Stolberg: Es ist erschreckend aber wahr

AntifaschistInnen aus Aachen 08.04.2008 13:04 Themen: Antifa
Stolberger Zustände. Eine vorläufige Einschätzung zu den Naziaktivitäten vor und nach dem Vorfall am 4. April in Stolberg.
Was war?
Was bis zu diesem Zeitpunkt bekannt ist: Im rheinländischen Stolberg bei Aachen stieß am Abend des 4. April. 2008 eine Gruppe, in der sich Neonazis befanden, welche zu diesem Zeitpunkt von einer NPD Veranstaltung kamen, auf eine andere Gruppe, in der sich auch Migranten befunden haben. Zwischen diesen Gruppen kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, in deren Zuge ein Mensch aus ersterer Gruppe erstochen wurde.
Wie die Eskalation verlief, wissen wir nicht. Auch nicht, ob die instrumentellen Behauptungen der bundesdeutschen Naziszene stimmen, der Getötete sei einer der ihren gewesen.
Was wir aber wissen, ist, dass sich in letzter Zeit in Aachen, im Kreis Aachen, in Düren und in Stolberg die extreme Rechte massiv formiert. Etliche Übergriffe und Angriffe, eine immense Steigerung des Bedrohungsszenarios erreicht in den Tagen nach der Auseinandersetzung ihren gefährlichen Höhepunkt. Erst letzte Woche griffen NeofaschistInnen der Kameradschaft Aachener Land, der NPD, der AG Rheinland – erfolglos – eine antifaschistische Demonstration in Aachen an, die sich gegen die zunehmende Gewalt von Rechts richtete. In den Tagen danach wurde immer wieder von gewaltsamen wahllosen faschistischen Übergriffen berichtet.

Stolberg war immer schon eine Hochburg der Neonaziszene im Kreis Aachen.

Was geht?
Die Auseinandersetzung in Stolberg mit tödlichem Ausgang wird nun von der extrem rechten Szene dazu genutzt, rassistische Pogromstimmung zu schüren. Zuvor war die Szene durch kritische Berichte der Presse über die zunehmende Zahl rechter Übergriffe in die Defensive geratenen. Seit dem Wochenende aber versucht die örtliche extrem Rechte, ihre rassistische Gewalt offensiv mit dem Tod des jungen Mannes zu legitimieren. Längst ist in den migrantischen Communities die Message des gegen sie gerichteten Slogans „Wir kriegen Euch alle!“ angekommen. Der rassistische Hass entlud sich auf einer spontanen Demonstration der Neonaziszene NRW’s letzten Samstag (05.04.08) in Stolberg. An migrantischen Einrichtungen, von MigrantInnen bewohnten Häusern, an Gemüseläden und Geschäften skandierten Neonazis Parolen wie: „Kein Vergeben, kein Vergessen, Türken haben Namen und Adressen“. Noch deutlicher werden ihre Vernichtungsphantasien in Internetforen, in denen Vergasung („INS GAS MIT DEM GANZEN AUSLAENDER UNGEZIEFER - RADIKAL UND GNADENLOS“), brennende Häuser und weitere Mordgedanken propagiert werden.
Im gleichen Atemzug wird von denselben AutorInnen der „deutsche Opfermythos“ bemüht. Die Hetzenden zeichnen dabei ein Bild von ständiger Verfolgung „der Deutschen“, der NationalistInnen durch MigrantInnen, durch Linke und durch eine breite Öffentlichkeit, gegen die sie sich gemeinsam, entschlossen und gewaltsam zur Wehr setzten müssten.
Die Mythologisierung des Toten ist bereits vollzogen. Längst gilt er der bundesdeutschen Neonazi-Szene als ‚Held, der für Deutschland fiel’, als ‚Soldat, im Kampf ermordet’, als ‚Märtyrer für die national(sozialistisch)e Sache’. Was die Neonazi-Szene gerade versucht, ist ein symbolisches Datum, ein Großereignis zu konstruieren, mit dem bundes- wenn nicht europaweit ein Aufmarschanlass geschaffen werden kann.

Längst fällt in Naziforen das Stichwort: Salem.
In Salem, einem Vorort Stockholms, wurde im Jahr 2000 ein junger Neonazi in einer Auseinandersetzung mit MigrantInnen umgebracht. Das aktuelle Vorgehen der deutschen Nazis weist Parallelen zu der Strategie schwedischer Neonazis auf. Auch in Schweden wurde der Tote umgehend zum Märtyrer stilisiert. Seitdem findet dort jedes Jahr einer der größten NS-Aufmärsche Europas statt (2005, 2007). Da es neonazistischen Organisationen anfangs gelang, ihren Aufmarsch als einen Trauermarsch darzustellen, haben weder Öffentlichkeit noch Gemeindeverwaltung reagiert.

Aber zurück nach Stolberg/Aachen.
Von Nazi-Kreisen wird rassistische Propaganda, werden Aufmärsche momentan ebenso als Trauerarbeit verkauft. Die deutsche bürgerliche Öffentlichkeit schweigt aus Gründen falsch verstandener Pietät. Keine Regung des Protestes, des Widerstands gegen den Naziaufmarsch, gegen die Instrumentalisierung des Vorfalls durch NPD und Kameradschaften war am vergangenen Samstag zu sehen. Unterdessen werden auf Aachener Nazihomepages Photos und Namen von vermeintlich an der Auseinandersetzung Beteiligten veröffentlicht. Lynchmord und Selbstjustiz wurden bereits mehrfach gefordert – auf der Nazidemonstration auch von offiziellen Vertretern der NPD.
Nach den Vorfällen wurde sowohl in Stolberg, als auch in anderen Städten spontan von Nazis demonstriert. Längst haben Neonazikader wie Christian Worch Blut geleckt und sich in die Debatte eingeschaltet. Viel zu verlockend scheint der Anlass zu sein, fast freudig wird diese Situation, oder besser, das Konstrukt dessen als „deutsche Normalität“ verkauft, als ‚Beweis’ für einen ‚Kampf der Kulturen’, der unablässig von der politisch Rechten propagiert und geschürt wird. Die ApologetInnen des Rassismus entwerfen ein Szenario, nach dem Rassismus Reaktion auf migrantische Gewalt sei.
Für kommenden Samstag, den 12.4, rufen AG Rheinland und Worch zu einer weiteren Demonstration auf. Diese soll am Mühlener Bahnhof, also im migrantischen Viertel Stolbergs beginnen. Am 26.04 will zudem die NPD erneut ihre faschistoide Hetze in Stolberg auf die Strassen tragen.
Was stattfand, in Stolberg, in Marburg, Mannheim etc. und erneut stattfinden wird, sind keine Trauermärsche, sondern schlicht rassistische Hetzkampagnen der NS-Szene.
Aus dem in U-Haft Sitzenden, einem Staatenlosen, wird mal ein Syrer, mal ein Libanese, mal ein Türke, Russe, allemal ein ‚Ausländer’, je nachdem vor welchem Haus mensch gerade steht. Und je nachdem welche Parole mensch sprüht. In der näheren Umgebung des Tatortes haben es sich die Nazis leichter gemacht und ein metergroßes Hakenkreuz geschmiert. Aus Trauer, versteht sich.
Zu schweigen, nicht Stellung zu beziehen gegen die rassistische Hetze oder gar diese zu verharmlosen, heißt: Nazis den Raum zu überlassen, dieses Ereignis, das Thema für ihre menschenverachtende, faschistische, vernichtende Politik zu besetzen. Auch wenn es einem breiten Teil der bürgerlichen Öffentlichkeit gerade schwer fällt, Stellung gegen die zu beziehen, die sich als ‚FreundInnen’ und/oder ‚KameradInnen’ des Getöteten vermarkten, so ist eine klare Positionierung gegen Rechts dringend notwendig – nicht zuletzt um zu verhindern, dass die Region jährliche Pilgerstätte für Neonazis wird.

What’s left?
In den nächsten Tagen mehr Infos zu geplanten Aktionen gegen die Naziaufmärsche am 12.4. und 26.4.2008 in Stolberg. Checkt Indymedia…
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Ergänzungen

Antifaschistische Großdemo?

Pat 08.04.2008 - 15:24
Man sieht, dass dieses Ereignis viele Menschen bewegt. Insbesondere die Eltern und wahren Angehörigen versuchen, sich gegen die Vereinnahmung und Instrumentalisierung des Vorfalls zu wehren. Nebenbei habe ich nicht nur den Eindruck, dass Nazis den Tag besetzen möchten. Sie scheinen auch der Versuchung nahe, zu eskalieren.

Willfährige Wegbereiter sind die Hetzblogs Altermedia und Politicallyincorrect (die sich *im wesentlichen nicht*, sondern nur in der Haltung gegenüber Israel und den USA unterscheiden. Vermutlich geht es bei PI um die Bewahrung der "political correctnes".). Die Inhaltliche Tendenz beider Blogs zu diesem Thema ist die gleiche, beide sprechen den Medien die Kompetenz zur Berichterstattung ab. Lediglich die Tendenz zur Gewaltverherrlichung ist bei PI nicht ganz so stark ausgeprägt. Beide Blogs konstruieren einen politischen Mord bzw. einen Mord mit politischer Dimension, wobei bereits klar ist, dass die tat nicht politisch motiviert war, und noch immer unklar ist, ob es Mord war, oder sogar Notwehr. Man weiß es noch nicht.

Ich finde, dass eine größere Demonstration ohne spezielle politische Stoßrichtung, die lautstark die Anliegen der Angehörigen und Freunde des Opfers zu Wort bringt, sinn macht.

 http://klarmann.blogsport.de/2008/04/07/rechts-freunde-und-eltern-des-angeblichen-neonazis-fordern-ende-der-luegen/
 http://www.aachener-zeitung.de/sixcms/detail.php?template=az_detail&id=483335&_wo=Lokales:Stolberg

Gegen Völkerhass und Rassismus

Sozialistsiche Deutsche Arbeiter Jugend 08.04.2008 - 16:42
Pressemitteilung der SDAJ Rheinland Westfalen zum Todesfall in Aachen

In der Nacht zum Samstag, dem 5.April, wurde kurz vor 23 Uhr ein 19-jähriger aus Eschweiler auf der Birkengangstraße in Stolberg bei Aachen niedergestochen und starb wenig später. NPD und so genannte „Autonome Nationalisten“ vereinnahmten den jungen Mann sofort als Kamerad und Sympathisant, erklärten sofort „Überfremdung“ und „kriminelle Ausländer“ zur Ursache. Am Samstag nutzten beide Gruppen den Vorfall für eine Kundgebung mit rassistischen und faschistischen Parolen.


Als Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend bedauern wir den Tod des jungen Mannes. Er wurde das Opfer der Politik und Stimmungsmache von NPD und Anhängern. Diese verfassungsfeindliche Partei sowie die ihr angegliederten Schlägertruppen der „Autonome Nationalisten“ stacheln zum Völkerhass auf und verbreiten Rassismus. Öffentlich rechtfertigen und beschönigen sie sowohl Völkermord als auch Krieg der Hitler-Faschisten. Ihre zutiefst antihumanistische Weltanschauung basiert auf der Spaltung der Jugend, insbesondere der Arbeiterjugend. Sie schlagen Profit daraus, wenn sich Jugendliche gegenseitig totschlagen.

Für die Arbeiterjugend liegen Zukunft und Fortschritt aber in Internationaler Solidarität und Völkerfreundschaft Gewalt, Hass und Kriminalität unter der Arbeiterjugend haben ihre Ursachen in Massenarbeitslosigkeit, Armut, Perspektivlosigkeit, Konkurrenzdenken und eben auch nationalistischer Hetze. Dagegen helfen nur gemeinsame und solidarische Arbeit, der gemeinsame Kampf für die Rechte der Jugend.

Das Andenken der Toten halten wir in Ehren, indem wir die Konsequenzen daraus ziehen: Nie wieder Faschismus!

-> NPD verbieten!
-> „Autonome Nationalisten“ auflösen und zerschlagen!
-> Solidarität statt nationalistische Hetze!

SDAJ Rheinland-Westfalen

www.sdaj-rheinland.de
 Kontakt@sdaj-rheinland.de

Nazikampagne auch im Ausland

international viewer 08.04.2008 - 17:32
Auch im Ausland betreiben die Nazis an Hand dieses tragischen Todes des Jugendlichen ihre Kampagne des Martyrertods für Deutschland und sprechen von einem gezielten Mord "krimineller Ausländerbanden".
So zu finden auf dem italienischen "Novopress" und der französisch-italienischen Faschistenseite "Zentropa", wo vor allem die NPD sich in Szene bringt.
Ich hänge das infame Bild, dass zu der Nachricht auf Zentropa veröffentlicht wurde, an. Dies um den perversen Umgang der Nationalisten mit dieser sinnlosen Tat zu zeigen.

Aachener Zeitung berichtet

achnö 08.04.2008 - 22:31
Die Aachener Zeitung berichtet in ihrer letzten Ausgabe, dass es bei dem Konflikt um eine persönliche Angelegenheit ging. Titel des Artikels: "Messerstich nimmt seinen ganz harmlosen Anfang im Internet".
Des weiteren wird über die verschiedenen Nazidemos in Aachen berichtet.

siehe hierzu:
 http://www.az-web.de/sixcms/detail.php?template=az_detail&id=484561&_wo=News:Topnews&_wotest=News:Topnews&_g=Messerstich-nimmt-seinen-ganz-harmlosen-Anfang-im-Internet

Das Opfer

Is egal 09.04.2008 - 15:34
Hier ist die Studi-vz seite vom "Opfer":
 http://www.studivz.net/Profile/333ea7be2c882e33

Im Übriegen wird jetzt neuerdings auf der bekanten "Alter-Nazi-Schwachsinn" Seite auch gegen die Eltern Gehetzt da diese Einen NPD/Nasen-Trauermarsch Ablehnen.

 http://www.az-web.de/lokales/stolberg-detail-az/483335?_link=&skip=&_g=Hoert-auf-ueber-unseren-Sohn-zu-luegen

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