Spanien: Satirezeitschrift beschlagnahmt

Los del Rio 23.07.2007 18:04 Themen: Kultur Medien Repression
Die Diskussion um die Satirezeitschrift "El Jueves" in den spanischen Medien setzt sich fort. Die Publikation, die am 18. Juli auf der Titelseite ihrer 1573. Ausgabe einen Cartoon abbildete, der nach einer Gerichtsentscheidung vom Samstag den Kronprinzen Felipe beleidigt, wurde nun beschlagnahmt; sie musste das Bild auch aus ihrer Webpräsenz entfernen.
Die Karikatur zeigt den Kronprinzen beim Geschlechtsakt mit seiner Frau Letizia. Eine Sprechblase lautet: "Stell' dir nur vor, du würdest schwanger. Das wäre die einzige Tat in meinem Leben, die so etwas wie Arbeit nahekommt." Die Satiriker spielen damit auf ein geplantes Gesetz an, durch das Eltern für die Geburt eines Kindes eine staatliche Einmalzahlung von 2.500 Euro erhalten sollen.

Richter Juan del Olmo, der die Entscheidung zur Beschlagnahmung möglicherweise auf Antrag der Obersten Staatsanwaltschaft fällte, nannte das Bild "verunglimpfend" und "abscheulich". Für die Beleidigung der königlichen Familie sieht das spanische Geseetz theoretisch bis zu zwei Jahren Haft vor.

Seit 20 Jahren gab es keinen derartigen Eingriff der Justiz in die Pressefreiheit. In der Vergangenheit war die Presse vergleichsweise zurückhaltend im Umgang mit dem Hochadel gewesen, ganz anders als beispielsweise ihre britischen Kollegen. Trotz der ungewohnten Respektlosigkeit zeigte sich die überwältigende Zahl der Kommentatoren jedoch solidarisch.

Die liberale "El Mundo" kritisierte die Zeichnung zwar als anstößig, diagnostizierte aber, sie bewege sich innerhalb dessen, was erlaubt sei in einer Gesellschaft, die die Freiheit der Meinungäußerung als Grundwert verstehe. Die Zeitung veröffentlichte die umstrittene Karikatur sogar auf ihrer eigenen Website.

"El Pais" nannte die Zeichnung zwar "geschmacklos", bezweifelte aber die Erfüllung eines Straftatbestands durch sie. Der Kommentator von "El Periodico de Catalunya" fühlte sich gar an die Praktiken unter der Franco-Diktatur erinnert. Einzig die rechtskonservative Zeitung "ABC" aus Madrid, die als besonders dem Königshaus verbunden bekannt ist, bezeichnete den Cartoon als "Symptom" für den moralischen Verfall und begrüßte die Gerichtsentscheidung.

Die Website des "Jueves" war vorübergehend lahmgelegt durch einen Besucheransturm von Neugierigen, die den "verbotenen" Cartoon sehen wollten.
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Ergänzungen

20 Jahren?

Olmo 23.07.2007 - 21:38
"Seit 20 Jahren gab es keinen derartigen Eingriff der Justiz in die Pressefreiheit."
Naja, in den letzten Jahren wurden nur Zeitungen wie Egin, Egunkaria oder Ardi Beltza verboten und unter der Aznar-Regierung mussten sie die Chefredakteure der großen Zeitungen wöchentlich mit der Regierung treffen um das Vorgehen gegen die Eta abzustimmen, also von Pressefreiheit ist in Spanien nicht viel zu spüren.

Hintergrundarttikel

Ralf Streck 24.07.2007 - 11:16
Habe ich zunächst hier geschrieben.  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25788/1.html

Gefunden und halte den für wichtig, deshalb

Kopiert 24.07.2007 - 11:25
Zensur für "Ehrverletzung" des spanischen Königshauses

Ralf Streck 23.07.2007
Die Satirezeitschrift "El Jueves" wurde beschlagnahmt, weil sie auf dem Titel das Kronprinzenpaar beim Sex zeigt
Satirischer könnte es kaum sein, dass das spanische Ministerium für Staatsanwaltschaft, geführt von den "Sozialisten" (PSOE), die Beschlagnahme einer Satirezeitschrift wegen Prinzenbeleidigung beantragt und sie ihren allseits bekannten Spezialrichter Juan del Olmo wieder einmal massiv in die Pressefreiheit eingreifen lässt.

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Die Wellen kochten Ende vergangener Woche hoch, als die Zeitschrift der [extern] El Jueves http://www.eljueves.es, "die Zeitschrift die Mittwochs erscheint", die Monarchisten mit einem Titelblatt auf den Plan rief. Es war zunächst die Staatsanwaltschaft, in Spanien als Ministerium ein Teil der Regierung, welche die Beschlagnahme der Auflage (knapp eine halbe Million) beantragte. Dem Antrag gab der Telepolis-Leser allseits bekannten Ermittlungsrichters [local] Juan del Olmo, vom spanischen Nationalen Gerichtshof nach. [local] Erneut gehen der Gerichtshof und sein Richter, der eigentlich für Terrorismus und Schwerstverbrechen zuständig ist, gegen eine Zeitschrift vor und ordnete eine Konfiszierung an.

Gezeigt wird auf dem Titelblatt der spanische Kronprinz Prinz Felipe mit seiner Ehefrau Letizia beim Sex. Anlass war die Ankündigung der spanischen Regierung, angesichts der Vergreisung der Gesellschaft, Familien für jedes Neugeborene mit 2.500 Euro zu belohnen, um die Geburtenrate zu steigern. "Es zeigt sich, dass Wahlen kommen", heißt die Überschrift unter der eine Zeichnung den Prinzen zeigt, der seine Frau vögelt und spricht: "Ist dir das klar? Wenn du schwanger wirst... So nahe bin ich in meinem Leben noch nie ans Arbeiten heran gekommen". Damit kritisiert die Zeitschrift, dass das Könighaus komplett aus der Staatskasse finanziert wird und per Verfassung sogar von Strafverfolgung ausgeschlossen ist.

Die Karikatur "verletze die Ehre und Würde der abgebildeten Menschen" erklärte der Ermittlungsrichter. Er beschied damit positiv den Antrag der Staatsanwaltschaft, welche die Zeichnung als "eindeutig abwertend" und "rufschädigend" bezeichnete.

Da aufgrund der Zensur der Printausgabe viele Menschen versuchten, die Karikatur auf der Webseite von El Jueves zu sehen, ist diese unter dem Ansturm am Freitag zusammen gebrochen. Dann aber [extern] musste sie auf Anweisung der Behörden ganz vom Netz genommen werden. Die Herausgeber hoffen, dass nach Entfernung der Karikatur die Webseite wieder freigegeben wird.

El Jueves ist für seine anti-monarchische Haltung bekannt, wie man sie auch von einer sozialistischen Partei erwarten sollte. Ganz besonders in Spanien, wo die Monarchie einst in der Republik abgeschafft wurde, weshalb sich die Monarchisten am [local] Putsch 1936 beteiligten ([local] Kampf der zwei Spanien). Erst kurz vor dem Tod Francos wurde von ihm die Monarchie wieder eingesetzt, nachdem die baskische ETA den geplanten Nachfolger ermordet hatte.

Es war stets erstaunlich, dass ausgerechnet die Sozialisten an der Restauration der Monarchie mitgearbeitet haben, während sie die Massenmörder der Diktatur bis heute [local] unbehelligt ließ, die Opfer weder rehabilitierte, noch die Nachfahren entschädigte, die noch zu Zehntausenden in Massengräbern liegen. Das entsprechende Gesetz, das zum 70. Jahrestag des Putschs in Kraft treten sollte, liegt auf Eis, weil Amnesty International, Opferorganisationen und Linksparteien es als "Schlusspunktgesetz" zur Absicherung der Straflosigkeit der Täter bezeichnen.

Journalistenverbände bezeichneten das Vorgehen gegen den Jueves als "anti-demokratisch" und als Rückschritt in die Vergangenheit. Linksparteien hatten das Könighaus aufgefordert, ein Wort für die Pressefreiheit einzulegen, was nicht geschah. Die Zeitschrift will das Vorgehen am Mittwoch humoristisch würdigen. Die Direktion hofft, die Leser "gewinnen das Rennen gegen die Polizei". Die inkriminierte Ausgabe wird derweil im Internet für 2500 Euro [extern] angeboten.

Leider ist [local] Zensur auch nach dem Ende der Diktatur an der Tagesordnung. 1986 wurde, ebenfalls unter der PSOE, die Vernichtung einer Zeitungsausgabe angeordnet, weil sie die Königsfamilie beleidigte. 1989 wurde die baskische Zeitung und Radio "Egin" vorläufig geschlossen. 2001 war die Zeitschrift Ardi Beltza dran und 2003 die baskische Tageszeitung "Egunkaria" ([local] Baskische Journalisten gefoltert). In keinem Fall liegt bisher ein Urteil vor, welches das Vorgehen bestätigen könnte.

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