiwillig nach Strausberg
fahren, da ich schon freiwillig am 01. Oktober dort auftrat und ich den
Kram einfach hinter mich bringen möchte. Alles andere würde den Kram nur
verlängern und außerdem würde längere Abwesenheit meinerseits auch noch
längere Vorbereitungszeit für die Bundeswehr bedeuten. Dass ich den Laden
scheiße finde, wissen die dort auch jetzt schon.

Nach meiner Vermutung wartet Montag dort aber gleich der erste Arrest auf
mich.
Danke für eure bisherige Unterstützung. Haltet eure Augen offen und
drückt mir die Daumen.

Jan-Patrick
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Ergänzungen

Solidarität ist eine Waffe!

ich 04.10.2008 - 17:55
Soli-Klamotten, also Shirts, Girlie-Shirts, Patches, Kapuzenpullover u.v.a. gibt´s unter:
www.grandioso-versand.de

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