Kassel: Rüstungsindustrie an der Universität

Thom 15.05.2008 16:19 Themen: Bildung Militarismus
Diesen Monat werden im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel im Rahmen einer Vortragsreihe Vertreter der NATO und des Rüstungskonzerns EADS referieren. Das Antimilitaristisches Bündnis Kassel kündigte Aktionen an, da militärische Propaganda an der Universität nicht erwünscht sei.
Am 19. sowie am 26. Mai werden, im Rahmen einer Veranstaltungsreihe im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Oberstleutnant Jens C. Fehler und Michael von Lowtzow zum Thema „Innovationsmanagement und Roadmapping“ referieren. Fehler ist Mitglied des politisch-militärischen NATO-Think Tanks JAPCC (Jonit Air Power Competence Centre). Von Lowtzow ist Projektleiter des Techonologie Managements Military Air Siystems von EADS Defense and Security.Organisiert wird die Veranstaltung von Prof. Marion Weissenberger-Eibl. Thema ist die Entwicklung unbemannter Flugzeuge und Drohnen, welche die NATO-Staaten seit vielen Jahren vorantreiben. Anwendung finden diese bereits u.a. von deutschen Soldaten in Afghanistan.

Hintergründe - JAPCC und EADS

Die Denkfabrik JAPCC wurde gegründet, mit dem Ziel der Bewusstseinsbildung und der Unterstützung der Kommandostrukturen der NATO durch das Erstellen „strategische[r] Konzepte sowie Führungs- und Einsatzgrundsätze für alle luftmachtrelevanten Belange (www.bundeswehr.de/portal/..., 15.05.08)“. Es gehe darum, den NATO-Streitkräften eine effektive und effiziente Nutzung der Luft- und Weltraummacht zu ermöglichen. Dafür solle militärisches, technisches und wissenschaftliches Know-How miteinander verwoben werden. So sollen auch die Veranstaltungen dem Zweck dienen, wissenschaftliches Know-How für militärische Zwecke, zukünftig nutzbar zu machen.

Der Luft-, Raumfahrtkonzern EADS, der auch eine Rüstungsparte hält und an dem die Daimler AG mit einem Anteil von 15 Prozent beteiligt ist, ist in den letzten Jahren, vor allem mit der Produktion von Streubomben negativ in die Schlagzeilen geraten. Auf einer Berliner Pressekonferenz der Kritischen Aktionäre Daimler (KAD) erklärte Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis „landmine.de“: „Unternehmen, wie die von Daimler kontrollierte EADS gehören nach wie vor zu den größten Waffenproduzenten weltweit [...].“ So produziert EADS, u.a. MLRS-Raketenwerfer, die mit einer einzigen Salve ca. 8000 Sprengkörper abschießen können, die auf einem Gebiet von einem Quadratkilometer streuen. Die große Anzahl an Blindgängern wirken wie die Verminung ganzer Landstriche. Die meisten der Opfer sind Zivilisten und vor allem Kinder. Deutschland ächtet diese Waffe zwar prizipiell, für die Bundeswehr hält die Regierung die Anwendung jedoch für legitim. Die Opfer sind ja auch nur auf der anderen Seite zu beklagen.

Militärische Präsenz an Universitäten schon längst Alltag

An der Universität Kassel leisten schon heute viele Studierende im Fachbereich Elektrotechnik ihr Praktikum in Rüstungsbetrieben ab. Bei Thyssen-Henschel entwickeln sie Programme zur „Freund-Feind Erkennung“ für unbemannte Drohnen. „Ebenso finanziert die Bundeswehr Exkursionen des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften zum NATO-Strategiezentrum in Potsdam mit Übernachtung in den örtlichen Bundeswehrkasernen“, erklärte ein Sprecher des „Antimilitarismus Bündnisses Kassel“.

Eine, diese Woche stattfindende Exkursion zum Besuch mehrerer lateinamerikanischer Botschaften in Berlin des Professors Hans-Jürgen Burchardt, der den Lehrstuhl „Internationale- und Intersgesellschaftliche Beziehungen inne hat, wurde ebenfalls von der Bundeswehr finanziert. Die Übernachtung in der Kaserne ist obligatorisch. In seiner Vorlesung „Internationale Beziehungen“ traute er sich nicht, den wahren Sponsor zu nennen. Statt dessen gab er an, dass die Exkursion ein Effekt der Studiengebühren sei.

Die Rüstungsindustrie hat in Kassel eine mehr als 100 jährige Tradition. Das Familienunternehmen Henschel & Sohn profitierte unmittelbar von der Aufrüstungspolitik im Nationalsozialismus. Heute steht die Hochschule auf dem ehemaligen Gelände der Firma. Der Standort kann auch als Symbol für die Parallelen in der Entwicklung der Rüstungspolitik gesehen werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Panzerproduktion zum größten Geschäftszweig des Unternehmens. In dieser Zeit wurden Zwangsarbeiter, u. a. aus dem nahe gelegenen Arbeitslager Breitenau für politische Gefangene ausgebeutet, um die Panzer „Tiger“ und „Königstiger“ herzustellen. 1943 bestand die Belegschaft des Henschel-Werkes zu fast 60 Prozent aus ausländischen Zwangsarbeitern.

„Gegen Militarisierung – an der Uni Kassel und Überall!“

Als Studierende an der Universität Kassel auf die Veranstaltungsreihe aufmerksam wurden, machte sich Empörung breit. „Was? Militär an unserer Uni? Kann man die nicht raus schmeißen?“, so ein Studierender. In sehr kurzer Zeit bildete sich ein Bündnis politisch aktiver Gruppen aus dem Raum Kassel.

So unterschiedliche Gruppen wie, die AG Friedensforschung an der Uni Kassel, das Allgemeine Syndikat Nordhessen, Anti-G8-Bündnis Uni Kassel, Arbeitermacht, DIE LINKE.SDS, die Initiative Freie ArbeiterInnen Union, Jugend Antifa Kassel, Revolutionär Antifaschistische Liste, Revolution und verschiedene Einzelpersonen, fanden sich, unter dem Motto „Gegen Militarisierung – an der Uni Kassel und Überall!“ zusammen.

„Wir fordern Studierende und Beschäftigte der Hochschule, sowie die lokale Bevölkerung auf, sich auf die Suche nach friedenspolitischen Alternativen zu Aufrüstungs- und Kriegspolitik zu begeben und sich gegen Instrumentalisierung Studierender, durch Militär und Rüstungsindustrie, zu wenden.“, so ein Sprecher. Des weiteren fordert das Bündnis die Leitung der Hochschule und die Professoren auf, Militärs und Rüstungskonzernen keine Plattform zu gewähren. Sie kritisieren die Tatsache, dass Militärs Raum für Veranstaltungen bekommen. Dies sehen sie als ein Resultat der Hochschulreformen, die Lehre und Forschung primär in den Dienst marktwirtschaftlicher Interessen stellt. Im Zuge dieser neoliberalen Europapolitik werde die Universität Schrittweise privatisiert und somit in den kapitalistischen Verwertungsprozess integriert. Dies zeige sich in der vermehrten Drittmittelfinanzierung, zu der die Professoren gedrängt werden. Damit sei Bildung nicht mehr dem Interesse gesellschaftlichen Wohls, sondern ökonomischen Effizienz-, Konkurrenz- und Renditeinteressen unterworfen. Kritische Wissenschaft wird so kontinuierlich zurück gedrängt.

Für den 19. und 26. Mai kündigte das Bündnis einen bunten Protest vor der Veranstaltung an. „Wir werden diese Entwicklung nicht kamplos hinnehmen.“ Ab 15.30 Uhr werde es an beiden Montagen Musik, Reden, Graffitiperformance und und andere Aktionen geben.“ Dies kann auch als ein Wiedererwachen des Politischen, im Sinne einer Verbindung von universitären und gesamtgesellschaftlichen Belangen, an der Universität Kassel gewertet werden. Die Mobilisierung im Vorfeld kann bereits als ein Erfolg gerwertet werden.



Kontakt: Antimilitaristisches Bündnis Kassel ->  Antimilitarismus@gmx.net
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Ergänzungen

Drohnen zur Überwachung

euro-police 15.05.2008 - 17:04
Eine ausführliche Übersicht mit Fotos zu Drohnen in militärischer + ziviler Nutzung findet sich hier als pdf:  http://euro-police.noblogs.org/gallery/3874/drohnen.pdf. Wo europäische Polizei inzwischen mit Drohnen herumfliegt hier:  http://euro-police.noblogs.org/category/drohnen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Bunter Protest — blub

hast ja recht — trauerkloß

Ort und Zeit — hab keinen

Schwachsinn — Daddel

Ohne Worte — Christopher