G8 Genua: Niedrige Urteile gegen Polizei
[Media G8way | Gipfelsoli Infogruppe]
* AnwältInnen kritisieren Justiz
* Aktionswoche in Genua
Nach neunstündiger Verhandlung endete gestern Abend in Genua das "Bolzaneto-Verfahren" gegen 45 Angehörige der Polizei, Vollzugsbeamte und ärztliches Personal. Gegen die Angeklagten wurde wegen Autoritätsmißbrauch, Nötigung, Mißhandlung, Drohung und Fälschung ermittelt. 300 DemonstrantInnen wurden während der Proteste gegen den G8 festgenommen, die meisten von ihnen in die zum tempörären Gefängnis umfunktionierte Polizeikaserne gebracht.
Betroffene dokumentierten im Verfahren Schläge, Beleidigungen, faschistische Parolen und systematischen Demütigungen. Weil die Polizei behauptete dass die meisten eingesetzten Beamten nicht identifiziert werden könnten wurde nur gegen leitende Kräfte verhandelt. 30 Angeklagte wurden dennoch aus "Mangel an Beweisen" freigesprochen. Die höchste Strafe erhielt mit 5 Jahren und 8 Monaten der Sicherheitschef des Gefängnisses, Antonio Biagio Gugliotta. Der für seine Brutalität heftig kritisierte Gefängisarzt Giacomo Toccafondi erhielt lediglich 1 Jahr und 2 Monate Haft.
* AnwältInnen kritisieren Justiz
* Aktionswoche in Genua
Nach neunstündiger Verhandlung endete gestern Abend in Genua das "Bolzaneto-Verfahren" gegen 45 Angehörige der Polizei, Vollzugsbeamte und ärztliches Personal. Gegen die Angeklagten wurde wegen Autoritätsmißbrauch, Nötigung, Mißhandlung, Drohung und Fälschung ermittelt. 300 DemonstrantInnen wurden während der Proteste gegen den G8 festgenommen, die meisten von ihnen in die zum tempörären Gefängnis umfunktionierte Polizeikaserne gebracht.
Betroffene dokumentierten im Verfahren Schläge, Beleidigungen, faschistische Parolen und systematischen Demütigungen. Weil die Polizei behauptete dass die meisten eingesetzten Beamten nicht identifiziert werden könnten wurde nur gegen leitende Kräfte verhandelt. 30 Angeklagte wurden dennoch aus "Mangel an Beweisen" freigesprochen. Die höchste Strafe erhielt mit 5 Jahren und 8 Monaten der Sicherheitschef des Gefängnisses, Antonio Biagio Gugliotta. Der für seine Brutalität heftig kritisierte Gefängisarzt Giacomo Toccafondi erhielt lediglich 1 Jahr und 2 Monate Haft.
Die Verurteilten kündigten Berufung an. Damit würden die Strafen nach italienischem Recht verjähren. Verjährungsfristen werden während der Verhandlung nicht ausgesetzt.
Im Bolzaneto-Verfahren treten 300 Betroffene als NebenklägerInnen auf, darunter auch Angehörige der Mißhandelten. Die Hälfte von ihnen kommt aus dem Ausland. Richter Renato Delucchi sprach allen eine "sofortige Entschädigungszahlung" von 2.500 bis 15.000 € zu.
Bis letzte Woche war unklar ob das neue "Sicherheitsgesetz" Berlusconis die Urteilsverkündung verhindern könnte. Gegen Berlusconi wird wegen Korruption ermittelt. Er fordert nun die Aussetzung aller Verfahren mit einem erwarteten Strafmaß unter drei Jahren, die vor Mitte 2002 begangen wurden. Das Dekret soll Ende Juli von Staatspräsident Giorgio Napolitano unterzeichnet werden. Um die Urteilsverkündung zu beschleunigen verzichteten die AnwältInnen der Nebenklage auf ihre Schlußplädoyers.
AnwältInnen und Solidaritätsgruppen kritisieren das Urteil heftig. Zwar wurde anerkannt dass Straftaten begangen wurden, jedoch blieb das Gericht unter dem gefordeten Strafmaß der StaatsanwältInnen.
Im Herbst wird mit einem weiteren Urteil gegen Polizisten gerechnet. Im "Diaz-Verfahren" wird die Mißhandlung teils schlafender AktivistInnen verhandelt. 29 leitende Beamte sind unter anderem wegen Fälschung von Beweismitteln angeklagt. Einer der Staatsanwälte, Patrizia Petruziello, erklärte dass 4 von 5 in der Diaz-Schule Festgenommenen nach Kriterien des Europäischen Gerichtshof eine "unmenschliche und unwürdige Behandlung" erlitten hätten. Italien hat die internationale Folterkonvention nicht unterzeichnet, demnach kann nur wegen Mißhandlung Anklage erhoben werden.
Während Angehörige der Polizei bisher straffrei blieben, wurden AktivistInnen zu hohen Strafen verurteilt. Im November letzten Jahres wurden gegen 25 italienische DemonstrantInnen drakonische Strafen von bis zu 11 Jahren Haft verhängt. Dabei reichte aus, in der Nähe von Ausschreitungen aufgegriffen zu werden. Im Juni wurde eine französische Aktivistin zu 5 Monaten Haft verurteilt, weil sie als einzige den Absperrzaun um die Genueser Innenstadt überklettert hatte.
"Diese Urteile sind ein Angriff gegen die sozialen Bewegungen und gegen das Recht auf Widerstand", schreibt die Solidaritätsgruppe SupportoLegale. "Genua war eine Revolte von 300.000 AktivistInnen", kommentiert die Gipfelsoli Infogruppe. "Der Widerstand gegen die Polizeiangriffe war unbedingt gerechtfertigt".
Zum 7. Jahrestag der G8-Proteste wird Genua nächste Woche Austragungsort zahlreicher Veranstaltungen. Am 19. Juli lädt unter anderem Haidi Giuliani, die Mutter des erschossenen Carlo, zur Vorbereitung gegen den nächsten G8-Gipfel 2009 auf Sardinien ein. Am 20. Juli findet auf der Piazza Alimonda die jährliche Gedenk-Versammlung für Carlo statt. Solidaritätsgruppen aus Genua und anderen Ländern organisieren Vorträge und Diskussionen im Palazzo Ducale, dem damaligen Tagungsort des G8-Treffens.
Eine Gesellschaft, in der RepräsentantInnen des Staates weniger Verantwortung trügen als DemonstrantInnen sei "eine hässliche Gesellschaft", erklärt die Nebenklage-Anwältin Laura Tartarini. Mit einer ausführlichen Stellungnahme der AnwältInnen wird heute nachmittag gerechnet.
*Hintergrund*
* Erklärung von SupportoLegale: http://www.gipfelsoli.org/Home/Genua_2001/5299.html
* Anwältin Laura Tartarini zum "Sicherheitsgesetz" Berlusconis: http://www.gipfelsoli.org/Home/Genua_2001/5218.html
* Programm der Aktionswoche in Genua: http://www.veritagiustizia.it/altro/torniamo_a_genova_2008.php
Im Bolzaneto-Verfahren treten 300 Betroffene als NebenklägerInnen auf, darunter auch Angehörige der Mißhandelten. Die Hälfte von ihnen kommt aus dem Ausland. Richter Renato Delucchi sprach allen eine "sofortige Entschädigungszahlung" von 2.500 bis 15.000 € zu.
Bis letzte Woche war unklar ob das neue "Sicherheitsgesetz" Berlusconis die Urteilsverkündung verhindern könnte. Gegen Berlusconi wird wegen Korruption ermittelt. Er fordert nun die Aussetzung aller Verfahren mit einem erwarteten Strafmaß unter drei Jahren, die vor Mitte 2002 begangen wurden. Das Dekret soll Ende Juli von Staatspräsident Giorgio Napolitano unterzeichnet werden. Um die Urteilsverkündung zu beschleunigen verzichteten die AnwältInnen der Nebenklage auf ihre Schlußplädoyers.
AnwältInnen und Solidaritätsgruppen kritisieren das Urteil heftig. Zwar wurde anerkannt dass Straftaten begangen wurden, jedoch blieb das Gericht unter dem gefordeten Strafmaß der StaatsanwältInnen.
Im Herbst wird mit einem weiteren Urteil gegen Polizisten gerechnet. Im "Diaz-Verfahren" wird die Mißhandlung teils schlafender AktivistInnen verhandelt. 29 leitende Beamte sind unter anderem wegen Fälschung von Beweismitteln angeklagt. Einer der Staatsanwälte, Patrizia Petruziello, erklärte dass 4 von 5 in der Diaz-Schule Festgenommenen nach Kriterien des Europäischen Gerichtshof eine "unmenschliche und unwürdige Behandlung" erlitten hätten. Italien hat die internationale Folterkonvention nicht unterzeichnet, demnach kann nur wegen Mißhandlung Anklage erhoben werden.
Während Angehörige der Polizei bisher straffrei blieben, wurden AktivistInnen zu hohen Strafen verurteilt. Im November letzten Jahres wurden gegen 25 italienische DemonstrantInnen drakonische Strafen von bis zu 11 Jahren Haft verhängt. Dabei reichte aus, in der Nähe von Ausschreitungen aufgegriffen zu werden. Im Juni wurde eine französische Aktivistin zu 5 Monaten Haft verurteilt, weil sie als einzige den Absperrzaun um die Genueser Innenstadt überklettert hatte.
"Diese Urteile sind ein Angriff gegen die sozialen Bewegungen und gegen das Recht auf Widerstand", schreibt die Solidaritätsgruppe SupportoLegale. "Genua war eine Revolte von 300.000 AktivistInnen", kommentiert die Gipfelsoli Infogruppe. "Der Widerstand gegen die Polizeiangriffe war unbedingt gerechtfertigt".
Zum 7. Jahrestag der G8-Proteste wird Genua nächste Woche Austragungsort zahlreicher Veranstaltungen. Am 19. Juli lädt unter anderem Haidi Giuliani, die Mutter des erschossenen Carlo, zur Vorbereitung gegen den nächsten G8-Gipfel 2009 auf Sardinien ein. Am 20. Juli findet auf der Piazza Alimonda die jährliche Gedenk-Versammlung für Carlo statt. Solidaritätsgruppen aus Genua und anderen Ländern organisieren Vorträge und Diskussionen im Palazzo Ducale, dem damaligen Tagungsort des G8-Treffens.
Eine Gesellschaft, in der RepräsentantInnen des Staates weniger Verantwortung trügen als DemonstrantInnen sei "eine hässliche Gesellschaft", erklärt die Nebenklage-Anwältin Laura Tartarini. Mit einer ausführlichen Stellungnahme der AnwältInnen wird heute nachmittag gerechnet.
*Hintergrund*
* Erklärung von SupportoLegale: http://www.gipfelsoli.org/Home/Genua_2001/5299.html
* Anwältin Laura Tartarini zum "Sicherheitsgesetz" Berlusconis: http://www.gipfelsoli.org/Home/Genua_2001/5218.html
* Programm der Aktionswoche in Genua: http://www.veritagiustizia.it/altro/torniamo_a_genova_2008.php
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Bewegte Bilder...
Emotional First Aid und Trauma Support
Sprechstunden werden voraussichtlich 15-17 Uhr in San Luca stattfinden, Workshops werden 18-22 Uhr im AZ Burrida angeboten.
Veranstaltung zur Erinnerung an CARLO in HH
es wird ein film über carlo gezeigt, u. es wird eine plakatausstellung u. essen geben.
danach findet die bar-sol statt.
KAPITALISMUS TÖTET !
CARLO VIVE !
Die Überschrift ist nicht ganz zutreffend,
Kurzer aktueller Text zu Bolzaneto
http://it.youtube.com/watch?v=lL-6WBs7BEI (Aussagen einiger Opfer der Díaz- und Bolzaneto-Gewaltorgien, in englisch und teilweise auch italienisch)
http://video.google.de/videoplay?docid=-8876259762606192748 (WDR-Doku von 2002, Augenzeug_innenberichte ab Minute 30)
Das Bolzaneto-Urteil hat wieder einmal gezeigt: Folterer und Gewalttäter in Uniform werden innerhalb der EU nicht belangt. Menschenrechte werden von den EU-Staaten nur hochgehalten, wenn sie sich davon außenpolitisch einen agitatorischen Vorteil versprechen (z.B. gerade in der hysterischen Diskussion um die Olympiade in Bejing) oder wenn sich damit Angriffe vor der eigenen Öffentlichkeit gut verkaufen lassen.
Anbei noch eine pdf aus der Repubblica mit dem Strafmaß für die einzelnen Angeklagten. Mensch beachte die 30 Freisprüche "aus Mangel an Beweisen" und die übrigen relativ niedrigen Verurteilungen (die diese Leute wohl auch niemals antreten werden müssen).
"Schockurteil": Gericht gewährt Milde
Folter, Gewalt und Amtsmissbrauch im provisorischen Gefängnis Bolzaneto, wo mehr als 200 Globalisierungsgegner inhaftiert waren, die gegen den G8-Gipfel in Genua protestiert hatten: Das hatte die Staatsanwaltschaft 45 Beamten vorgeworfen. Das Strafgericht in Genua folgte nach zehnstündiger Beratung der Anklage nur bedingt: In 15 Fällen wurden milde Haftstrafen zwischen fünf Monaten und fünf Jahren verhängt. Wegen Straferlasses und Verjährung muss keiner der Verurteilten wirklich hinter Gitter. Die restlichen 30 Polizisten, Gefängnisbeamten und Mediziner wurden freigesprochen. Ein "Schockurteil", wie italienische Medien schreiben.
Dabei hat das Gericht bestätigt, dass "etwas Schwerwiegendes in der Kaseren Bolzaneta geschehen ist", sagt der Staatsanwalt Vittorio Ranieri Miniati zur Tageszeitung "La Repubblica". Er werde sich das Urteil genau ansehen und entscheiden, ob er Berufung einlegt.
Ministerien müssen Schadenersatz zahlen
Der Prozess um die Vorgänge in Bolzaneta hat bereits im Oktober 2005 begonnen. Die höchste Strafe von fünf Jahren wurde über Antonio Biagio verhängt, der die Leitung des Gefängnisses inne hatte. Außerdem müssen das Justiz- und das Innenministerium den 209 Opfern für die materiellen und moralischen Schäden bis zu 70.000 Euro zahlen - in Summe also knapp 15 Millionen Euro.
Über Misshandlungen nach der Festnahme hatten auch 16 österreichische Mitglieder der Theatergruppe "VolxTheater-Karawane" geklagt. Sie waren nach dem G8-Gipfel festgenommen und drei Wochen lang in Untersuchungshaft gehalten worden.
Gewaltsamer G8-Gipfel in Genua
Im Juli 2001 kam es beim Gipfel der G8-Staaten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Globalisierungsgegnern und der Polizei. Ein Demonstrant wurde von einem Polizisten durch einen Schuss in den Kopf getötet. Der Polizeibeamte berief sich auf Notwehr und wurde freigesprochen.
Gewaltorgie bleibt ungesühnt
Ein weiteres Verfahren im Nachgang zum G8-Gipfel betrifft die Vorgänge in der Diaz-Schule von Genua: Dort waren friedliche und zum Teil bereits schlafende Demonstranten ebenfalls von einem Polizeiaufgebot überfallen und brutal misshandelt worden. Vor Gericht stehen insgesamt 29 Beamte, darunter ebenfalls hohe Kaderangehörige. Ihnen werden nicht nur die Übergriffe zur Last gelegt, sondern auch versuchte Beweisfälschung: Um die Aktion zu «rechtfertigen», hatten Beamte zwei Molotow-Cocktails in die Schule geschmuggelt, die die Gefährlichkeit der Demonstranten belegen sollten(...)
http://www.espace.ch/artikel_545804.html