Kölner Silvesterknastdemo

AutorIn des Beitrags 31.12.2007 23:19 Themen: Repression
Wieder mal fand in Köln-Ossendorf die Silvesterknastdemo statt...
Vor der JVA in Köln-Ossendorf fand auch 2007 wieder eine Silvesterdemonstration für ein Leben ohne Knäste statt. Etwa 80 leute hatten sich bereits um 18 Uhr um den Lautsprecherwagen versammelt und zogen (diesmal von der anderen Seite) vorbei am Grenzzaun des Gefängnisgeländes. Die in Kampfmontur anwesende und filmende Polizei nahm wegen Böllerwerfens einige Personalien auf. Leider konnte dies nicht verhindert werden.

Ansonsten wurden Redebeiträge gegen das Gefängnissystem an sich, sowie gegen die Privatisierung von Knästen und gegen den Arbeitszwang im Knast und beim Arbeitsamt gehalten. Persönliche Berichte aus dem Knastalltag und die mehrsprachigen Grussbotschaften sorgeten für Abwechslung. Besonders erfreut wurden die Redebeiträge einer anarchistischen Genossin aus Madrid aufgenommen. Musik vom Band und ergreifende Gitarrensongs rundeten das Bild ab.

Als die Demo vor den angrenzenden Einfamilienhäuschen der im Knast "arbeitenden" SchliesserInnen kam, wurden besonders viele Böller geworfen. Deren hinterm Zaun rumlaufenden Kinder wurden aufgefordert ihre Böller nicht auf die Demo, sondern auf den Knast zu schmeissen. Die Bevölkerung, vor allem die ansonsten anwesenden Familienangehörigen Inhaftierter, nahm an der Demo allerdings kaum teil.


Einen Demobericht (mit Fotos) von Silvester 2005 findet ihr auf:
 http://anarchosyndikalismus.org/abc/koeln-silvester2005/index.html

-----------------------------------------------------------------------------

Folgendes Flugblatt wurde auf der Demo verteilt:

Sklaverei in britischen Knästen eine Privatangelegenheit
In den letzten zehn Jahren ist die Gefängnispopulation in England und Wales rapide gestiegen. Der jetzige Zustand kann als Erreichen epidemischer Ausmaße beschrieben werden. Da die Regierung mit dem Zustrom von Gefangenen nicht fertig wird und sie in Wirklichkeit nicht einmal mehr unterbringen kann, soll wieder mal der Privatsektor die Rettung bringen.

Einkerkerung ist jetzt ein großes Geschäft für die neugeschaffene Bewachungsdienstleistungsindustrie, mit Konzernen wie Group 4 und Premier als Pionieren privat betriebener Gefängnisse und Securicor, die sich um Bewegungen zwischen Gefängnissen und Gefangenentransporte zum und vom Gericht kümmert.

Aber es gibt auch noch eine weitere, dunklere Seite, die nicht sofort klar wird, wenn man keinen Überblick hat. Die drei Hauptakteure sind draufgekommen, daß sie das große Geld nicht nur mit Einsperren und Bewachen verdienen können, sondern daß sie auch mit den Gefangenen selbst noch mehr Geld machen können, um ihre überquellenden Tresore weiter zu mästen.

Rehabilitationsprogramme wurden gestrichen, Ausbildungsstunden in den Ofen verbannt, und qualifizierte Handwerkskurse sind Vergangenheit. Stattdessen wurden Produktions- und Verpackungslinien eingerichtet, mit Bezahlung und Arbeitsbedingungen, die an Sweatshops in der dritten Welt erinnern. Der private Sektor beabsichtigt, Gefangene auszubeuten, um seine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, und wird in seinen Bemühungen unterstützt von Gefängnisordnungen und regeln, die alle verurteilten Gefangenen zur Arbeit verpflichten.

Und weil zwischen Gefängnis und Gefangener/m kein Arbeitsvertrag besteht, hat der/die Gefangene auch keinen Anspruch, für seine/ihre Arbeit Geld zu bekommen. Stattdessen erhalten Gefangene gewöhnlich nicht mehr als ein paar Pfund pro Woche, die vom Gefängnis als "Geschenk" definiert werden. Da sie für die Arbeitskraft nichts berechnen müssen, wenn sie sich um Aufträge bemühen, können Konzerne wie Group 4 und Premier leicht andere Mitbewerber um Marktanteile unterbieten und haben kein Problem, Aufträge an Land zu ziehen, die sonst nach Übersee gehen würden. Diese Schlupflöcher erlauben es, daß die Sklavenarbeit in britischen Gefängnissen floriert und bedeuten, daß die Produktions- und Einzelhandelsgiganten vor Aufdeckung abgeschirmt werden.

Das Thema wurde bis jetzt von Mark Barnsley [anarchistischer ExGefangener, der wegen seines Widerstands bis zu seiner Freilassung vor zwei, drei Jahren so ziemlich alle Bunker, Hochsicherheits- und Isoknäste der Insel durchprobieren mußte, Üs.] und seiner Kampagne „Gegen Gefängnissklaverei“ auf der Tagesordnung gehalten, die eine Anzahl von Mahnwachen im ganzen Land auf die Beine gestellt hat. Ohne diese Kampagne wäre der Übergang von dem, was derzeit in Britannien im Anfangsstadium ist, zur in den USA bereits installierten Vollversion nichts weiter als eine Formalität.

Auf die Gefängnisarbeit in den USA verlassen sich die großen Produktions- und Einzelhandelskonzerne mittlerweile so sehr, daß sie tatsächlich helfen, mehr Gefängnisse zu bauen, um sich billige Arbeitskräfte für die kommenden Jahre zu sichern. Ein Mangel an Gefangenen, um diese Gefängnisse zu füllen, hat dazu geführt, daß Menschen für Straftaten eingesperrt werden, für die normalerweise gar keine Freiheitsentziehung verhängt wird. Gefängnisprivatisierung und Gefängnissklaverei sind ein und dasselbe.

Mit Eurer Unterstützung für die Kampagne „Gegen Gefängnissklaverei“ können wir dieses Thema
wenigstens an die Öffentlichkeit bringen und aufdecken, was zumindest bis jetzt mehr oder weniger als Privatangelegenheit behandelt wurde.

 http://www.againstprisonslavery.org

aus:
"Direct Action" (Magazin der Solidarity Federation – britische Sektion der Internationalen Arbeiter/innenAssoziation, Nr. 30,  http://www.solfed.org.uk,  http://www.iwaait.org

Übersetzung:
Anarchosyndikat "eduCat", Köln/Bonn,  http://anarchosyndikalismus.org
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

...draussen vor dem Tore...

AutorIn des Beitrags 31.12.2007 - 23:27
hier noch ein Bildchen

Link zur IAA

Dein Name 31.12.2007 - 23:37
Leider gibt es einen Tippfehler in dem Artikel, der Link zur Website der Internationalen ArbeiterInnen-Assoziation (IAA) lautet

 http://www.iwa-ait.org

Aufruf & weitere Bilder

KeinName 01.01.2008 - 02:00

Der Aufruf zur Demo...


Der Blick in die Gefängnisse verrät mehr über die Gesellschaft, als ihr lieb sein könnte: Sicherheitsverwahrung, Vorbeugehaft, Knastprivaistierung, Abschiebehaft, immer mehr dauerhafte Einschlüsse, immer mehr Einzelhaft, das Streichen von Fortbildungsmaßnahmen und HIV-Präventionsarbeit, längere Strafen, immer mehr Gefangene in immer öfter überbelegten Knästen. Die Gefängnisse werden zunehmend zu Verwahranstalten für im Kapitalismus überflüssige oder störende Menschen. Gleichzeitig wird eine Kontrollgesellschaft mit Kameraüberwachung, biometrischer Zuordnung, Krankenkassenkarten etc. immer weiter ausgebaut.

Kriminalität wird als ein individuelles Problem betrachtet. Das zentrale Element in dieser Individualisierung ist das Gefängnis. Es ermöglicht physisch eine Gruppe der “Anderen” zu schaffen, die aus der Gesellschaft entfernt werden. Gesellschaftliche Ursachen und Konflikte, die zu einer krimiellen Normabweichung führten werden dann nicht mehr betrachtet.

Es muss darum gehen, diese Konflikte wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Die Knäste sind das zentrale strukturelle Element dieser Gesellschaftsordnung. Eine Gesellschaft ohne Knäste zu denken heißt, die Möglichkeit einer völlig anderen, freien Welt in Betracht zu ziehen. In dieser Zeit gegen Knäste zu argumentieren, gegen sie anzutreten, ist eine ungeheure Provokation. Es ist an der Zeit, mit dieser Provokation zu beginnen!

Für eine Gesellschaft ohne Knäste, Strafen, Disziplinierung, Kontrolle, Überwachung.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 7 Kommentare an

ohne knast? — ich halt

sylvesternacht — hugoegon

Knastdemo BERLIN? — frager

scheiß auf die mauern — antifa 4-ever

Nazis in Oberengstringen — Indymedia.ch

Abschlussmeldung der Polizei — Polizeibericht