"Bild" hetzt gegen den Mindestlohn

Marcel Kunzmann 12.10.2007 21:17 Themen: Medien Soziale Kämpfe
Obwohl die Mehrheit der Bundesbürger sich eindeutig für einen gesetzlichen Mindestlohn aussprechen (laut Infratest dimap sind es rund 90%) hetzt die Bildzeitung seit geraumer Zeit genau dagegen. In "Bild" stand diese oder eine ähnliche Zahl nicht. Dafür aber seit drei Wochen Tag für Tag ein beeindruckendes publizistisches Trommelfeuer gegen den Mindestlohn im Allgemeinen und bei den Briefzustellern im Besonderen.
"Bild" vom 19. September:
MINDESTLOHN - Ist das wirklich gut für die Beschäftigten?

Nein, sagen Experten! Wirtschaftsweiser Prof. Wolfgang Franz zu BILD: "Die Erfahrung zeigt, dass Mindestlöhne Jobs kosten, vor allem bei den Geringqualifizierten. Ein Mitarbeiter darf ein Unternehmen nicht mehr kosten, als er der Firma einbringt. (…)"

Nach Berechnungen des Ifo-Instituts würde ein bundesweiter Mindestlohn von 7,50 Euro/Stunde rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland vernichten. (…)

Welche Folgen hätte der Mindestlohn für die privaten Post-Firmen?

Laut Branchenverband DVPT würden die Kosten der Betriebe dadurch deutlich steigen. Verbandschef Elmar Müller: "Von den rund 750 privaten Post-Unternehmen müßten 200 um ihre Existenz bangen." Tausende Jobs wären bedroht.

"Bild" vom 20. September:
"Bild" vom 1. Oktober:
Ein Mindestlohn für die Post-Branche würde bis zu 50 000 Arbeitsplätze vernichten, befürchtet das Bundeswirtschaftsministerium ("Spiegel").
So ging es ununterbrochen weiter. Die ganze Geschichte findet sich auf
Bildblog.de.Interessanterweise lässt Bild keinen einzigen unabhängigen Experten zu Wort kommen der sich für den Mindestlohn ausspricht. (Dabei gibt es sie durchaus, und sie verweisen zum Beispiel auf die positiven Wirkungen, die der Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt in Großbritannien und den USA gehabt habe.) Nur DGB-Chef Michael Sommer wird mit einem kurzen Plädoyer für den Mindestlohn zitiert.Doch warum tut "Bild" das?Die Axel Springer AG hat vor einem Vierteljahr für eine halbe Millionen Euro die Mehrheit an einem Privatbriefzusteller, der "PIN-AG" erworben.Das ARD-Magazin "Report Mainz" berichtete gestern über die Anti-Mindestlohnkampagnen der Springer Medien, insbesondere der "Bild".Dort sagte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, Springer spekuliere bei der PIN-AG auf Niedriglöhne, sonst gehe die Kalkulation des Unternehmens nicht mehr auf (PIN-Mitarbeiter berichteten gegenüber "Report Mainz" und "Plusminus" von Stundenlöhnen von unter 5 Euro.). Ein Sprecher der Gewerkschaft Ver.di sagte "Report Mainz", "der Druck auf die Journalisten" bei Springer, im Interesse des Post-Engagements des Verlages zu berichten, sei "sehr groß". Er sprach von "Aktionärsjournalismus".
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Ergänzungen

Demo gegen mindestlohn

BÄRliner 12.10.2007 - 22:28
gestern oder vorgestern gab es sogar eine demo von PIN Mitarbeitern gegen den mindestlohn mit parolen wie 6 euro sind genug usw. und richtig bannern usw. - organisiert von einer werbeagentur !!!!! offenbar waren und sind die mitarbeiter dieser firmen nicht informiert worum es beim mindestlohn geht bzw werden irre geführt (ein niedriger bildungsstand kommt vermutlich hinzu....)

irgendeine berliner Zeitung (hab den namen vergessen, anscheinend keine springer zeitung...) hat das ganze dann auf ihrem titelbild gebracht und deutlich als verarsche gekennzeichnet...

PIN GROUP ohne Tarifvertrag mit ver.di

für Tarifautonomie 13.10.2007 - 08:59
Den unfreiwillig satirischen Umzug gegen den Mindestlohn hat es am 09.Oktober 2007 in Berlin gegeben:
 http://jurex.euro-talk.net/PIN-Group-f16/PIN-MA-setzen-sich-dem-Gelachter-aus-t160.htm

Druck auf Beschäftigte der PIN Mail AG: Bestellte Demo gegen den Mindestlohn für Briefdienste
"Mit Behauptungen wie, Mindestlohn verhindert Wettbewerb" und "Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze" fordert die PIN Mail AG Berlin ihre Beschäftigten auf, am 9. Oktober 2007 gegen den zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband Postdienste geschlossenen Mindestlohntarifvertrag für die Postbranche während der Arbeitszeit auf die Straße zu gehen.
...
Die PIN GROUP, der auch die PIN MAIL AG Berlin angehört, behauptet, sie sei von Tarifverhandlungen zum Mindestlohn ausgeschlossen worden. Tatsächlich hatte sie seit Februar die Möglichkeit, mit ver.di einen Haustarifvertrag zu verhandeln. Bis heute hat sie die von ver.di gestellte Tarifforderung nicht bewertet und damit den Eindruck vermittelt, einen Tarifvertrag verhindern zu wollen.
...
aus Presserklärung ver.di Berlin-Brandenburg Montag 8. Oktober 2007:
 http://bb.verdi.de/presse/pressemitteilungen/showNews?id=bf02ed90-7639-11dc-44be-0019b9e321e1

Mindestlohn bedeutet, dass der Gesetzgeber vorschreibt welcher Lohn den abhänging Beschäftigten mindestens zu zahlen ist.

Mindestlohn ist für nicht organisierbare Bereiche.

Der politische Kampf um Mindestlohn ist Klassenkampf, Gewerkschaften müssen für ihre Organisierten mehr erkämpfen.

Wenn Nichtorganisierte sich auf der Straße selbst geiseln ist das ein trauriges Bild, aber auch sie werden bekommen worum sie kämpfen.

Die Missverständlichkeit von Mindestlohn ist ein gefundenes Fressen für das mobilisierende Satireblatt "Bild"

Die wesentlichere Kampange von "Bild" ist: davon abzulenken, dass Löhne durch organisierte Arbeitnehmer erkämpft werden müssen.

"Bild" ist mobilisierende Satire:

Mindestlohn - Europa - Bildungsbürgertum

Peter H. 13.10.2007 - 10:30
In 18 von 25 Eu-Ländern gab es 2005/6 einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Den höchsten gibt es in Luxemburg mit monatlich 1467 € brutto. Nur 17% der Luxemburger arbeiten für den Mindestlohn, in Frankreich sind es lediglich 13,4%. Das bedeutet, dass die Löhne darüber liegen. der Mindestlohn ist jedoch der Sockel, auf dem dann die oftmals höhren Löhne gestaltet/erkämpft/ausgehandelt werden. Nirgendwo gibt es in Westeuropa die Erfahrung, dass die Einführung des Mindestlohnes eine weitere Arbeitslosigkeit mit sich gebracht hätte. Folglich geht es ausschließlich um die Interessen des Kapitals, die ihre Profite sinken sehen, mehr ist es nicht.
Noch was zum Bildungsstand, bezüglich Einstellung zum Mindestlohn. So wie Alter nicht vor Torheit schützt, so schützt hoher Bildungsstand nicht vor Dummheit. Man braucht sich ja nur mal die Diskussionsseite bei Wikipedia ansehen, wo irgendwelche bürgerliche Intellektuelle, sich besorgt über die Einführung eines Mindestlohnes äußer(te)n.

PIN gehört Springer

Zombie Axel 13.10.2007 - 11:43
PIN AG gehört Springer.

Von meinem Vater recherchiert:

Wennä 13.10.2007 - 17:31
Ich habe mich in den letzten Tagen gefragt warum die Bildzeitung einen solchen mächtigen Kampf gegen den Mindestlohn 9,30€ bei den Postzustellern führt. Durch Zufall musste ich erfahren, dass der Springer Konzern der Hauptaktionär der PIN AG ist. ( Die Berliner *PIN AG*, 1999 gegründet, ist ein Tochterunternehmen der PIN Group AG, dem führenden privaten Briefdienstleister in Deutschland )

Bei der Demo in Berlin wurden die Mitarbeiter bezahlt freigestellt um gegen den Mindestlohn zu demonstieren. Sie freunten sich über ihre 4,50€ und wollten keinen Mindestlohn.

Ich hätte mir auch weiter keine Gedanken gemacht, wenn XXX (mein Unternehmen) ihre Post nicht auch über PIN abwickelt.

 http://www.bildblog.de/2535/wie-bild-gegen-den-mindestlohn-kaempft-ii


XXX

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

erst wenn — die gemeinhait

"Bild" die mobilisierende Satire — "BILD-Formular"

PIN GROUP ohne Tarifvertrag mit ver.di — für Tarifautonomie

Freut euch doch — gammel