Protokoll einer Abschiebung

Wir 08.08.2008 00:13 Themen: Antirassismus Repression
Du stehst im Zubringerbus auf dem Rollfeld vor der Linienflugmaschine, mit der in wenigen Minuten deine Reise nach Marokko beginnen wird. Ein Sixpack und ein ziviler Bulli des BGS stehen auch da und erwecken dein Misstrauen. Gleich darauf steigen Polizisten aus, öffnen die hintere Tür des Bullis und führen zwei Personen in das Flugzeug. Die Situation wird klar: eine Abschiebung. Und was machst du jetzt? Genau diese Frage mussten wir uns vor zwei Wochen am Frankfurter Flughafen stellen. Das Flugzeug sollte uns nach Casablaca (Marokko) bringen. Die Airline: Royal Air Maroc
Obwohl wir das Abführen ins Flugzeug beobachtet hatten, gelingt es uns nach dem Einsteigetrubel nicht, die beiden Personen wiederzufinden. Auch ist die Kommunikation innerhalb unserer Gruppe schwierig, da unsere Sitzplätze über das gesamte Flugzeug verteilt sind und unser Wissensstand im Bezug auf Abschiebungen recht unterschiedlich ist.
Einige von uns verifizieren durch hartnäckiges Nachfragen im Gespräch mit dem Flugpersonal, dass es sich um eine Abschiebung handelt. Die zwei Personen wurden in Finnland ohne gültige Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen. Dem Flugpersonal wird daraufhin erklärt, dass einige von uns sich nicht hinsetzen und anschnallen werden und dadurch den Start der Maschiene verhindern wollen. Nach unserem Informationsstand hat ein solches Verhalten in der Vergangenheit schon Abschiebungen verhindert.
Die Ankündigung stößt sowohl beim Personal als auch bei einem großen Teil der Fluggäste auf Unverständnis, obwohl versucht wurde möglichst viele über die Gründe aufzuklären. Insgesamt wird die Situation angespannter und spitzt sich zu. Immer mehr Verantwortliche, unter anderem der Kapitän, schalten sich in die Diskussion ein. Wir fordern ein Gespräch mit den betroffenen Personen, um von diesen zu hören, wie sie die Situation sehen. Ein Polizist erklärt, dass wir gerne mit diesen sprechen könnten aber niemand ist bereit, uns zu zeigen, um wen es sich handelt.
Das Personal beginnt, extremen Druck aufzubauen. Argumentiert wird mit einem Startzeitfester, das in wenigen Minuten enden würde und mit Kosten von mehreren 100.000 Euro für die Zivilklagen angekündigt werden. Außerdem wird damit gedroht, Personen, die sich nicht hinsetzen, von der Polizei aus dem Flugzeug entfernen zu lassen. Juristisch können wir die Situation nicht einschätzen und es fehlt an Zeit und Ruhe für eine ordentliche Entscheidungsfindung in der Gruppe.
Im Endeffekt entscheiden sich diejenigen von uns, die angekündigt hatten stehenzubleiben, mehr einzeln als gemeinsam sich nun zu setzen. Das Flugzeug kann starten. Auch während des Fluges kommt es zu keiner Kommunikation mit den von der Abschiebung betroffenen Personen, da wir weiterhin nicht wissen um wen es sich handelt
Die Reaktionen der übrigen Flugreisenden fielen unterschiedlich aus. Auf der einen Seite gab es Menschen die sagten, dass sie prinzipiell gegen Abschiebung sind, aber meinten dies sei der falsche Moment aktiv zu werden. Auf der anderen Seite gab es auch Mitreisende die uns gegenüber aggressiv reagierten. Sie wurden Handgreiflich taten so als ob sie Portraits von uns machten oder machten tatsächlich Bilder. Als wir sie später darauf ansprachen behaupteten sie keine gemacht zu haben.
Fazit: Eine Öffentlichkeit innerhalb des Flugzeuges konnte hergestellt werden. Sehr viele Fluggäste haben mitbekommen, worum es ging. Vermutlich ist das Flugzeug auch ca. 15 Minuten später als ursprünglich geplant gestartet. Die Frage bleibt, ob mehr möglich gewesen wäre.
Über Ergänzungen, die zu einer besseren Einschätzung solcher Situationen beitragen könnten währen wir sehr froh. Dürfen Polizisten Personen aus einem Flugzeug entfernen, die sich weigern, sich zu setzen? Und vor allem: Tun sie dies? Wie sieht es mit Zivilklagen der Fluggesellschaft aus?
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Gute Aktion

Roland Ionas Bialke 08.08.2008 - 06:45
Ihr habt etwas versucht und es hätte auch funktionieren können. Dass ihr Angst vor Strafen bzw. Schulden habt, ist vollkommen verständlich! Nur wenige Menschen würden sich das trauen im Flugzeug aufzustehen um zu versuchen eine Abschiebung zu verhindern!

Wenn Ihr weitergemacht hättet, dann wärt ihr wahrscheinlich festgehalten und aus dem Flugzeug gebracht worden. Wenn Ihr Euch dagegen nicht gewehrt hättet, dann wärt Ihr wahrscheinlich ohne Strafe davongekommen. Ausser, wenn neben dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) greifen würde:

§ 123 StGB

"Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft."

Die Polizei hätte Euch ganz sicher aus dem Flugzeug entfernen können. Auf dem Flughafengelände, auch im Flugzeug auf dem Boden, gelten spezielle Gesetze. Wichtig ist wie schon erwähnt das Luftsicherheitsgesetz:

 http://bundesrecht.juris.de/luftsig/index.html

§ 12 Absatz 4 LuftSiG (Luftsicherheitsgesetz)

"Alle an Bord befindlichen Personen haben den Anordnungen des Luftfahrzeugführers oder seiner Beauftragten nach Absatz 2 Folge zu leisten."

in Verbindung mit § 20 LuftSiG (Bußgeld- und Strafvorschriften zu § 12 LuftSiG)

"(1)Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 12 Abs. 4 als an Bord befindliche Person den Anordnungen des Luftfahrzeugführers oder seiner Beauftragten nicht Folge leistet. 2Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden.

(2)Wer eine in Absatz 1 bezeichnete Handlung begeht und dabei mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3)In besonders schweren Fällen des Absatzes 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1.der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder
2.der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung bringt."

Zivilrechtlich kann ich mir auch einige Gemeinheiten vorstellen. Habe da aber zu wenig Erfahrung! Bin kein Profi, sorry!!

Eventuell lohnt es sich in den Gesetzen/Verordnungen, die in der folgenden Liste stehen, zu recherchieren:

 http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_Gesetze_zum_Luftverkehr

Vielleicht finden sich ja Gesetze nachdem es verboten ist Abschiebungen über Flugzeuge zu begehen. Würde mich nicht wundern. Auch wenn es unwahrscheinlich ist!

Gute Aktion, macht weiter!!







Fluten 3.0 am Hamburger Abschiebeflughafen

Freitag 22.08, Fuhlsbüttel 08.08.2008 - 11:34
„Wir FLUTEN den Hamburger Airport. Egal wie, mit was, durch wen… Ob adrett im Smoking, touristisch mit Rollköfferchen, laut durch Soundanlage, authentisch mit Flugticket, plakativ mit Transpis, wütend mit Sonnenbrille, bunt als Clowns. einfach ganz-so-wie-du-es- willst… FLUTEN heißt kreativ sein, heißt den Flughafen irgendwie lahm legen, so lange wie wir können...“.

Hamburg, wir kommen, weil Bleiben ein Recht ist!



PS: Weitere Infos zu den am 15.- 24.08.08 in Hamburg stattfinden Antira- und Klima Camps auf  http://www.klimacamp08.net/ und  http://camp08.antira.info/index.html

juristische Mutmaßungen sind teuer!

... 08.08.2008 - 14:00
Liebe Leute,
alles richtig gemacht. Hinsetzen war richtig, sonst wird es zivilrechtlich teuer. In der Situation kann nur noch die Person etwas gegen den Start des Flugzeugs machen, die abgeschoben wird.
Detailierte Infos gibt es hier:  http://www.proasyl.de/texte/flugbl/flughprint.htm

Tag ohne Abschiebung

der Kranich 09.08.2008 - 14:40
Dezentraler Aktions-Tag ohne Abschiebungen –gemeinsam legen wir das Abschiebesystem lahm!


Überall in Deutschland und Österreich werden wir um den 30. August 2008 herum blockieren, stören, verhindern. Unser Protest richtet sich gegen das System der Migrationskontrolle, gegen die Selektion von Einwanderern und gegen die Brutalität des Abschiebsystems.

Wir beharren dagegen auf dem Recht zu wandern, auf dem Recht zu bleiben, auf dem Recht auf Bewegungsfreiheit. Unsere Solidarität gilt den Verfolgten, den Illegalisierten, den Ausgebeuteten, den Abenteurern!

Wir legen das Abschiebesystem lahm – mit Aktionen an Abschiebeknästen und –lagern, bei Ausländerbehörden, auf Flughäfen und bei Profiteuren – bei allen Agenten der rassistischen Behandlung und Kontrolle von Menschen.

Wir erklären uns solidarisch mit allen, die für ein Bleiberecht kämpfen, die sich wehren gegen die Zumutungen der rassistischen Sondergesetze für Flüchtlinge und Migrant_innen, die Abschiebungen verhindern, die sich ihr Recht auf Bewegungsfreiheit nehmen. Mit dem Aktionstag reihen wir uns ein in die alltäglichen Kämpfe um Würde und Rechte.

Mit Demonstrationen, Blockaden, Ämterbesuchen und kreativen Protestaktionen werden wir Sand ins Getriebe streuen. So wollen wir den Blick auf die Unmenschlichkeit der Zuwanderungsverhinderung lenken, auf die rassistischen Schikanen und Angriffe von Behörden, Polizei und Nazis und die Diskriminierung durch Sondergesetze wie Residenzpflicht, Abschiebehaft und Lagerunterbringung.

Beteiligt euch mit eigenen Aktionen am Tag ohne Abschiebungen – damit das Migrationsregime Geschichte wird!

Wer hierbleiben will, soll bleiben dürfen! Wer kommen will, soll kommen dürfen! Gleiche Rechte und Bewegungsfreiheit für alle!

Passagiere befreiten gefesselten Asylbewerber

^BUCH 09.08.2008 - 15:42
Ich weiß, dass indy kein Ort für Zitate ist aber hab in nem Buch ein Artikel von 1999 gefunden und find den echt erwehnenswert. Echt mutig!


Passagiere befreiten gefesselten Asylbewerber
Zürich, 28. Mai (dpa). Aufgebrachte Passagiere haben auf einem Swissair-Flug nach Kinshasa einen gefesselten Asylbewerber befreit und die begleitenden Schweizer Polizeibeamten angegriffen. Der 23jährige Kongolese kehrte daraufhin in die Schweiz zurück und wurde auf freien Fuß gesetzt, da die Abschiebehaft abgelaufen war, berichtete die Basler Zeitung am Freitag. Swissair bestätigte den Vorfall, der sich am 9.Mai ereignet hatte.
Der Mann der hinter einem Vorhang platziert worden war, hatte durch Schreien auf sich aufmerksam gemacht. Bei einer Zwischenlandung in Kamerun rissen rund 20 Passagiere den Vorhang weg, schlugen und traten auf die Schweizer Polizisten ein und befreiten den jungen Mann.

Tipps um Abschiebungen zu verhindern

abschiebungen unmöglich machen 11.08.2008 - 12:53
Schon vor einigen Jahren wurde ein Flugblatt entworfen, das Möglichkeiten zum Verhalten bei Abschiebungen mit einem Linienflugzeug aufzeigt. Es ist nicht mehr ganz aktuell und vielleicht kann es an die aktuelle Praxis angepasst werden, ist aber immer noch brauchbar und wird von Zeit zu Zeit genutzt. Auf jeden Fall beinhaltet es Antworten auf die Frage:

Wie können Sie als Fluggast reagieren, wenn jemand im gleichen Flugzeug abgeschoben werden soll?

Weiter lesen unter:  http://no-racism.net/article/553

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

... — RzJ

nur kurz — A

No Border! — Myself

Oha... — Myself