SAR-Lupe für die Interventionsarmee

Antimil 01.11.2007 17:46 Themen: Militarismus Weltweit
Die Transformation der Bundeswehr zur "Armee im Einsatz" schreitet schnell voran. Der Aufbau eines Netzes weltweiter Aufklärungssatelliten ist ein weiterer Beitrag auf diesem Weg, der im direkten Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen etwa in Afghanistan steht. Aber auch für den Einsatz der Bundeswehr im Inland ergeben sich so weitere Möglichkeiten.
Am Morgen des 1. November wurde vom russischen Weltraumbahnhof Plessezk der dritte Spionage-Satellit des SAR-Lupe-Systems der deutschen Bundeswehr auf seine Umlaufbahn gebracht. Das System, mit dem ab 2008 Radar-Satellitenbilder von jedem Punkt der Erde in hoher – und damit militärisch besonders wertvoller – Auflösung gemacht werden sollen, fügt sich nahtlos ein in die Transformation der Bundeswehr zu einer „Armee im Einsatz“. Für globale Interventionen im Sinne deutscher oder wahlweise europäischer Interessen gewinnt die Fähigkeit, sich ein Bild von der Lage und von geografischen Gegebenheiten in möglichen Einsatzgebieten machen zu können, zunehmend an Bedeutung.

Als Beispiel kann die Mission EUFOR RDC, die angeblich zur Absicherung der Wahlen in der DR Kongo 2006 durchgeführt wurde, gelten. Hier kamen Satellitenbilder des europäischen Satelliten-Aufklärungsverbunds GMES zum Einsatz, aus denen unter anderem Karten der Hauptstadt Kinshasa erstellt wurden. Nähere Infos zum Einsatz unter:  http://europaskriege.wordpress.com/fact-sheets-zu-eu-einsatzen/fact-sheet-eufor-rd-congo/

Ausschlaggebend für die deutsche Entscheidung Spionagesatelliten zu bauen, waren die Erfahrungen des Kosovo-Krieges 1999, bei dem die deutsche Regierung mangels eigener Satelliten-Bilder auf die Hilfe der USA angewiesen war. Der Aufbau eigener Aufklärungskapazitäten in Deutschland erwächst aus dem Wunsch, mit der BW eigenständig im globalen Maßstab Kriege führen zu können. Dabei wird von Rüstungsnahen Kreisen betont, dass mit SAR-Lupe ein Stück „nationaler Unabhängigkeit“ zurück gewonnen werde, die „für viele Nationen mit gleicher politischer und wirtschaftlicher Bedeutung seit langem eine Selbstverständlichkeit“ sei (Strategie und Technik 02/07).

Auf der Einsatzebene ist der Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee schon erheblich weiter fortgeschritten. So befinden sich in derzeit neun Einsätzen, von Afrika über den Balkan bis Zentralasien verteilt, insgesamt ca. 7000 deutsche Soldatinnen und Soldaten. Wie insbesondere der Einsatz in Afghanistan zeigt, sind sie dabei durchaus an Kampfhandlungen gegen „Terroristen“ und „Aufständische“ beteiligt.

Wie der G8-Gipfel in Heiligendamm und die Diskussion um den Abschuss von gekaperten Passagierflugzeugen durch die Luftwaffe zeigt, richtet sich die Transformation der Bundeswehr bei weitem nicht nur nach außen (zu G8 und Bundeswehr:  http://www.imi-online.de/2007.php3?id=1603 ). Durch die Vermischung der inneren und äußeren Sicherheit im vermeintlich notwendig grenzenlosen Anti-Terror-Kampf wird auch die Präsenz der Streitkräfte im inneren zur Realität. Praktisch, wenn man die neuen Fähigkeiten zur „Crowd-Riot-Control“, die die Bundeswehr z.B. seit den Unruhen vom März 2004 im Kosovo gesammelt hat, demnächst auch in Deutschland einsetzen könnte. Übrigens wurden wohl auch bei den Aktivitäten rund um Heiligendamm Satellitenbilder zur Unterstützung der Sicherheitskräfte eingesetzt, beim nächsten Mal dann aufgenommen von deutschen Satelliten.

Die Rüstungsindustrie reibt sich derweil die Hände, denn für sie kommt die Transformation wie ein groß angelegtes Förderprogramm daher. Von der Ausstattung des einzelnen Soldaten über das Großgerät aller Teilstreitkräfte bis zu den erwähnten Satelliten-Systemen wird die Ausrüstung der Bundeswehr den veränderten Einsatzanforderungen für weltweite, asymmetrische Konflikte angepasst. So verschlingen Auslandseinsätze und Rüstungsprojekte Unmengen an Mitteln, die den Aufstieg der großen deutschen und europäischen Rüstungskonzerne an die Weltspitze und die Interessen der deutschen Wirtschaft und Politik in aller Welt absichern sollen.

Gegen die Transformation der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz – sowohl im Ausland als auch im Inland – gilt es Widerstand zu leisten. Gelegenheit dazu bietet sich etwa an diesem Samstag bei Demos gegen den "Notstand der Republik", die in drei Städten parallel stattfinden sollen ( http://www.jugendkongress-notstand-der-republik.de ).
Die Möglichkeit sich ausführlicher über die Transformation der Bundeswehr zu informieren und an einer stärkeren Vernetzung des Widerstands teilzunehmen, gibt es beim Kongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.


IMI-KONGRESS 2007: 10./11. November

“Innen, außen, mittendrin: Die Transformation der Bundeswehr und
Perspektiven des Widerstands“

Ort: Tübingen, Schlatterhaus, Österbergstraße 2 (Tübingen Zentrum,
beim Lustnauer Tor), Großer Saal


PROGRAMM:

Samstag 10. November: Der neue deutsche Militarismus…

12:00 Begrüßung

12:15-13:45 Das Weißbuch und die Transformation der Bundeswehr

14:00-15:30 Milliarden für den Krieg: Rüstung und Sicherheitsforschung

15:45-17:15 "Vernetzte Sicherheit" - Bundeswehr Innen, Außen und überall

17:30-19:00 Deutschlands Kampf um die letzten Tropfen… Militärische
Rohstoffsicherung

20:15 Podium: Mit der Bundeswehr um die ganze Welt: Hintergründe zu
den aktuellen Kriegseinsätzen der deutschen Armee


Sonntag 11. November: …und seine Achillesversen

09:30-10:30 Jenseits von Recht und Moral: Die Einsätze des Kommando
Spezialkräfte

10:45-11:45 Der Kampf gegen (deutsche) Militärstandorte

12:00-13:30 Die Armen in den Krieg? Sozialabbau als Rekrutierungshilfe
der Bundeswehr

Ab 13:30 Podium: Antimilitarismus muss praktisch werden! Strategien
gegen den neuen deutschen Militarismus.
Mit: Markus Gross (Bundeswehr wegtreten), Hannelore Tölke (Netzwerk
gegen Militärstandorte und deren Auswirkungen, NEMA), Tobias Pflüger
(IMI)


VORVERANSTALTUNG

Freitag 9. November 19:00-21:00: “Planet der Slums - Planet des Bürgerkriegs“



Weitere Informationen zum IMI-Kongress:  http://imi-online.de/2007.php3?id=1623
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Ergänzungen

Historische Tradition der Bundes Wehr

muss nicht ausgefüllt werden 01.11.2007 - 19:12
Es stellt sich für mich unter historischen Aspekten die Frage in was für einer Tradition die Bundeswehr eigentlich steht. In den letzen 140 Jahren lässt sich eine erschreckende Regelmäßigkeit in der Deutschen Geschichte entdecken. Als 1872 das Zweite Deutsche Reich gegründet wurde gab es passend dazu die Reichswehr. 1914 führte dieses Deutschland, mit dem von ihm verschuldeten Ersten Weltkrieg, sich selbst in die Vernichtung. Die zu Zeiten der Weimarerrepublik gegründete Wehrmacht bildete später den Grundstock für die auf Angriff ausgelegte und mit U-Boot Marine und Luftwaffe aufgerüstete Wehrmacht des Dritten Reiches unter Hitler. Auch dieses Deutschland stürzte sich mit dem von ihm begonnenen Zweiten Weltkrieg in die Vernichtung. Und dann entstand die BRD und es dauerte nicht lange bis zunächst unter dem Decknamen BGS (Bundes Grenz Schutz) dann offen als Bundes Wehr sich dieser neue Deutsche Staat wieder eine Armee zulegte. Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr gaben und geben sich alle mit dem Namen „Wehr“ als reine Verteidigungsarmeen aus. Die Tatsache allerdings, dass das letzte mal das Deutschland angegriffen wurde in die Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen und somit mehr als 200 Jahre in die Vergangenheit fällt (Napoleonische Kriege) und alle eben aufgezählte Armeen nie zur Verteidigung, sondern immer nur zum Angriff verwendet wurden, demonstriert die Falschheit die schon immer mit dem Militär und den Politikern die es unterstützen verbunden war. Die Bundeswehr und das Kommando Spezialkräfte (KSK) stellen sich in die Tradition von Wehrmacht und Waffen- SS, Reichswehr und den Preußischen "Langen Kerls".

Auftaktveranstaltung zum IMI-Kongress

Carl S. 02.11.2007 - 19:06
PLANET DER SLUMS - PLANET DES BÜRGERKRIEGES
Vorveranstaltung zum 10. IMI-Kongress
Fr. 9.11.2007, 19:00h im Keller der Schellingstrasse 6. Vorher: VoKü

Der jüngst beschlossene EU-Militäreinsatz in Tschad und der Zentralafrikanischen Republik soll offiziell dem Schutz von Flüchtlingslagern dienen - dahinter stehen freilich geopolitische Interessen. Dennoch entspricht dieser Einsatz in seiner Aufgabenstellung der Doktrin der "Menschlichen Sicherheit". Diese zu gewährleisten, sog. "Kritische Infrastrukturen" zu schützen, "Öffentliche Sicherheit und Ordnung" herzustellen, Aufständische zu bekämpfen und Fluchtbewegungen zu kanalisieren sind in der Folge eines entgrenzten Sicherheitsbegriffes zu den Aufgaben auch westlicher Militärs geworden - zunächst vornehmlich in Auslandseinsätzen.
Doch die militarisierten Sicherheitsstrukturen, die in den Besatzungsregimen auf dem Balkan, in Afghanistan und dem Irak erprobt werden, kommen zunehmend auch im Inland zum Einsatz. Auch die Soldaten westlicher Staaten stehen kaum noch feindlichen Armeen gegenüber sondern überwiegend ZivilistInnen, die der neuen Weltordnung widersprechen oder von ihr schlicht überflüssig gemacht wurden.
Unter dem Titel "PLANET DER SLUMS - PLANET DES BÜRGERKRIEGES" wird am Freitag vor dem diesjährigen Kongress der Informationsstelle Militarisierung aufgezeigt, inwiefern sich die europäischen und US-amerikanischen Armeen auf den globalen Krieg gegen die Armen und Ausgeschlossenen vorbereiten. Die Grundzüge ihrer Doktrinen werden dabei ebenso dargestellt, wie entsprechende Trainingsprogramme und Rüstungsprojekte. Eine wichtige Rolle spielen dabei Konzepte Urbaner Kriegsführung, so genannte "Nicht-tödliche Waffen", unbemannte Aufklärungssysteme und Simulationsprogramme für Bewegungs- und Reaktionsmuster von Menschenansammlungen oder ganzer Bevölkerungsstrukturen.
Hiermit soll ein globaler Hintergrund hergestellt werden für diejenigen Entwicklungen, die in den folgenden zwei Tagen auf dem 10. KONGRESS DER INFORMATIONSSTELLE MILITARISIERUNG (10/11.11.2007) anhand der Transformation der Bundeswehr explizit für Deutschland herausgearbeitet werden.

"Die Zukunft der Kriegsführung liegt in den Straßen, Abwasserkanälen, Hochhäusern und dem Häusermeer, aus denen die zerstörten Städte der Welt bestehen … Unsere jüngste Militärgeschichte ist gespickt mit Städtenamen wie Tuzla, Mogadischu, Los Angeles, Beirut, Panama City, Hué, Saigon, Santo Domingo - aber diese Zusammenstöße sind nur der Prolog des eigentlichen Dramas, das uns noch bevorsteht."
Zeitschrift des US-Army War College

"Wird das durch die Sozialhilfe definierte Existenzminimum spürbar gesenkt, verändern sich die Erscheinungsformen von Armut. In den Städten können Armenviertel entstehen, der Gesundheitszustand und die Lebenserwartung von Bevölkerungsgruppen können sinken, die Kriminalität kann steigen."
Zukunftsbericht der Freistaatenkommission Bayern/Sachsen

"Krasse Armutsunterschiede oder rasche Veränderungen in der Armutsstruktur, wie beispielsweise die Verarmung der Mittelschichten oder auch nur deren Angst davor, können unter bestimmten Umständen in Radikalisierung, Militanz und Bereitschaft zur Anwendung terroristischer Mittel umschlagen."
Bundesakademie für Sicherheitspolitik

Mehr zum Kongress der Informationsstelle Militarisierung:
 http://imi-online.de/2007.php3?id=1623

Einstiegslektüre:
 http://www.imi-online.de/download/CM-Okt07-GCW.pdf

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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