Katzhütte: Soliaktion und Farbe bei K&S

NoLager 09.05.2008 22:36 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Seit Februar protestieren die BewohnerInnen des Flüchtlingslagers Katzhütte gegen ihre Unterbringung in einer völlig maroden Barrakensiedlung mitten im Thüringer Wald. Statt Lagerunterbringung fordern sie das Recht, eigene Wohnungen zu beziehen – einschließlich eines Bleiberechts für alle. Verantwortlich für das Lager sind in erster Linie die zuständigen Behörden in Thüringen, doch auch der private Betreiber des Lagers – das Unternehmen K&S – spielt eine zentrale Rolle.
Das ist der Grund, weshalb am Donnerstag vormittag (08.05.) eine Protestkundgebung vor der Firmenzentrale von K&S in Sottrum (einem kleinen Örtchen zwischen Bremen und Hamburg) stattgefunden hat – inklusive anschließender Demo. Die Aktion kam (unerwarteterweise) auch deshalb zur rechten Zeit, weil die Ausländerbehörde erst am Vortag zum bislang heftigsten Gegenschlag ausgehohlt hatte: Nachdem sie bereits in den letzten Wochen die FlüchtlingsaktivistInnen in Katzhütte immer wieder auf unterschiedliche Weise bedroht hatte, wurden am Mittwoch die beiden Sprecher des Protests in andere Lager in Thüringen strafverlegt. Um so schöner war es, dass aus Katzhütte dennoch mehrere BewohnerInnen nach Sottrum gekommen waren (wo im übrigen auch die Katzhüter Lagerleiterin weilte...).

An der Aktion waren etwa 40 Leute beteiligt. Das ist zwar nicht viel, aber für Sottrum hat's völlig gereicht. Konkret: Die Aktion fing direkt vor der Firmenzentrale von K&S an – mit Trommeln und lauten Slogans: „Das Lager muss weg“ sowie „K&S – Lagerprofiteur“. Im Anschluss wurden verschiedene Redebeiträge gehalten. Neben konkreten Infos über das Unternehmen K&S (als dem größtem privaten Lagerbetreiber in Deutschland) gab es insbesondere zwei weitere Redebeiträge: Zum einen von einem Lagerbewohner aus Katzhütte, zum anderen von einem Flüchtlingsaktivisten aus Oldenburg, der im Oktober 2006 am Flüchtlingsstreik im Ein- und Ausreiselager Blankenburg/Oldenburg beteiligt war.

Nach der Auftaktkundgebung ging es als Demo weiter – einmal quer durch Sottrum. Sinn und Zweck der (hochsommerlichen) Veranstaltung war es, die Leute über die Machenschaften von K&S zu informieren. Denn K&S ist vor allem als Betreiber von Seniorenresidenzen bekannt –und dieses Image galt es anzukratzen. Inwieweit das in Sottrum selbst gelungen ist, sei dahingestellt. Tatsache ist jedoch, dass sämtliche Flugblätter unter die Leute gebracht wurden – und auch ansonsten schien die Demo (trotz ihrer Kleinheit) ein eher beeindruckendes Bild abzugeben.

Dreierlei ist noch anzumerken: Erstens wurde am Ende der Demo einmal mehr darauf hingewiesen, dass K&S nicht nur in Sottrum zu Hause ist – ein kurzer Blick auf die Webseite des Unternehmens macht vielmehr deutlich, dass Soli-Aktionen für die AktivistInnen in Katzhütte an ganz verschiedenen Orten über die Bühne gehen könnten:  http://www.ks-unternehmensgruppe.de. Zweitens: Bereits in der Nacht vor der Aktion hatte K&S Besuch erhalten – davon zeugten nicht nur große Farbtupfer an der Fassade des Gebäudes, sondern auch der im Eingangsbereich gesprühte Slogan „Abschiebungen verhindern“. Drittens: Die Aktion hat bei diversen Medien für Interesse gesorgt. In diesem Sinne sei an dieser Stelle die Pressemitteilung für die Aktion dokumentiert, vor allem deshalb, weil sich in ihr detailliert mit K&S auseinandergesetzt wird (es sollte allerdings nicht aus den Augen geraten, dass es sich um eine Pressemitteilung handelt und nicht um eine an AktivistInnen gerichtete Flugschrift...)

Zur Pressemitteilung (bzw. zum Flyer, der auf der Pressemittelung basiert):

K&S – Raus aus Katzhütte!

Auf ihrer Webseite stellt sich das in Sottrum ansässige Familienunternehmen K&S als „führender Anbieter beim Bau und Betrieb von Seniorenresidenzen in Deutschland“ dar. Doch der Schein trügt: Etwa 2/3 der 12.000 Wohn- und Pflegeplätze sind Betten in Flüchtlingslagern – insbesondere in Niedersachen sowie mehreren ostdeutschen Bundesländern. K&S dürfte damit der größte private Betreiber von Flüchtlingsunterkünften in Deutschland sein, so ein Experte des Niedersächsischen Flüchtlingsrats.
Die Lebensbedingungen in vielen dieser Lager sind katastrophal, so auch in der von K&S betriebenen Flüchtlingsunterkunft Katzhütte im Thüringer Wald. Bereits seit Februar protestieren dort die BewohnerInnen des Lagers. In diesem Zusammenhang ist es bereits mehrfach zur Berichterstattung in überregionalen Medien gekommen. Der von der Flüchtlingsselbstorganisation „The Voice“ unterstützte Protest richtet sich nicht nur gegen den maroden Zustand des Barrackenlagers - einer ehemaligen DDR-Sommerferienanlage. Die BewohnerInnen fordern vielmehr die sofortige Schließung des Heims und das Recht, eigene Wohungen zu beziehen.

Die Firma K&S wird aus drei Gründen kritisiert:

1. Bis heute kommt K&S nicht seinen vertraglichen Minimalverpflichtungen nach: So hat die Heimleitung wider besseren Wissens jahrelang nichts gegen die Schwarzschimmelbildung in mehreren der (unter anderem von Kindern) bewohnten Zimmern unternommen. Es hat stattdessen erst der Proteste durch die BewohnerInnen bedurft, bis Sanierungsarbeiten durch die staatliche Eigentümergesellschaft in die Wege geleitet wurden. Auch der von K&S beschäftigte Hausmeister versieht seine Aufgaben allenfalls schleppend: Ob leckende Dachrinnen oder defekte Elektroherde, Reperaturen werden entweder nicht oder nur auf mehrfache Bitten hin unternommen. Ähnliches gilt für die Herausgabe von Toilettenpapier und Hygieneartikeln: Obwohl K&S hierzu vertraglich verpflichtet ist, mussten sich die BewohnerInnen bis vor kurzem ihr Toilettenpapier überwiegend selbst kaufen. Der Hintergrund ist schlicht: K&S wird für seine Dienstleistungen pauschal pro Bett (ob belegt oder nicht) vergütet. Entsprechend fällt der Gewinn um so höher aus, je geringer die tatsächlichen Kosten sind. Laut Schätzungen liegt die aktuelle Gewinnspanne bei 10-15%.

2. Obwohl K&S keinerlei administrative Funktion hat, kooperiert die Heimleitung auf das Allerengste mit den zuständigen Ausländer- und Sozialbehörden. So hat K&S in den vergangenen Wochen permanent von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und immer wieder Versammlungen der protestierenden Flüchtlinge unterbunden. Als am Dienstag dieser Woche (06.05.) die beiden Sprecher der Katzhütter Flüchtlinge in andere Lager strafverlegt wurden, ist es bezeichnenderweise die Heimleiterin gewesen, welche in Gegenwart eines Vertreters der Ausländerbehörde den Bescheid an die Betroffenen ausgehändigt hat – inklusive eines sofortigen Hausverbots für Katzhütte! Vor diesem Hintergrund verwundern die zahlreichen Berichte nicht, wonach die Heimleitung den BewohnerInnen vor allem schikanös und in bellendem Kommandoton begegnet. Oder anders: Noch nicht einmal niedrigschwelligste sozial-psychologische Unterstützung wird gewährt, obwohl dies ebenfalls zu den offiziellen Aufgaben von K&S zählt.

3. Des Weiteren ist zu kritisieren, dass K&S überhaupt mit einer Unterbringungsform Geld verdient, welche hochgradig umstritten ist. Bereits seit Jahren stehen Lager in der Kritik von selbstorganisierten Flüchtlingen, antirassistischen Gruppen und Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel Pro Asyl. Denn die Unterbringung in Lagern ist keineswegs billiger, sie dient vielmehr der systematischen Isolation und Zermürbung von Flüchtlingen. Auf diese Weise soll deren Bereitschaft gestärkt werden, Deutschland „freiwillig“ zu verlassen – ein Zusammenhang, den nicht zuletzt der Niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann immer wieder hervorhebt. Mit anderen Worten: K&S leistet durch seine Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer zutiefst inhumanen Politik. In diesem Sinne kann kein Zweifel daran bestehen, dass für die in Katzhütte (unfreiwillig) untergebrachten Flüchtlinge das Firmen-Motto von K&S geradezu zynisch klingen muss: „Der Mensch steht im Mittelpunkt. Unser Ziel ist es, Zufriedenheit, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der von uns betreuten und gepflegten Menschen zu erreichen.“

Die Kritik an K&S wiegt um so schwerer, als K&S bereits seit langem im Flüchtlingsgeschäft tätig ist: Gegründet wurde K&S 1981 von einem ehemaligen Oberleutnant der Bundeswehr – unter dem anfänglichen Namen VUB („Verpflegung, Unterbringung, Betreuung“). Lange ist der Betrieb von Flüchtlingslagern der einzige Geschäftszweig von K&S gewesen, in diesem Zusammenhang hat K&S immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Erwähnt sei etwa, dass K&S mehrere Jahre lang Betreiber der berühmt-berüchtigten Dschungelheime Tramm und Peeschen in Mecklenburg-Vorpommern gewesen ist – ehemaligen, mitten im Wald gelegenen Kasernenkomplexen, welche erst auf öffentlichen Druck hin endgültig geschlossen wurden. Mit anderen Worten: Dass K&S heute ein führender Anbieter von Seniorenresidenzen ist, verdankt das Unternehmen nicht zuletzt seinen jahrzehntelangen Gewinnen aus dem Flüchtlingsgeschäft.



Lager schließen – in Katzhütte und überall!
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Ergänzungen