Ermüdungserscheinungen in Berlin-Heinersdorf

Emanzipative Antifaschistische Gruppe (EAG) 17.06.2008 02:18 Themen: Antifa Antirassismus
Es ist inzwischen ruhig geworden um den geplanten Bau der Moschee an der Autobahnauffahrt in Pankow-Heinersdorf. Vergessen ist jedoch nicht die rassistische Mobilisierung der Moschee-Gegner_innen, die noch vor wenigen Monaten bundesweit Schlagzeilen machte. In Erinnerung bleiben erregt diskutierende Heinersdorfer_innen, die befürchteten, „dass der Russe die ganzen Häuser aufkauft“ und Demonstrationen, bei denen mehrere tausend Bürger_innen zusammen mit jugendlichen Neonazis und NPD-Kadern öffentlich klarmachten, dass sie nichts „Fremdes“ in ihrer Gegend wollen. Zeit, einen kleinen Blick zurück auf die Ereignisse und die Beteiligten zu werfen.
Die Zusammensetzung der Proteste
Es ist wie ein Déjà Vu. Die Argumente von Moschee-Gegner_innen in der gesamten Republik, die Diskussionen um eine geplante Großmoschee in Köln wären das aktuellste Beispiel, gleichen sich teilweise bis aufs Wort. Auf den ersten Flugblättern gegen die Heinersdorfer Moschee ging es vor allem um Parkplatzmangel, Handy-Funkstörungen, Ruhestörung durch Moschee-Geräusche und aggressive Missionierungen durch Islamisten. Obwohl diese Argumente bei näherer Betrachtung keinerlei Gehalt hatten, waren sie geeignet, das Thema – gerade für die dumpfdeutsche Fraktion unter den Heinersdorfer_innen – zu emotionalisieren. Nur so ist die Eskalation bei der ersten öffentlichen Veranstaltung zum Moscheebau zu erklären. Damals, Anfang 2006, versuchten mehrere hundert Anwohner_innen sich Zutritt in eine bereits maßlos überfüllte Heinersdorfer Turnhalle zu verschaffen, die Polizei mußte die Veranstaltung schließlich absagen.

Die wortführende Initiative "ipahb" ergänzte die subtilen "Argumente" gegen den Moscheebau mit einer Rhetorik vom „kleinen Mann“, der von "den Parteien" nicht gehört würde. Der immer wieder angestimmte Slogan „Wir sind das Volk“ ist stärkster Ausdruck dieses Musters. Mit der Losung, die Heinersdorfer_innen würden von der Politik vernachlässigt und übergangen, trafen sie einen Nerv in weiten Teilen der Bevölkerung. Die ipahb wurde dabei maßgeblich von der Pankower CDU unterstützt, die die Proteste zur parteipolitischen Profilierung nutzte.

Von den Rassist_innen zu den Nazis
Von Anfang an nutzten lokale Neonazis den Konflikt für eigene Aktionen. Nicht zufällig meldete die NPD den ersten Anti-Moschee-Aufmarsch an. Auf den späteren Demonstrationen der ipahb liefen neben den bürgerlichen Rassist_innen immer auch eine Vielzahl von Neonazis aus dem Kameradschafts- und NPD-Spektrum mit. So griff eine Gruppe Neonazis am 11. Juli 2007 nach einer ipahb-Demonstration mehrere Gegendemonstrant_innen an und verletzte sie. Mit dabei unter anderem der Vorsitzende der Pankower NPD. Die halbherzigen Distanzierungen der Moschee-Gegner_innen von den Neonazis konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie teilweise mit den selben, aus einer rassistischen Motivation abgeleiteten Argumenten auf die Straße gingen.

Die Aussicht
Dass die Moschee nun gebaut und voraussichtlich Ende des Jahres eröffnet wird, weder die Mobilisierung tausender Bürger_innen noch die Klagen der ipahb oder die Sabotageaktionen der Neonazis zu einem Erfolg geführt haben, hat inzwischen den Effekt, dass die Anti-Moschee-Aktionen seltener werden und deutlich schlechter besucht sind.
Die Heinersdorfer_innen scheinen sich zähneknirschend mit ihren neuen Nachbarn abgefunden zu haben. Vorraussichtlich wird der ipahb-Protest spätestens nach einer letzten Mobilisierung zur Moschee-Eröffnung in sich zusammenbrechen. Er hat jedoch eines klargemacht: Wie aktuellere Beispiele aus Reinickendorf oder aus Köln-Kalk zeigen, reicht eine relativ kleine Initiative, die rassistische Vorurteile mit populistischen Parolen geschickt bedient, um einen latent vorhandenen Rassismus anzusprechen und größere Teile der Bevölkerung gegen das sogenannte Fremde zu mobilisieren. Solche Aktionen im speziellen und Denkmuster im allgemeinen müssen daher Ziel unserer Kritik sein.

Paul Fritsch, Juni 2008
Emanzipative Antifaschistische Gruppe [EAG-Berlin]

Dieser Beitrag erscheint zu den Schulprojekttagen 2008 der Bildungsinitiative engagierter Schüler_innen (BeS), die seit dem 16. Juni in Berlin-Pankow stattfinden. Infos: www.jup-ev.org/bes
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Die Linke und die Kirche — Der gute König (oldschool-Linker)

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