Kiel: Dritter Prozesstag gegen Antifa

Antirepressionsgruppe 1. April 19.11.2007 18:45 Themen: Antifa Repression
- Dritter Prozesstag gegen Kieler Antifaschisten endet wieder mit Vertagung

- Nächster Prozesstag am kommenden Mittwoch, 21.11., 9 Uhr, Saal 4 des Amtsgericht Kiel

- Sabine Münzer: "Wir rufen alle AntifaschistInnen dazu auf, den Angeklagten während der zu erwartenden Gerichtsentscheidung zu unterstützen!"
Heute, am Montag, 19. November fand vorm Amtsgericht Kiel der nun schon dritte Prozesstag gegen den Kieler Antifaschisten statt, dem die Staatsanwaltschaft eine gefährliche Körperverletzung an einem stadtbekannten Neonazischläger vorwirft. Dieser endete nach einer insgesamt achtstündigen Verhandlung erneut mit einer Vertagung. Der vierte und voraussichtlich letzte Verhandlungstag wird schon am kommenden Mittwoch, 21. November wiederum im Saal 4 der Amtsgerichts Kiel stattfinden.

Morgens um 8 Uhr führten etwa 40 AntifaschistInnen am Hauptbahnhof eine Kundgebung durch und demonstrierten anschließend gemeinsam mit dem Angeklagten zum Gericht. Dort wurde parallel zum Prozess den ganzen Tag eine Kundgebung abgehalten. Der Gerichtssaal war wiederholt durchgehend voll besetzt mit FreundInnen und politischen WeggefährtInnen des Angeklagten.

Der Prozess war neben zwei ZeugInnenanhörungen geprägt von verschiedenen Anträgen zur Befangenheit der Richterin, zur Unglaubwürdigkeit der Neonazizeugen und zur örtlichen Begebenheit des Tatortes. Diese wurden größtenteils abgelehnt. Der Verteidiger kritisierte daraufhin, dass Gericht würde damit verhindern, dass die unvollständigen und einseitigen Ermittlungen gegen Linke in diesem politischen Prozess durch wichtige fehlende Details ergänzt würden.

Sabine Münzer von der Antirepressionsgruppe 1. April äußerte sich zum heutigen Verhandlungstag: „Nachdem die unglaubwürdigen Zeugenaussagen der Nazischläger, die damit unter anderem von einem bei ihnen gefundenen blutigen Messer ablenken wollten, schon zum Anlass für eine Repressionswelle gegen linke Aktivisten in Kiel genommen wurde, müssen diese nun auch noch dafür herhalten, einen solchen Mammutprozess vom Zaun zu brechen. Wir rechnen mit einer Entscheidung am Mittwoch. Wir rufen deshalb nochmals alle AntifaschistInnen in Kiel auf, den Angeklagten auch am vierten Prozesstag wieder zahlreich vorm und im Gerichtssaal ihre Solidarität zu demonstrieren und ihren Unmut über dieses skandalöse Justiztheater kundzutun!“


Mehr zum Thema:

Vorm dritten Prozesstag, 16.11.:  http://de.indymedia.org/2007/11/199575.shtml
Zweiter Prozesstag, 05.11.:  http://de.indymedia.org/2007/11/198601.shtml
Flugblattaktion, 02.11.:  http://de.indymedia.org/2007/11/198370.shtml
Erster Prozesstag, 19.10.:  http://de.indymedia.org/2007/10/197387.shtml
Antifaschistische Antirepressionsdemo, 13.10.:  http://de.indymedia.org/2007/10/196914.shtml
Demo-Vorabbericht, 07.10.:  http://de.indymedia.org/2007/10/196341.shtml
Aufruf, 27.09.:  http://de.indymedia.org/2007/09/195341.shtml
Prozessankündigung, 14.08.:  http://de.indymedia.org/2007/08/190791.shtml
Anklageeröffnung, 19.07.:  http://de.indymedia.org/2007/07/188346.shtml

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Ergänzungen

///REDEBEITRAG ///DRITTER PROZESSTAG///19.11.

ANTIREPRESSIONSGRUPPE 1. APRIL 19.11.2007 - 18:54
Lieber Kieler und Kielerinnen!

Sie fragen sich sicherlich, warum wir uns hier zu einer solch ungewohnten Uhrzeit zu einer Demonstration versammeln. Dies hat damit zu tun, dass wir uns den Zeitpunkt leider nicht selbst aussuchen konnten, denn wir wollen einen antifaschistischen Freund und Genossen zum Amtsgericht begleiten, wo heute der schon dritte Verhandlungstag im Prozess gegen ihn stattfinden wird. Ihm wird nach wie vor die gefährliche Körperverletzung an einem stadtbekannten Nazischläger vorgeworfen. Diese soll sich während einer Auseinandersetzung zwischen Neonazis und einer Gruppe Antifaschisten am 1. April 2006 vor einem Supermarkt in Kiel-Gaarden ereignet haben. Die damals beteiligten Neonazis kennen seinen Namen und wollen den Angeklagten als einen der Mitwirkenden erkannt haben: Einer der Neonazis stellte Strafanzeige gegen den Antifaschisten, als die am Tatort - an dem von Antifas weit und breit nichts zu sehen war- eintreffende Polizei ein blutiges Messer bei dem Neonazi fand. Seitdem durchleuchteten Polizei und Staatsanwaltschaft Teile der autonomen Antifa-Szene Kiels, führten eine Hausdurchsuchung durch und leiteten mehrere Ermittlungsverfahren ein.

Der Prozess wurde schließlich vor etwa einem Monat, am 19. Oktober eröffnet. Nachdem der Angeklagte in seiner Prozesserklärung bekannt gab, dass er nicht bereit ist, etwas zu dem skandalösen Prozess durch eigene Aussagen beizutragen, wurden die beteiligten Neonazis als Zeugen angehört. Diese widersprachen sich mehrmals und belasteten sich sogar gegenseitig. Weitere ZeugInnen konnten keine Angaben über den Verlauf oder die Beteiligten -außer der Neonazis- an der Auseinandersetzung machen. Justiz und Staatsanwaltschaft hatten nichts gegen den Angeklagten in der Hand, weshalb der Prozess auf den 05. November vertagt wurde, um weitere richterlich vorgeladene ZeugInnen anzuhören. An diesem Tag wurde die Einschätzung von AntifaschistInnen, die Ermittlungsverfahren und die Anklage seien in erster Linie ein willkommener Anlass, linke AktivistInnen zu überwachen und einzuschüchtern, bestätigt: Es kam ans Tageslicht, dass von einem unbeteiligten Zeugen am Tatort belastende Aussagen protokolliert wurden, die er nie geäußert geschweige denn beobachtet hatte. Zwei PolizeizeugInnen mussten eingestehen, von Beginn an vorverurteilt und ausschließlich gegen Linke ermittelt zu haben und reagierten dabei äußerst aggressiv auf entsprechende Nachfragen des Verteidigers. Auch der zweite Verhandlungstag endete ohne Ergebnisse und mit einer Vertagung. Heute sollen nun letzte Zeuginnen gehört werden, danach ist mit einer Gerichtsentscheidung zu rechnen.

Dass dieses Verfahren kein Einzelfall ist, sondern es in Deutschland System hat, dass Neonazis und Staat auch mal zusammenarbeiten, um einer unliebsamen Linken die Arbeit zu erschweren, zeigt ein weiterer aktueller Fall in Berlin. Auch hier wollen bekannte Neonazis den Antifaschisten Matti als Beteiligten einer militanten Antifa-Aktion erkannt haben. Nachdem Matti deshalb bereits Anfang des Jahres über 100 Tage in Untersuchungshaft saß, begann letzte Woche der Prozess gegen ihn, der diese Woche fortgesetzt wird. Ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung. Auch außerhalb der Deutschen Grenzen gibt es vergleichbaren Fälle von Repression: In Weißrussland sitzt derzeit der Antifaschist Maxim in Haft, weil er an einer Auseinandersetzung mit Neonazis beteiligt gewesen sein soll.

Dass wir der staatlichen Repression etwas entgegen setzen können, zeigte sowohl die Kampagne, die im Frühjahr zumindest Mattis Entlassung aus der U-Haft erkämpfte, als auch die Unterstützung die unser angeklagter Kieler Genosse derzeit erfährt. Am ersten Prozesstag nahmen 200 Menschen an einer Kundgebung vorm Amtsgericht teil, am zweiten begleiteten ihn 50 Menschen am frühen Morgen zum Gericht. An beiden Tagen war der Gerichtssaal mit FreundInnen und GenossInnen voll besetzt und schon am Wochenende vor Prozessbeginn demonstrierten 400 Menschen ihre Solidarität mit dem Angeklagten in der Kieler Innenstadt. All diese Aktionen haben ihm und seinem Umfeld viel Kraft gegeben, die staatliche Repression zu ertragen und auch mit dazu beigetragen, dass es zumindest bis jetzt keine Verurteilung gab. Deshalb sind wir heute früh aufgestanden, haben uns Urlaub genommen oder schwänzen die Schule, um auch an diesem voraussichtlich letzten Prozesstag nochmals den Widerspruch gegen das Justiztheater in die Öffentlichkeit zu tragen und unseren Genossen wieder zahlreich vorm und im Gerichtssaal zu unterstützen.

SOLIDARITÄT MIT DEM ANGEKLAGTEN ANTIFASCHISTEN!

Spontankundgebung am 21.11.

Antirepressionsgruppe 1. April 20.11.2007 - 08:18
Zur Begleitung des vierten und vorraussichtlich letzten Prozesstages am MITTWOCH, 21. NOVEMBER findet vorm Kieler AMTSGERICHT (Deliusstraße 22) um 8.30 UHR eine SPONTANKUNDGEBUNG statt.

Kommt vor allem wegen der zu erwartenden Gerichtsentscheidung noch einmal zahlreich ins und vors Gericht und unterstützt den Genossen!
SOLIDARITÄT MIT DEM ANGEKLAGTEN ANTIFASCHISTEN!

Ergänzung Fotos

Ergänzung Fotos 20.11.2007 - 17:27
Ergänzung Fotos:
Die Solidarischen waren alle im Saal. :)

@egal

ni un respiro! 21.11.2007 - 13:08
da hast du was falsch verstanden, mr. egal. wenn ein linker einem rechten auf die backen haut, ist das kein politischer PROZESS sondern eine politische AKTION. ok soweit?
gut. hier geht es aber um was anderes: es gab eine körperliche auseinandersetzung zwischen stadtbekannten nazischlägern und linken. wenn dann die polizei kommt, sieht was sache ist, und beginnt ohne zu wissen, was da eigentlich abgelaufen ist, ausschließlich gegen linke zu ermittlen, den nazis nahezulegen, bekannte linke auf bildern "wiederzuerkennen" und sofort und ohne auch nur ansatzweise wenigstens so zu tun, als würde es um eine wirkliche "aufklärung" der tat gemäß dem bürgerlichen gesetzbuch gehen, wenn die staatsanwaltschaft abgesprochene aussagen von besoffenen nazischlägern als "ohne zweifel glaubwürdig" bezeichnet, wenn das gericht mit zig bullen vollgestopft wird, die die zuschauerInnen wie den letzten dreck behandeln und sich aufführen als hätten sie das hausrecht über eine nach bürgerlichem demokratieverständnis "neutrale" instanz - dann handelt es sich um ein klassisches mustergültiges beispiel für einen POLITISCHEN PROZESS. es geht nicht um irgendeine wahrheitsfindung sondern um die diffamierung und kriminalisierung von linken und antifaschistischen inhalten.
kapiert? gut, sonst einfach nochmal lesen. danke!

„Aktivisten“ nahmen sich Neonazis vor

Kieler Nachrichten 24.11.2007 - 10:54
Kiel – Wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung hat das Kieler Amtsgericht einen 27-jährigen Abendschüler zu 1125 Euro Geldstrafe verurteilt. Nach Überzeugung der Richterin hatte sich der Angeklagte am 1. April 2006 als linker Aktivist an einem Rollkommando beteiligt, das zwei Skinheads vor einem Gaardener Supermarkt auflauerte.
Nach Zeugenaussagen soll es eine Übermacht von bis zu 20 „Antifaschisten“ gewesen sein, die mit Baseballschlägern und Knüppeln die beiden als Neonazis identifizierten Gegner verprügelte und mit Reizgas besprühte.

Der von gut 300 Euro Schüler-Bafög mietfrei lebende Angeklagte hatte sich während der viertägigen Hauptverhandlung weder zur Person noch zur Sache geäußert. Die Richterin stützte ihr Urteil vor allem auf die Aussage eines Begleiters der mutmaßlichen Opfer. Dieser Zeuge war im Gegensatz zu seinen verletzten Bekannten äußerlich nicht der Skinhead-Szene zuzuordnen. Bei der Schlägerei vor dem Lidl-Markt in der Werfstraße war er ungeschoren davon gekommen. Seine den Angeklagten belastende Darstellung war laut Urteilsbegründung detailreich und von persönlichem Erleben geprägt. Als weitgehend Unbeteiligter habe er keine Belastungstendenz erkennen lassen.
Auf einen minder schweren Fall erkannte die Richterin, weil die Skinheads gegenüber den zahlenmäßig weit überlegenen „Antifaschisten“ eine gewisse Kampfbereitschaft zum Ausdruck gebracht hätten: Ein Neonazi hatte beim Verlassen des Supermarktes sein Messer gezückt und später erklärt, in Notwehr auf einen der Gegner eingestochen zu haben. Somit mussten sich die Zeugen, die laut Urteil beim Verlassen des Lidl-Marktes auch hätten ausweichen können, einen Anteil an der Eskalation der Gewalt zurechnen lassen.

Nach Überzeugung von Strafverteidiger Alexander Hoffmann waren es maximal fünf Linke, die den Neonazis gegenübertraten. Der Polizei warf der Rechtsanwalt einseitige Ermittlungen vor. Vor Gericht rügte er mangelnde Akteneinsicht. Ein Befangenheitsantrag gegen die Richterin, die einen Beweisantrag zur Einführung des kriminellen Vorlebens der mutmaßlichen Opfer aus der rechten Szene abgelehnt hatte, wurde seinerseits vom Gericht zurückgewiesen.
Die Verteidigung forderte Freispruch: Der Beweis für die Tatbegehung sei nicht erbracht. Und wenn, dann habe der Angeklagte wegen des gegnerischen Messers in Notwehr gehandelt. Die Staatsanwältin wertete den Fall dagegen als sehr schwerwiegend und forderte zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Der Prozess war von mehreren Kundgebungen einer „Antirepressionsgruppe 1. April“ begleitet, die der Justiz „Kriminalisierung antifaschistischen Engagements“ vorwarf und zum Prozessauftakt rund 150 Sympathisanten mobilisierte. Das Gericht ordnete entsprechende Sicherheitsvorkehrungen an. Ein großes Polizeiaufgebot stand vor dem Gerichtsgebäude an der Deliusstraße bereit. Der Verhandlungssaal wurde abgeriegelt, jeder Prozessbesucher vor Betreten des stets bis auf den letzten Platz besetzten Zuschauerraums akribisch auf Waffen durchsucht.

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egal — vete al pups