EU abschalten

knips 14.06.2008 02:53 Themen: Globalisierung Weltweit
Die Iren stimmen am 12.06.2008 gegen den "Vertrag von Lissabon". Krise der EU oder Chance für global action?
Die Grenze verläuft nicht zwischen den Menschen, sondern zwischen den Staaten!
Nationalismus abschaffen!
Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln, in allen Kategorien!
Für eine libertäre Welt!

Am 12. Juni 2008 hat im Nationalstaat Irland eine Wahl über den sogenannten „Vertrag von Lissabon“ stattgefunden. Lissabon ist eine schöne Stadt im Nationalstaat Portugal. Sie liegt zwar nicht direkt am Meer. Aber man ist ziemlich schnell dort.

Worum es bei diesem Referendum genau ging weiß ein politisch einigermaßen interessierter Mensch in Deutschland nicht so ganz genau. Muss er ja auch nicht wissen, weil Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ja schon zugestimmt haben. Und diese Organe sind demokratisch dazu legitimiert, so dass sich auch niemand übergangen fühlen darf.

In Irland mußte aber die Bevölkerung über den Vertrag abstimmen. Das sah dort die Verfassung vor. Und was haben die Irren gemacht? Nach Auszählung der Stimmen am Freitag, dem 13. haben sie offenbar gegen den „Vertrag von Lissabon“ gestimmt. Das haben im Übrigen die Franzosen und Niederländer auch schon gemacht. Da hieß der „Vertrag von Lissabon“ aber noch „Vertrag über eine Verfassung für Europa“. In Frankreich wurde daraufhin die Verfassung geändert und dann konnten Nationalversammlung, Senat und Präsident bestimmen. Und sie haben dem „Vertrag von Lissabon“ zugestimmt, obwohl das Votum der Bevölkerung anders ausgefallen war. Willkommen in der europäischen Demokratie.

Irgendwie hat das in Irland mit der Verfassungsänderung nicht hingehauen und soweit man der europäischen Springer- , Berlusconi- und Bertelsmann- Presse glauben schenken will, hat ein Konglomerat aus Linken, Rechten und katholischen Fundamentalisten bei ganz niedriger Wahlbeteiligung durch ihr NO zum „Vertrag von Lissabon“ die EU in eine tiefe Krise gestoßen. Denn der „Vertrag von Lissabon“ kann nur bei Zustimmung aller Mitgliedsstaaten in Kraft treten. So die Idee. Nun wird überlegt, die Iren nochmal abstimmen zu lassen, die Iren auszuschließen oder sonst einen Weg zu finden.

Doch worum geht es denn bei diesem ominösen „Vertrag von Lissabon“ überhaupt? Was ist so wichtig daran, dass die Regierungschefs, die EU-Kommission und selbst Cohen-Bandit nach dem eindeutigen NEIN der Iren heulen?

Die EU soll eine eigene Rechtspersönlichkeit erhalten. Sie soll Träger von Rechten werden. Inwieweit sie auch dem Einzelnen oder der Bevölkerung verpflichtet sein soll, bleibt eher vage. Insbesondere sind Grundrechte der Bevölkerung im „Vertrag von Lissabon“ nicht mehr geregelt. Inwieweit die EuropäischeMenschenrechtsCharta allgemeinverbindlich in allen Mitgliedstaaten gilt, bleibt weiterhin offen.

Doch natürlich geht es den Protagonisten des „Vertrages von Lissabon“, den Regierungschefs, den Regierungen und dem Kapital nur um eines, nämlich um mehr Macht, weniger Demokratie und größere Märkte. Hätten die Iren heute dem Vertrag zugestimmt oder hätten seinerzeit die Franzosen und Niederländer dem „Vertrag über eine europäische Verfassung“ zugestimmt wäre dies EU-weit von den Herrschenden als demokratische Legitimation ausgelegt worden. Doch gerade die demokratische Legitimation fehlt den Regierungen und der EU-Bürokratie gänzlich. Ausgelagert auf eine Institution ohne Rechtspersönlichkeit versenken spanischen und italienische Kriegsschiffe Flüchtlingsschiffe mit Afrikanern im Mittelmeer und töten Menschen. Überwachungsminister Schäuble fordert „Auffangslager aber nicht auf deutschem Boden“ in Nordafrika. Die mörderische EU-Bürokratie finanziert Marokko bei der Bekämpfung von Flüchtlingen und dem Bau der EU-Außengrenze mit Stacheldraht ausserhalb der EU.
Der Versuch der EU-Befürworter die demokratische Legitimationskette für die EU herzuleiten ist langwierig und erfolglos, solange die Bevölkerung nicht abstimmen darf. Der EU fehlt schlichtweg die Legitimation, die auch den nationalen Regierungen von Wahl zu Wahl abhanden kommt.

Selbstverständlich ist die Idee eine geeinten Europa eine feine Idee, aber das ist eine Idee aus der Zeit als in Europa die Existenz anderer Kontinente noch nicht bekannt war. Wir leben heute in einer globalisierten Welt und wollen dementsprechend mit allen Menschen global leben. Es gibt keine Grenzen, die demokratisch legitimiert sein können. Es gibt nur Menschen und keine Nationalstaaten. Und darum darf es auch nicht deren EU geben.

Und für alle die das nicht überzeugt, das credo der EU im „Vertrag von Lissabon“:

„Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Die Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (im Folgenden „Europäische Verteidigungsagentur“) ermittelt den operativen Bedarf und fördert Maßnahmen zur Bedarfsdeckung, trägt zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors bei und führt diese Maßnahmen gegebenenfalls durch, beteiligt sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung und unterstützt den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten.“
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Ergänzungen

Demokratie & Widerstandsrecht (Art. 20 IV GG)

oder HTML? 14.06.2008 - 10:37
Zum dritten und letzten Mal für diejenigen, die die aktuelle juristische Lage diesbzüglich in Deutschland interessiert. Der Vertrag von Lissabon ist auch in Deutschland noch nicht ratifiziert, weil BP Köhler hierfür die Ratifizierungsurkunde noch hinterlegen müsste. Das ist erforderlich, damit das ganze völkerrechtlich verbindlich wird. Zudem liegt derzeit noch ein Antrag auf einstweilige Anordnung (Köhler soll die Urkunde auch nicht hinterlegen dürfen) sowie Organklage und Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen den Vertrag von Lissabon. Auch wenn mal an dieser Stelle vorsichtig offen bleiben muss, was von insbesondere Gauweiler/Schachtschneider/Murswiek sonst so zu halten ist, folgendes:

"Der Staatsrechtler Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider wird Gauweiler [in der Verfassungsklage gegen den Vertrag von Lissabon vor dem Bundesverfassungsgericht] vertreten. Schachtschneider bezeichnete den Vertrag von Lissabon als „Anschlag auf die Demokratie“:

- Erstens würden die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden unterlaufen.
- Zweitens entmachte der Vertrag das Volk als Souverän in allen Mitgliedstaaten.
- Und drittens ermächtige der Vertrag durch Artikel 48, Abs.6 den Europäischen Rat im „vereinfachten Änderungsverfahren“ zur „Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen [...] über die Arbeitsweise der EU.“

Das heiße laut Schachtschneider, der nicht demokratisch legitimierte Europäische Rat könne die Bestimmungen des Vertrages und damit die Regeln, nach denen Politik und Gesetze gemacht werden, abändern, ohne dass die nationalen Legislativen oder das Europäische Parlament zustimmen müssten. Wenn der Vertrag in Kraft trete, sei „Deutschland keine Demokratie mehr“, woraus sich eine Widerstandslage nach Artikel 20 Abs. 4 des Grundgesetzes ergebe, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Klage abweisen würde. Schachtschneider bestätigte den Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche in seiner Äußerung, der Lissabon-Vertrag sei ein „Ermächtigungsgesetz“.

 http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Lissabon
(kurze Übersicht zum Thema und insbesondere sehr umfangreiche und gute Quellen)

Sehr aufschlussreich ist ebenfalls der Artikel in der Süddeutschen:
"Auf zum letzten Gefecht - diesmal in Karlsruhe"
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Gauweiler will mit einer Verfassungsklage das Inkrafttreten des EU-Reformwerks verhindern - mit der Entscheidung urteilt das Bundesverfassungsgericht auch über seine eigene Entmachtung.
Von Heribert Prantl

 http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/846/176315/

Wen das ganze juristisch interessiert, kann sich bei dem Peter Gauweiler(CSU (Igitt!!!)), der die Klagen gegen den Vertrag von Lissabon beim Bundesverfassungsgericht führt, die entsprechenden Rechtsgutachten anschauen:

 http://www.peter-gauweiler.de/ dort unter Politik/Themen: Vertrag von Lissabon

"Art. 20 Abs. 4 GG garantiert ein Recht auf Widerstand gegen jeden, der es unternimmt,
die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Mit „verfassungsmäßiger Ordnung“ im
Sinne dieser Bestimmung sind die fundamentalen Verfassungsprinzipien gemeint, die
nach Art. 79 Abs. 3 GG jeder Verfassungsänderung entzogen sind. Dieses Recht zum –
notfalls gewaltsamen – Widerstand setzt voraus, daß der einzelne zunächst ein Recht
darauf hat, daß diejenigen Handlungen, die zum Widerstand berechtigen würden, unterlassen
werden. Dieser Unterlassungsanspruch ist in Art. 20 Abs. 4 GG implizit enthalten.
Er ist dann verletzt, wenn eines der objektiven Verfassungsprinzipien beseitigt
oder dauerhaft beeinträchtig wird, die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt sind.

Zu den durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Prinzipien gehören nicht nur das Demokratieprinzip, das Rechtsstaats- und das Sozialstaatsprinzip, sondern auch der Grundsatz der souveränen Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. [...]

Die Europäische Union leidet unter einem strukturellen Demokratiedefizit. Dieses wird
durch den Vertrag von Lissabon nicht verringert, sondern tendenziell verschärft.
Der Rat der Europäischen Union kann nicht mehr hinreichende, von den Völkern der
Mitgliedstaaten abgeleitete demokratische Legitimität vermitteln. Dem stehen mangelnde
Transparenz des Entscheidungsverfahrens und eine zu lange Kette von Vermittlungsschritten
für die indirekte Ableitung der Legitimität entgegen. Vor allem aber wird die Legitimitätskette durch das jetzt als Regelfall zur Anwendung kommende
Mehrheitsprinzip für die Ratsentscheidungen unterbrochen."

aus: Der Vertrag von Lissabon und das Grundgesetz - Rechtsgutachten über die Zulässigkeit und Begründetheit verfassungsgerichtlicher Rechtsbehelfe gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon und die deutsche Begleitgesetzgebung, von Professor Dr. Dietrich Murswiek, o. Professor für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht am Institut für Öffentliches Recht der Universität Freiburg

Die Rechtsgutachten gibt in Kurz- und Langform bei dem CSU-Mukkel Gauweiler, s.o..

Hier geht's "nur" um das Demokratieproblem, der Vertrag gibt allerdings auch sonst genug Anlass im Strahl und in Regenbogenfarben zu kotzen!!!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Widerstandsrecht — halb-anarchist

Lissabon — mensch

Ich scheiße aufs Volk — Jörg Cappallo