China und die olympischen Spiele

Rasender Reporter 11.03.2008 21:05 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe Weltweit
Die Demonstrationen begannen schon am Montag, dem Jahrestag des Aufstands gegen die chinesische Herrschaft. Nach offiziellen chinesischen Angaben verloren dabei mehr als 87 000 Tibeter ihr Leben. In den Jahrzehnten der Gewaltherrschaft über das Gebiet und seine Einwohner starben insgesamt 1,2 Millionen Menschen. Hunger, Zwangsarbeit, Haft, Folter, Hinrichtungen und die Zerstörung von 6000 Klöstern und Tempeln waren die Folgen der Besetzung und Unterdrückung.
Rückblick zum Jahrestag

Am 10 März 1959 versuchten tibetische Männer und Frauen den Dalai Lama, ihr geistiges Oberhaupt, durch ihre Präsenz vor der chinesischen Volksarmee zu schützen. Doch es gelang ihnen nicht: Der Dalai Lama floh wenig Tage darauf ins Exil nach Indien und der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Zehntausende Tibeter starben, seitdem hält China Tibet besetzt, allein 120.000 Tibeter leben seither im indischen Exil.


Festnahmen in Lhasa

Rund 60 buddhistische Mönche sind gestern bei Protesten in der tibetischen Hauptstadt Lhasa festgenommen worden. Etwa 300 buddhistische Mönche waren auf ihrem Marsch aus dem Drepung-Kloster zum weltbekannten Potala-Palast an einem Kontrollpunkt aufgehalten worden. Die Mönche hatten die Freilassung von inhaftierten Glaubensbrüdern aus chinesischen Gefängnissen gefordert. Die Sicherheitskräfte wollten die Vorfälle nicht kommentieren. Die Mönche sind an einen unbekannten Ort gebracht und der Zugang zum Deprung-Kloster versperrt worden. Auch andere Klöster in und um Lhasa sind von paramilitärischen Polizeieinheiten bewacht worden. Bei einem weiteren Zwischenfall haben neun Mönche und zwei weitere Personen vor einer religiösen Stätte in Lhasa Parolen gerufen und Spruchbänder entrollt haben. Auch sie sind verhaftet worden, meldete der Sender weiter.


Protestmarsch von Indien nach Tibet

Mehrere hundert Exiltibeter in Indien begannen einen gegen China gerichteten Protestmarsch. Unter dem Applaus tausender buddhistischer Mönche brachen sie in Dharamsala, dem Sitz des Dalai Lamas und der tibetischen Exil-Regierung auf. An dem Marsch beteiligen sich Mönche, Nonnen und Jugendliche, die überwiegend im Exil geboren wurden. Sie wollen das Land in sechs Monaten erreichen, ungefähr zum Start der olympischen Spiele. Sie setzten sich am heutigen Dienstag über ein Verbot der indischen Polizei hinweg und führten ihren Protestmarsch gegen die Besatzung Tibets durch China fort. Der örtliche indische Polizeichef kündigte an, man werde „rechtliche Massnahmen" gegen die Demonstranten einleiten, sollten sie versuchen, trotz des Verbots die Grenzen des Bezirks Kangra zu überschreiten. Der Protestmarsch könnte die Bezirksgrenze noch am Mittwoch erreichen.


Proteste und Zusammenstöße in Nepal

In der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu versammelten sich rund 3000 Tibeter in einem Tempelkomplex. Als rund 500 Menschen das Gelände verlassen wollten, um vor der chinesischen Botschaft zu protestieren, kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Sicherheitskräfte hielten die Demonstranten mit Schlagstöcken von ihrem Vorhaben ab, nachdem sie mit Steinen beworfen worden waren. Mindestens zwei Polizisten und drei Demonstranten wurden verletzt, 130 Demonstranten wurden festgenommen.


Aktionen weltweit

Auf einem Parkplatz vor der antiken Sportstätte im griechischen Olympia entzündete eine Gruppe Exil-Tibeter symbolisch eine Flamme. Die Polizei beendete die Aktion nach eigenen Angaben nach rund fünf Minuten. Zu weiteren Aktionen kam es in vielen anderen Städten auf der Welt. 921 Städte, Gemeinden und Landkreise zeigen Flagge und veranstalten Info-Aktionen zum Thema Tibet, darunter auch viele in Deutschland.


Die glücklichen Olympischen Spiele ?!

Die tibetische Oper mit dem Titel "Die glücklichen Olympischen Spiele" soll Teil einer Gala anlässlich der Eröffnung der Olympischen Spiele sein. Das BOCOG, das Beijinger Olympische Organisationskomitee, habe die Kurz-Oper, die sowohl typisch tibetische Gesangs- als auch Tanzelemente enthält, ausgewählt, teilte das Kulturamt des chinesischen Autonomen Gebietes Tibet heute mit. Die Oper in drei Akten zeigt aber auch tibetische Monologe und Trommelkünste. 90 Künstler präsentieren den dreiminütigen Opernzusammenschnitt.


China beschwört Sicherheit

Der Dalai Lama beteuerte, er wolle dennoch den Dialog mit der Führung in Peking fortsetzen. Einen Boykott der Olympischen Spiele halte er für zu radikal. China solle Gastgeber der Spiele sein. Doch die Sicherheitsbehörden scheinen derzeit Kopf zu stehen. Nun wurde islamischen Separatisten vorgeworfen, einen Anschlag auf die Olympischen Spiele in Peking geplant zu haben. «Offensichtlich hatte die Bande einen Anschlag geplant, dessen Ziel die Olympiade war», zitierte die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua den Parteichef der chinesischen Provinz Xinjiang, Wang Lequan. Er meinte damit eine Gruppe von Uiguren, die laut chinesischen Angaben Ende Januar nach einer Schiesserei überwältigt und festgenommen worden ist. Sie sollen Peking zufolge mit der Islamischen Ostturkestan-Bewegung kooperiert haben, die für einen unabhängigen muslimischen Staat in Zentralasien kämpft. Auch eine versuchte Flugzeugentführung am Freitag vergangener Woche bringen Chinas Medien mit uigurischen Separatisten in Verbindung. Sicherheitspersonal an Bord einer Maschine der Fluggesellschaft China Southern Airlines habe «einige Personen» überwältigt, die das Flugzeug auf dem Weg von Urumqi nach Peking zum Absturz bringen wollten, meldete die «China Daily» am Montag. Die chinesische Polizei hatte schnell reagiert. Bilanz der Razzia: zwei Tote und fünfzehn festgenommene islamistische Terroristen. Alle kommen aus Urumqi, der Hauptstadt der mehrheitlich muslimischen Provinz Xinjiang – alles Uiguren. Die Olympischen Spiele sind die wichtigste Bühne für die Kommunistische Partei Chinas (KPC), um zu zeigen, dass ihr System funktioniert und ein Kurswechsel in der politischen Landschaft nicht notwendig ist. 45 Prozent der Bevölkerung in Xinjiang sind Uiguren. Sie lebten dort schon bevor die Region ein Teil Chinas war.


Weitere Forderungen an China

Der Weltkongress hatte sich zwar von jeglicher Gewalt distanziert. Er verlangt jedoch wie die Demonstranten für Tibet von Peking echte Autonomie für das Turkvolk der Uiguren im Nordwesten Chinas, das wie die Tibeter seit dem Einmarsch der chinesischen Truppen in Xinjiang unterdrückt wird. China hatte versucht, auch den Weltkongress und andere friedliche uigurische Aktivisten als «Terroristen» abzustempeln. «Besonders seit dem 11. September in den USA versucht Peking, seine Verfolgung der Uiguren als Kampf gegen den Terror darzustellen», sagt Tilman Zülch von der Gesellschaft für Bedrohte Völker in Göttingen. Weder Uiguren im Exil noch Menschenrechtler wollen ausschließen, dass es vereinzelte Terrorakte von Islamisten in China gegeben haben könnte. Nachgewiesen oder genau dokumentiert sei dies aber bislang niemals, sagen sie. «Klar ist jedoch, dass China mit grosser Brutalität gegen uigurische Autonomiebestrebungen vorgeht», sagt Zülch. Schätzungsweise 17'000 Uiguren säßen derzeit aus politischen Gründen in chinesischen Arbeitslagern.


Razzien auch bei christlichen Organisationen

Am 20. Februar wurden 40 Teilnehmer einer Bibelkonferenz in der Stadt Xilinhaote in der Inneren Mongolei festgenommen. Darunter sind der Vorsitzende der Hauskirchen-Allianz in der Autonomen Region, Wang Dawei, und ein südkoreanischer Pastor, der die Versammlung leitete. Am dritten Tag der Konferenz kam es laut China Aid Association (CAA) zu einer Razzia. Rund 100 Polizisten nahmen die Teilnehmer fest, beschlagnahmten die Kollekte und über 30 Kisten mit Bibeln und anderer christlicher Literatur. Nach Angaben der CAA handelt es sich um die umfangreichste Verfolgungsaktion seit 25 Jahren. Im vorigen Jahr habe es bereits 60 Übergriffe auf staatlich nicht anerkannte Hausgemeinden gegeben, ein Zuwachs von mehr als 30 Prozent gegenüber 2006. Die Zahl der Verfolgten wuchs um 18,5 Prozent auf 788 Personen.


"Sportbund verharmlost Menschenrechtsverletzungen" !

Unterdessen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorgeworfen, schwere Menschenrechtsverletzungen in China zu verharmlosen. Es sei Schönfärberei, wenn Generaldirektor Michael Vesper trotz immer neuer Verhaftungen und willkürlicher Todesurteile von klaren Fortschritten bei den Menschenrechten in China spreche, erklärte Asienreferent Ulrich Delius (Göttingen). Unverständlich sei auch, wenn DOSB-Präsident Thomas Bach verkünde, die Öffnung Chinas habe begonnen. Statt einer Liberalisierung, habe im Vorfeld der Olympischen Spiele die Verfolgung von Tibetern, Uiguren, Falun-Gong-Praktizierenden sowie Menschenrechtlern und Wanderarbeitern zugenommen. Am 8. August 2008 beginnen in Peking die Olympischen Spiele. Bei der Vergabe 2001 hatte China zugesichert, die Menschenrechtslage entscheidend zu verbessern. Doch dies sei bis heute nicht geschehen. Es herrsche weiterhin Zensur im Reich der Mitte und rund 100 Journalisten, Internet-Dissidenten und Verteidiger der Meinungsfreiheit seien hinter Gittern, so auch die Organisation Reporter ohne Grenzen und haben wichtige Forderungen zur Pressefreiheit auf ihrer Webseite veröffentlicht. Unter anderem kann man auch Petitionen für inhaftierte Journalisten in China online unterzeichnen.

Olympia 2008 - Repressionen in China halten an:
 http://www.reporter-ohne-grenzen.de/peking-2008-ii.html
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Ergänzungen

Indische Polizei geht gegen Exil-Tibeter vor

http://www.netzeitung.de 13.03.2008 - 20:47
Bevor der Protestmarsch die Grenze zu China überqueren konnte, hat die indische Polizei die Demonstranten festgenommen. Diese stehen jetzt unter Hausarrest, wehren sich aber weiter.

Die indische Polizei hat am Donnerstag den Protestmarsch von Exil-Tibetern gegen die chinesische Besetzung ihrer Heimat und die Olympischen Spiele in Peking blockiert. Die Tibetische Volksaufstands-Bewegung (TPUM) teilte mit, am vierten Tag der Protestaktion hätten Polizisten im nordindischen Bundesstaat Himachal Pradesh nach rund 50 Kilometern die Marschroute versperrt.

Die etwa 100 Teilnehmer des Marsches, der vor den Olympischen Spielen im August nach Tibet führen sollte, seien vorübergehend festgenommen worden. Sie stünden nun unter Hausarrest und hätten einen unbefristeten Hungerstreik erklärt.

Die Teilnehmer des Marsches wollten von Indien über die Grenze nach China marschieren, um anlässlich der Olympischen Sommerspiele in Peking für die Unabhängigkeit Tibets von China zu protestieren.

Sorge um Beziehungen zum Nachbarland

Indiens Regierung hatte den Tibetern aus Sorge um die Beziehungen zum Nachbarland China untersagt, den Bezirk Kangra im Norden des Landes zu verlassen. Hauptstadt des Bezirks ist Dharmsala, die Heimat des Dalai Lama, des geistlichen Oberhaupts der Tibeter, und der tibetischen Exilregierung. Dort hatte der Marsch am Montag begonnen, dem Jahrestag des Aufstandes der Tibeter gegen die chinesische Herrschaft 1959.

Ziel des Protestmarsches ist laut TPUM, «die tibetische Freiheitsbewegung wieder zu beleben und die chinesische Besatzung Tibets zu bekämpfen». Der Tibetische Jugend-Kongress hatte kritisiert, die chinesische Regierung nutze Olympia als Plattform, um die illegale Besetzung Tibets zu legitimieren.

In seinem Exil sagte der Dalai Lama, die Welt solle im August nicht nur ihre Athleten schicken, sondern China auch an die Prinzipien Meinungsfreiheit, Gleichheit und Freundschaft erinnern. Er fordert Autonomie für Tibet innerhalb Chinas.

Friedliche Proteste "eskalieren"

Info 14.03.2008 - 19:00
Bei den schwersten antichinesischen Protesten in Tibet seit knapp zwei Jahrzehnten hat es laut Augenzeugenberichten Tote und Verletzte gegeben. Wütende Tibeter verwüsteten am Freitag in der Hauptstadt Lhasa die Läden von chinesischen Besitzern und setzten sie in Brand.

Auf dem Platz vor dem Jokhang-Tempel in der Altstadt seien Polizisten und Feuerwehrleute attackiert worden, ihre Fahrzeuge umgestürzt und angesteckt worden. "Die Polizei hat in die Menge geschossen", berichteten Augenzeugen dem US-amerikanischen Sender Radio Free Asia (RFA). "Es gab Schüsse und Tote", sagte eine andere Quelle. Ein Augenzeuge habe zwei Leichen am Barkor genannten Pilgerweg um den Jokhang-Tempel in der Altstadt gesehen. Ein Großaufgebot von Soldaten setzte am Abend eine Ausgangssperre durch.

Aus Protest gegen die chinesische Fremdherrschaft in dem größten Hochland der Erde unternahmen zwei Mönche einen Selbstmordversuch, indem sie sich die Pulsadern aufschnitten, wie der Sender RFA berichtete. Ihr Zustand galt als "kritisch". Eine genaue Zahl der Opfer gab es nicht. Die chinesische Staatsagentur Xinhua sprach nur von Verletzten. Angesichts der Eskalation rief der Dalai Lama die chinesische Regierung und die Demonstranten zur Gewaltlosigkeit auf.

Das religiöse Oberhaupt der Tibeter zeigte sich im Exil im nordindischen Daharamsala "tief beunruhigt". Die zunächst friedlichen Proteste seien "Ausdruck des tief verwurzelten Ärgers des tibetischen Volkes" unter der chinesischen Regierung. Seine Landsleute bitte er dringend darum, den Ausweg nicht in der Gewalt zu suchen. US-Präsident George W. Bush setzt sich für einen Dialog der chinesischen Führung mit dem Dalai Lama ein. Das Weiße Haus erwarte von Peking, die Kultur der Tibeter und die Unterschiedlichkeit der Volksgruppen in der chinesischen Gesellschaft zu respektieren, sagte ein Sprecher in Washington. Das Auswärtige Amt in Berlin und die US-Regierung rieten von Reisen nach Tibet ab.

Die Mönche protestierten gegen die chinesische Einmischung in religiöse Angelegenheiten und die "patriotische Erziehung" in den Klöstern. Mehrere Mönche sprachen sich bei der Aktion in Lhasa auch direkt für eine Unabhängigkeit Tibets aus. Erstmals seit 20 Jahren wurde dabei wieder eine tibetische Flagge in Lhasa geschwenkt.

Zuletzt hatte Tibet 1989 schwere Unruhen erlebt, die der damalige Parteichef der Region und heutige Staats- und Parteichef Hu Jintao mit Gewalt niederschlagen ließ. Mehrere Menschen waren damals ums Leben gekommen. "Es herrscht Chaos", berichtete eine Augenzeugin aus Lhasa. "Die Menschen hatten Stöcke und Steine in den Händen und rannten damit auf die Polizisten los." Die Polizeikräfte hätten zunächst vor der aufgebrachten Menge zurückweichen müssen. Auf am Boden liegende Feuerwehrleute hätten Demonstranten eingetreten und eingeprügelt.

Wie Radio Free Asia ergänzte, liefen Demonstranten laut Augenzeugen mit den traditionellen weißen Schals der Tibeter durch die Straßen und riefen "Befreit Tibet". Die Straßen seien gesperrt worden, so dass Angestellte in Bürohäusern feststeckten. "Niemand darf sich mehr durch Lhasa bewegen." Die drei großen Klöster seien umstellt worden. Die Ausschreitungen am Freitag konzentrierten sich zunächst auf den Platz vor dem berühmten Jokhang-Tempel und den Pilgerweg. Neben Mönchen seien auch Studenten und andere Tibeter auf dem Platz gewesen, als die Gewalt eskalierte, berichtete eine Augenzeugin. Die Demonstranten hätten die dort gehisste chinesische Flagge eingeholt. "Sie trampelten mit den Füßen auf der Fahne herum." Später wurde auch aus anderen Teilen der Stadt über Aktionen berichtet.

Peking bestätigt zehn Todesopfer

http://www.tagesschau.de 15.03.2008 - 08:54
Einen Tag nach den heftigsten anti-chinesischen Protesten in Tibet seit fast zwei Jahrzehnten haben amtliche chinesische Medien mehrere Todesopfer bei den Ausschreitungen bestätigt. Bei den gewalttätigen Protesten in der tibetischen Hauptstadt Lhasa seien zehn Menschen ums Leben gekommen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Dabei habe es sich mehrheitlich um Händler gehandelt. Ein hoher Beamter der tibetischen Regierung sagte den Angaben zufolge, die Opfer seien "alle unschuldige Bürger", die ums Leben gekommen seien, als Geschäfte in Brand gesetzt wurden.

Die Behörden setzten laut Xinhua den Teilnehmern der Ausschreitungen eine Frist bis Montag Mitternacht, um sich zu ergeben. Wer sich stelle, werde "mit Nachsicht" behandelt und könne mit Strafminderung rechnen, heiße es in einer Verlautbarung.

Unterdessen stellten sich die chinesischen Sicherheitskräfte auf weitere Protestaktionen ein. In Lhasa habe die Polizei Teile des Stadtzentrums abgeriegelt und beobachte die Situation aufmerksam, meldete Xinhua. Das Mobilfunknetz in der Hauptstadt der autonomen Region Tibet wurde offenbar unterbrochen - möglicherweise um Versuche zur Organisation von Protesten zu verhindern. Xinhua verbreitete eine Erklärung, in der sich die chinesischen Behörden überzeugt zeigten, "die soziale Stabilität Tibets" aufrechterhalten zu können. "Die Komplotte sehr weniger Personen gegen die Stabilität und Harmonie Tibets laufen dem Volkswillen zuwider und sind zum Scheitern verdammt", hieß es darin weiter.

Der Vorsitzende der Regionalregierung, Qiangba Puncog, bestritt Berichte, dass in Lhasa das Kriegsrecht verhängt worden sei. Auch hätten die Behörden bei ihrem Vorgehen gegen Demonstranten keine Schüsse abgegeben, sagte er. Lediglich Warnschüsse seien gefallen.

Viele Aufstände und Demonstrationen weltweit

Tagesschau 17.03.2008 - 14:20
"Überall, wo Tibeter wohnen, kommt es zu Aufständen"

Nach den schweren Unruhen haben die chinesischen Sicherheitskräfte in der tibetischen Hauptstadt Lhasa offenbar hunderte Menschen festgenommen. Die Polizisten gingen von Haus zu Haus und nähmen alle verdächtigen Tibeter - insbesondere junge Leute - mit, berichtete das exiltibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie in Indien. So befänden sich frühere politische Gefangene bereits alle wieder in Haft.

Um Mitternacht endet in Lhasa ein Ultimatum der chinesischen Behörden. Die Justiz hat Demonstranten mit schweren Strafen gedroht, falls sie sich bis 24 Uhr nicht freiwillig stellen.

Das chinesische Ultimatum: Die chinesischen Behörden haben den tibetischen Demonstranten ein Ultimatum gesetzt. Denjenigen, die dem Aufruf folgen, wurde Strafmilderung in Aussicht gestellt. Das heißt aber nicht, dass sobald das Ultimatum vorbei ist, Panzer auffahren und geschossen wird. Wenn die Zeit abgelaufen ist, werden die Demonstranten weiter verfolgt und wenn sie erwischt werden, hart bestraft. Je nachdem was für einer Straftat sie bezichtigt werden, kann das von Inhaftierungen bis hin bis zur Todesstrafe reichen.

"Keine Ausländer - keine Zeugen"

China forderte Ausländer auf, Tibet zu verlassen. Zudem werden keine Visa mehr für die Region erteilt. Offiziell wird die angespannte Sicherheitslage als Grund angegeben. So sagte der tibetischen Regierungschef Qiangba Puncog, "ausländischen Nachrichtenfirmen und Ausländern" werde wegen "Brandstiftung und Morden" von Reisen nach Tibet abgeraten. ARD-Hörfunkkorrespondentin Petra Aldenrath hält hingegen andere Beweggründe für wahrscheinlich: "Wenn die Ausländer weg sind, fehlen natürlich auch relevante Zeugen, die beschreiben können, mit welchen Mitteln die chinesischen Sicherheitskräfte in Tibet aufräumen", so die Journalistin.

Doch die Proteste gehen weiter

Während die chinesische Regierung davon spricht, dass sich die Lage in Tibet beruhigt, berichten Augenzeugen von Protesten, die immer wieder aufflammen. "Tausende gehen auf die Straße", sagte ARD-Korrespondent Jochen Graebert, "offenbar kommt es überall dort, wo Tibeter wohnen, zu Aufständen." In vielen Städten greife die Polizei jedoch hart durch, diese seien wie ausgestorben, auf den Straßen seien ausschließlich Sicherheitskräfte zu sehen. Autobahnen seien gesperrt. Laut Augenzeugen ließ die chinesische Regierung alle Klöster umstellen. Den Angaben zufolge rückt die chinesische Armee zudem mit einem massiven Aufgebot in die Unruhegebiete vor. Nicht nur in Tibet, sondern auch in den Provinzen Qinghai, Sichuan und Gansu hatten am Wochenende Tibeter für mehr Autonomie, Religionsfreiheit und die Wahrung der Menschenrechte demonstriert.

Unklarheit über die Opferzahlen

Weiterhin unklar ist, wie viele Menschen bislang bereits ums Leben gekommen sind. Nach offiziellen chinesischen Angaben gibt es 13 Todesopfer. Laut dem tibetischen Regierungschefs Puncog wurden 61 Polizisten verletzt. Puncog behauptete, die Sicherheitskräfte hätten nicht gezielt auf Menschen geschossen. Alle Gewalt sei von "tibetischen Unruhestiftern" ausgegangen. Er sprach von einer "Verschwörung" heimischer und ausländischer Unabhängigkeitskräfte. Angesichts der Proteste rief die chinesische Regierung einen "Volkskrieg" gegen den Separatismus aus. Die exiltibetische Regierung in Indien sprach hingegen von mindestens 90 getöteten Demonstranten. Bewaffnete Sicherheitskräfte hätten "wahllos in die friedlich protestierenden Tibeter geschossen".

"Chinesischer Volkskrieg": Der Ausdruck "China ruft einen Volkskrieg gegen die Unruhestifter in Tibet aus", sorgt in den westlichen Ländern für Verwirrung. Dieser Aufruf bedeutet nicht, dass nun ein Massaker unmittelbar bevorsteht. In China gibt es seit Jahren "Volkskriege". Das sind von der Regierung verordnete Kampagnen. Es gibt einen Volkskrieg gegen Drogen oder Prostitution und auch einen gegen Separatisten. Wer in den Augen der Regierung als Separatist gilt, wird bestraft. Je nach Vorwurf kann das Urteil dann auch die Todesstrafe bedeuten.

Razzien und Festnahmen in Tibet

Handelsblatt 17.03.2008 - 14:24
Die chinesische Polzei greift hart durch: Bei Razzien hat die Polizei in Lhasa nach exiltibetischen Angaben einige hundert Tibeter festgenommen. Indes wehrt sich das IOC weiter gegen einen Olympia-Boykott.

Die Unruhen haben nach Angaben des tibetischen Regierungschefs Qiangba Puncog „schwere Schäden und einen großen Verlust an Menschenleben“ verursacht. Auf einer Pressekonferenz in Peking sprach er von einer „Verschwörung heimischer und ausländischer Unabhängigkeitskräfte“. Die separatistischen Bemühungen seien „zum Scheitern verurteilt“.

Tibets Regierungschef berichtete von 13 getöteten unschuldigen Bürgern. Wie viele Tote es unter den tibetischen Demonstranten gegeben habe, ließ er offen. Qiangba Puncog widersprach aber exiltibetischen Angaben über rund 90 Tote. Die Unruhen seien von dem exilierten religiösen Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, „vorsätzlich geplant“ gewesen. Qiangba Puncog zeigte sich „empört“, dass der Dalai Lama und einige andere im Westen „den zerstörerischen Amoklauf der Randalierer als „friedliche Proteste“ beschreiben“.

Er bestritt, dass das Feuer auf Demonstranten eröffnet worden sei. „Die Sicherheitskräfte haben im Umgang mit den Zwischenfällen die ganze Zeit hindurch Zurückhaltung gezeigt.“ Bei ihrem Einsatz seien 61 Polizisten verletzt worden, davon sechs schwer. Die Randalierer hätten die Polizisten „extrem brutal“ angegriffen. An 300 Stellen in Lhasa seien Feuer ausgebrochen, darunter in 214 Geschäften. 56 Autos seien beschädigt oder in Brand gesetzt worden. Chinas Staatsfernsehen zeigte Bilder von Schwerverletzten im Krankenhaus.

Kleine Geschichte

Ergänzung 17.03.2008 - 21:11
Bis Anfang des 18. Jahrhunderts war Tibet eine Region ohne festgelegte Grenzen unter mongolischer Schirmherrschaft. Die 1949 gegründete Volksrepublik China drängte nach Einfluß - den sie im Mai 1951 durch ein Abkommen erhielt. Weil es das religiös-politische System und die Stellung des Dalai Lama unverändert ließ, stimmte die tibetische Regierung zu.

Die Bevölkerung erlebte die Veränderungen aber als "chinesische Okkupation", gegen die sie sich sich 1959 in einem Aufstand wehrte. Der wurde blutig niedergeschlagen. Der Dalai Lama floh.

Dann versuchte Chinas kommunistische Führung die zweithöchste spirituelle Autorität, den Panchen Lama, unter ihre Kontrolle zu bekommen. Dessen leeren Thron in Lhasa soll ein von der staatlichen Buddhistischen Vereinigung der Volksrepublik ausgesuchter Junge einnehmen. Der von Tibetern als Panschen Lama angesehene Junge ist seit seiner Entführung vor 13 Jahren verschwunden.

Als im Zusammenhang mit Maos "Großem Sprung nach vorn" auch in Tibet nach einer Art Bodenreform Bauern und Nomaden in Volkskommunen gepresst werden sollten, gab es die nächsten Unruhen.

Mit der Einrichtung der "autonomen Region Tibet" 1965 versuchte Peking, die eigene Macht zu festigen.

Ein Konzept, das immer wieder durch die weltweite Verehrung für den Dalai Lama unterlaufen wird. Für seine Politik des "friedlichen Widerstandes" wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen.

Der Dalai Lama betrachtet den Vertrag von 1951 als ungültig und schlägt seinerseits einen Friedensplan vor.

Der Sprecher des Außenministeriums in Peking bezeichnet den Dalai Lama als einen "politischen Flüchtling, der unter dem Banner der Religion seperatistische Aktivitäten" unterstütze.

Den Herrschern in Peking ist die Macht in Tibet auch deshalb so wichtig, weil sie meinen, daraus Gebietsansprüche bis hoch in den Himalaya ableiten zu können.

Mit dem Bau der technisch so beeindruckenden Eisenbahnverbindung von Peking nach Lhasa - der weltweit einmaligen Bahnstrecke auf einer Höhe von mehr als 5.000 Metern -
werden gewissermaßen Tatsachen geschaffen. Tibeter sehen darin ein Mittel zur Kolonialisierung.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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erst nach wissen kommt macht — nicht gleichzeitig

Heinrich Harrer — ...

@ Kritiker dieses Artikels — Mon Senjore

@ Jesus — Kirkuk

Die "Reporter ohne Grenzen" werden von der — (muss ausgefüllt werden)

Aha — Ikarus

Hurra Hurra, der kalte Krieg — gegen China ist da

Schon krass ! — Huan

Bilderserie — Meier

Chaos in der Hauptstadt — Tagesschau

Kommentar — Manfred