Bush-Mission im Mittleren Osten gescheitert

Mouin Rabbani / Rosso 18.01.2008 00:41 Themen: 3. Golfkrieg Militarismus Weltweit
In den letzten Wochen ließ die US-Administration unter George W.Bush ihre „Nahost-Diplomatie“ auf vollen Touren laufen: zunächst die groß aufgezogene Konferenz in Annapolis und nun die Israel- und Arabien-Tournee des „Peacemakers“ Bush höchstselbst. Hinter den Kulissen spielt dabei die Schaffung einer breiten und geschlossenen Unterstützerfront für eine militärische Attacke gegen den Iran eine große Rolle. Nach außen hin tönt Bush junior jedoch in der gewohnt großmäuligen Weise, er wolle und werde einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2009 erreichen und sich damit ein Denkmal setzen. Der Experte der renommierten, EU-nahen, mitte-linken Denkfabrik International Crisis Group (ICG) für den Mittleren Osten, Mouin Rabbani, sieht das etwas anders, wie er in einem Interview für die unabhängige, linke, italienische Tageszeitung „il manifesto“ vom 15.1.2008 verriet.
„Mission gescheitert. Washington stellt inakzeptable Bedingungen“

Es spricht Mouin Rabbani von der International Crisis Group: Bush hat sich als unfähig erwiesen, in Sachen Mittlerer Osten eine diplomatische Wende zu vollziehen.

Michele Giorgio – Jerusalem

Bush wird morgen über Kairo wieder nach Washington zurückkehren. Mit leeren Händen allerdings. Über die Reise des US-Präsidenten in den Mittleren Osten, bei der davon träumte, einen Kreuzzug gegen den Iran auf die Beine zu stellen, sprachen wir mit dem Analysten Mouin Rabbani vom Amman-Büro der International Crisis Group.

Kehrt Bush als Sieger nach Washington zurück?

„Das würde ich nicht sagen. Er kann nicht behaupten, dass er die Grundlagen gelegt hat, um seine Amtszeit mit einem Erfolg zu beenden. Die Ergebnisse dieser Reise waren nicht die, die er vor seiner Abreise genannt hatte. Die Informationsmedien haben ihm speziell in Israel und den Besetzten Gebieten sehr geholfen, indem sie der Öffentlichkeit den Eindruck eines Präsidenten vermittelten, der in der Lage ist, eine Wende in den Verhandlungen herbeizuführen. Dem war aber nicht so.“

Wird 2008, wie Bush sagt, das Jahr des israelisch-palästinensischen Abkommens werden?

„Die Medien haben versucht, die Version der Wirkung zu bestätigen, die Bushs Rede vom vergangenen Donnerstag ((den 10.Januar 2008)) über die beiden koexistierenden Staaten (Israel und Palästina) auf beiden Seiten haben wird. In der Praxis hat sich aber nichts geändert und wird sich auch nur wenig ändern. Israel setzt seine Politik weiter fort, insbesondere die Expansion der Siedlungen im Großraum Jerusalem und die Palästinenser schauen dem weiterhin ohnmächtig zu. Die finalen Verhandlungen haben begonnen, aber es ist schwer an ein innerhalb von gut zehn Monaten erreichbares Abkommen über zentrale Probleme wie Jerusalem, die Flüchtlinge, und die Grenzen des zukünftigen Staates Palästina zu glauben. Auch für einen willfährigen Abu Mazen ((alias Mahmud Abbas)) wäre es schwer, Abkommen über die Flüchtlingsfrage auf der Grundlage der von Bush gestellten Bedingungen zu unterzeichnen (eine Rückkehr der Flüchtlinge solle es nur in den palästinensischen Staat und nicht in die Ursprungsorte geben, die jetzt auf israelischem Territorium liegen; Anm.d.Red.), ohne sehr starke Reaktionen unter den Palästinensern hervorzurufen, die ‚Ausverkäufe’ nicht akzeptieren. Abu Mazen ist übrigens genauso schwach wie Olmert. Der israelische Ministerpräsident könnte, auch wenn er Bushs Unterstützung erhalten hat, ebenfalls in den kommenden Wochen stürzen, falls einige Regierungsparteien die Koalition, wie sie es androhen, gerade aus Uneinigkeit über die Verhandlungen verlassen.“

Am Persischen Golf ist es für Bush nicht sehr viel besser gelaufen. Ist der Kreuzzug gegen den Iran de facto gescheitert?

„Indem der amerikanische Präsident wegen des iranischen Atomprogramms Alarm schlug, hat er den Regimen in jener Region nichts Neues gesagt. Seine Worte werden jedoch die Wiederannäherung zwischen Teheran und Riad nicht aufhalten. Was Bush und die US-Administration nicht begreifen ist, dass die Golfstaaten, auch wenn sie den Iran einerseits fürchten, einen weiteren Krieg mit verheerendem Ausgang, wie den angloamerikanischen Einmarsch im Irak, noch mehr fürchten. Fürsten und Monarchen der Golfstaaten haben ihr Bündnis mit den USA bekräftigt, aber innerlich sind sie davon überzeugt, dass es möglich ist, mit Teheran eine Übereinkunft zu finden und zu einem akzeptablen Zusammenleben in der Region zu gelangen.“

Die amerikanische Administration muss sich vor der Unternehmungslust des französischen Präsidenten Sarkozy in Acht nehmen, der in der Golfregion Abkommen über Dutzende Milliarden Dollar unterzeichnet hat.

„Sarkozy will mit Bush nicht auf der diplomatischen, sondern auf der ökonomischen Ebene konkurrieren. Er hat begriffen, dass er sich in der Region einschalten / festsetzen kann, indem er die Grenzen nutzt, die die Politik den Beziehungen zwischen den USA und den arabischen Staaten auferlegt. Der Kongress zum Beispiel setzt der Administration starke Bedingungen für den Verkauf von Waffen an die arabischen Staaten, um die strategische Überlegenheit, die die amerikanischen Rüstungslieferungen Israel sichern, nicht zu beeinträchtigen. Die Mitteilung an den Kongress über die Entscheidung, Rüstungsgüter im Wert von 20 Milliarden Dollar an die Verbündeten am Persischen Golf zu verkaufen, die Bush (gestern) in Saudi-Arabien angekündigt hat, kam zu spät, da Sarkozy seine Geschäfte bereits abgeschlossen hatte. Ein weiterer Reinfall für die US-Politik, den Bush mit nach Hause bringt.“

((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern: * Rosso))

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover, die sich nach mehr als 17jähriger Arbeit Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe:  http://www.freewebtown.com/antifauni/ Rubrik „Aktuelles“ bzw. die regelmäßig erneuerten Artikel, Übersetzungen und Interviews dort).
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widerlich?

immer diese doofen Aliase 18.01.2008 - 22:11
Wieso widerlich?

Antiisraelisches lese ich hier nicht raus.

Widerlich finde ich eher, dass (diesem Bericht zufolge) antiisraelisch ausgerichtete Staaten mit Waffen beliefert werden.

Dass überhaupt diese ganze Waffenschieberei fröhlich vor sich hin läuft.
Wenn "die Palästinenser" "den Israelis" aufs Maul hauen, oder "die Israelis" "den Palästinensern" die Fresse polieren, ist/wäre das schon schlimm genug.

Aber nein, beide "Seiten" werden zur 'Friedensschaffung' hochgerüstet.

Es lebe der Profit.

Und die Leute, die da die Waffen liefern, dass sind WIR.
Sie (die "Bonzen") fahren auf unseren Straßen herum, Sie (die "Kanonenrohr-Bau-Arbeiter") sind unsere Nachbarn, unsere Verwandten aus bei Stuttgart, Sie (die Aktieninhaber) sind unsere Kollegen und Chefs.

DAS ist widerlich.

Nur: wie widersetzen?
Wie damit leben?