Ermüdungserscheinungen in Berlin-Heinersdorf
Es ist inzwischen ruhig geworden um den geplanten Bau der Moschee an der Autobahnauffahrt in Pankow-Heinersdorf. Vergessen ist jedoch nicht die rassistische Mobilisierung der Moschee-Gegner_innen, die noch vor wenigen Monaten bundesweit Schlagzeilen machte. In Erinnerung bleiben erregt diskutierende Heinersdorfer_innen, die befürchteten, „dass der Russe die ganzen Häuser aufkauft“ und Demonstrationen, bei denen mehrere tausend Bürger_innen zusammen mit jugendlichen Neonazis und NPD-Kadern öffentlich klarmachten, dass sie nichts „Fremdes“ in ihrer Gegend wollen. Zeit, einen kleinen Blick zurück auf die Ereignisse und die Beteiligten zu werfen.
Die Zusammensetzung der Proteste
Es ist wie ein Déjà Vu. Die Argumente von Moschee-Gegner_innen in der gesamten Republik, die Diskussionen um eine geplante Großmoschee in Köln wären das aktuellste Beispiel, gleichen sich teilweise bis aufs Wort. Auf den ersten Flugblättern gegen die Heinersdorfer Moschee ging es vor allem um Parkplatzmangel, Handy-Funkstörungen, Ruhestörung durch Moschee-Geräusche und aggressive Missionierungen durch Islamisten. Obwohl diese Argumente bei näherer Betrachtung keinerlei Gehalt hatten, waren sie geeignet, das Thema – gerade für die dumpfdeutsche Fraktion unter den Heinersdorfer_innen – zu emotionalisieren. Nur so ist die Eskalation bei der ersten öffentlichen Veranstaltung zum Moscheebau zu erklären. Damals, Anfang 2006, versuchten mehrere hundert Anwohner_innen sich Zutritt in eine bereits maßlos überfüllte Heinersdorfer Turnhalle zu verschaffen, die Polizei mußte die Veranstaltung schließlich absagen.
Die wortführende Initiative "ipahb" ergänzte die subtilen "Argumente" gegen den Moscheebau mit einer Rhetorik vom „kleinen Mann“, der von "den Parteien" nicht gehört würde. Der immer wieder angestimmte Slogan „Wir sind das Volk“ ist stärkster Ausdruck dieses Musters. Mit der Losung, die Heinersdorfer_innen würden von der Politik vernachlässigt und übergangen, trafen sie einen Nerv in weiten Teilen der Bevölkerung. Die ipahb wurde dabei maßgeblich von der Pankower CDU unterstützt, die die Proteste zur parteipolitischen Profilierung nutzte.
Von den Rassist_innen zu den Nazis
Von Anfang an nutzten lokale Neonazis den Konflikt für eigene Aktionen. Nicht zufällig meldete die NPD den ersten Anti-Moschee-Aufmarsch an. Auf den späteren Demonstrationen der ipahb liefen neben den bürgerlichen Rassist_innen immer auch eine Vielzahl von Neonazis aus dem Kameradschafts- und NPD-Spektrum mit. So griff eine Gruppe Neonazis am 11. Juli 2007 nach einer ipahb-Demonstration mehrere Gegendemonstrant_innen an und verletzte sie. Mit dabei unter anderem der Vorsitzende der Pankower NPD. Die halbherzigen Distanzierungen der Moschee-Gegner_innen von den Neonazis konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie teilweise mit den selben, aus einer rassistischen Motivation abgeleiteten Argumenten auf die Straße gingen.
Die Aussicht
Dass die Moschee nun gebaut und voraussichtlich Ende des Jahres eröffnet wird, weder die Mobilisierung tausender Bürger_innen noch die Klagen der ipahb oder die Sabotageaktionen der Neonazis zu einem Erfolg geführt haben, hat inzwischen den Effekt, dass die Anti-Moschee-Aktionen seltener werden und deutlich schlechter besucht sind.
Die Heinersdorfer_innen scheinen sich zähneknirschend mit ihren neuen Nachbarn abgefunden zu haben. Vorraussichtlich wird der ipahb-Protest spätestens nach einer letzten Mobilisierung zur Moschee-Eröffnung in sich zusammenbrechen. Er hat jedoch eines klargemacht: Wie aktuellere Beispiele aus Reinickendorf oder aus Köln-Kalk zeigen, reicht eine relativ kleine Initiative, die rassistische Vorurteile mit populistischen Parolen geschickt bedient, um einen latent vorhandenen Rassismus anzusprechen und größere Teile der Bevölkerung gegen das sogenannte Fremde zu mobilisieren. Solche Aktionen im speziellen und Denkmuster im allgemeinen müssen daher Ziel unserer Kritik sein.
Paul Fritsch, Juni 2008
Emanzipative Antifaschistische Gruppe [EAG-Berlin]
Dieser Beitrag erscheint zu den Schulprojekttagen 2008 der Bildungsinitiative engagierter Schüler_innen (BeS), die seit dem 16. Juni in Berlin-Pankow stattfinden. Infos: www.jup-ev.org/bes
Es ist wie ein Déjà Vu. Die Argumente von Moschee-Gegner_innen in der gesamten Republik, die Diskussionen um eine geplante Großmoschee in Köln wären das aktuellste Beispiel, gleichen sich teilweise bis aufs Wort. Auf den ersten Flugblättern gegen die Heinersdorfer Moschee ging es vor allem um Parkplatzmangel, Handy-Funkstörungen, Ruhestörung durch Moschee-Geräusche und aggressive Missionierungen durch Islamisten. Obwohl diese Argumente bei näherer Betrachtung keinerlei Gehalt hatten, waren sie geeignet, das Thema – gerade für die dumpfdeutsche Fraktion unter den Heinersdorfer_innen – zu emotionalisieren. Nur so ist die Eskalation bei der ersten öffentlichen Veranstaltung zum Moscheebau zu erklären. Damals, Anfang 2006, versuchten mehrere hundert Anwohner_innen sich Zutritt in eine bereits maßlos überfüllte Heinersdorfer Turnhalle zu verschaffen, die Polizei mußte die Veranstaltung schließlich absagen.
Die wortführende Initiative "ipahb" ergänzte die subtilen "Argumente" gegen den Moscheebau mit einer Rhetorik vom „kleinen Mann“, der von "den Parteien" nicht gehört würde. Der immer wieder angestimmte Slogan „Wir sind das Volk“ ist stärkster Ausdruck dieses Musters. Mit der Losung, die Heinersdorfer_innen würden von der Politik vernachlässigt und übergangen, trafen sie einen Nerv in weiten Teilen der Bevölkerung. Die ipahb wurde dabei maßgeblich von der Pankower CDU unterstützt, die die Proteste zur parteipolitischen Profilierung nutzte.
Von den Rassist_innen zu den Nazis
Von Anfang an nutzten lokale Neonazis den Konflikt für eigene Aktionen. Nicht zufällig meldete die NPD den ersten Anti-Moschee-Aufmarsch an. Auf den späteren Demonstrationen der ipahb liefen neben den bürgerlichen Rassist_innen immer auch eine Vielzahl von Neonazis aus dem Kameradschafts- und NPD-Spektrum mit. So griff eine Gruppe Neonazis am 11. Juli 2007 nach einer ipahb-Demonstration mehrere Gegendemonstrant_innen an und verletzte sie. Mit dabei unter anderem der Vorsitzende der Pankower NPD. Die halbherzigen Distanzierungen der Moschee-Gegner_innen von den Neonazis konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie teilweise mit den selben, aus einer rassistischen Motivation abgeleiteten Argumenten auf die Straße gingen.
Die Aussicht
Dass die Moschee nun gebaut und voraussichtlich Ende des Jahres eröffnet wird, weder die Mobilisierung tausender Bürger_innen noch die Klagen der ipahb oder die Sabotageaktionen der Neonazis zu einem Erfolg geführt haben, hat inzwischen den Effekt, dass die Anti-Moschee-Aktionen seltener werden und deutlich schlechter besucht sind.
Die Heinersdorfer_innen scheinen sich zähneknirschend mit ihren neuen Nachbarn abgefunden zu haben. Vorraussichtlich wird der ipahb-Protest spätestens nach einer letzten Mobilisierung zur Moschee-Eröffnung in sich zusammenbrechen. Er hat jedoch eines klargemacht: Wie aktuellere Beispiele aus Reinickendorf oder aus Köln-Kalk zeigen, reicht eine relativ kleine Initiative, die rassistische Vorurteile mit populistischen Parolen geschickt bedient, um einen latent vorhandenen Rassismus anzusprechen und größere Teile der Bevölkerung gegen das sogenannte Fremde zu mobilisieren. Solche Aktionen im speziellen und Denkmuster im allgemeinen müssen daher Ziel unserer Kritik sein.
Paul Fritsch, Juni 2008
Emanzipative Antifaschistische Gruppe [EAG-Berlin]
Dieser Beitrag erscheint zu den Schulprojekttagen 2008 der Bildungsinitiative engagierter Schüler_innen (BeS), die seit dem 16. Juni in Berlin-Pankow stattfinden. Infos: www.jup-ev.org/bes
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
zweierlei mass?
@3:23
Nichts. Rein gar nichts. Wir haben ALG2, wir haben Studiengebühren, wir haben Stasi 2.0. Und keine Demo der Welt wird was daran ändern (jedenfalls nicht so wenn man nach deutscher Normdemoleitkultur "kraftvoll", "kämpferisch" und "zahlreich" demonstriert... In Bolivien bringen Demos was, aber da geht es auch entsprechend krasser zur Sache).
Weil die Regierungen es mit *unserem* Protest genauso machen wie wir mit dem der Schwarzbraunen: bißchen dagegenzecken, und vor allem: aussitzen. Wenn es bis zur Wahl die Masse wieder vergessen hat, ist jeglicher Protest ziemlich inkonsequentiell.
Aber Freiräume *schafft* mensch halt.
@tagmata / Ich bin nicht Deiner Ansicht!
Ey, H-A-L-L-O: Schau doch mal nach Berlin, da wurde das Mietvertag für die so Hart umkämpfte Köpi verlängert!!
Das ist auch ein großer Erfolg für die Linke!
Du siehst also das es schon einen Sinn hat zu Demonstrieren und sich zu engagegieren, mensch muss nur entscheiden wofür es einen Sinn hat sich zu engagegieren!
@tagmata
nur sollte man sich von vorgegebenen ritualen verabschieden.
z.b.außenwirkung
die meißten demos haben keine oder nur negative außenwirkung(krawalle,ja aber zur richtigen zeit am richtigen ort)
dann diese zettelwirtschaft,die flyer haben ellenlange texte und werden nur innerhalb der demo verteilt und liegen dann ungelesen an startort auf dem boden.
dann die selbstabgrenzung der linken gegen alles normale,so spricht man keine bürger an.
ein lichtblick die clownsarmy,aber solange demos nur selbstzweck sind wird sich keine normalbürger dafür intressieren.
z.b. black block es gibt demos wo militanz erwünschtes mittel ist aber bei sogenannten bündnisdemos machen sie den normalos nur angst und da stellt sich die frage warum potenzielle sympathisanten angst haben sollten.das verhalten der autonomen provoziert meistens polizeieinsätze oder umgekehrt aber so krieg ich meine nachbarn nicht dazu uns zu unter stützen.
hier müssen ganz klar neue wege her mehr kundgebungen und infotische in den fußgängerzonen mit überschaubaren "menschen massen"das macht den bullen schwer fünf wawes aufzufahren.
radioballet,5- 10 kleindemos bis 50 leut an verschieden orten .usw usw
und vor allem immer in die eikaufsstraßen
Frage
Gibts wo ein linkes Forum wo das diskutiert wird?
Sehr schön
@frage zu
Die Linke und die Kirche
Bei dieser Linken kommt mir die Kotze hoch!
@sehr schön
Ein Beispiel:was würden wir machen, wenn eine christliche Sekte versuchen würde, die Erziehung unserer Kinder zu beeinflussen, die Lehrpläne in den Schulen abzuändern, sodass nun "Kreationismus" gelehrt wird, und dass die Erde erst 6000 Jahre alt ist, und dass alle Religionen außer der eigenen für den Teufel sind, dass Frauen nur die Hälfte eines Mannes wert sind, dass man Homosexuelle am besten töten sollte usw? Genau, wir würden dagegen Sturm laufen, weil es sich um eine menschenverachtende, rückwärtsgewandte Ideologie handelt. Boa, und wie wir dagegen Sturm laufen würden!
Was tun wir aber, wenn derartige Inhalte in Moscheen und Koranschulen gelehrt werden (wofür es in vielen Fällen genug Beweise gibt)? Richtig: nichts!
Und warum nicht? Weil Weggucker wie du hier den Ton angeben.
Schönen Abend noch.