Berlin: Köpi auf Karneval unerwünscht

Köpi-Nutzerin 29.05.2007 23:43 Themen: Antirassismus Freiräume Kultur Soziale Kämpfe
Wer sich maskiert wird integriert... Weil Köpi-UnterstützerInnen auf dem Karneval der Kulturen (KdK) letzten Sonntag in Berlin nicht kostümiert waren, wurden sie vom Veranstalter Andreas Freudenberg aus dem Zug verwiesen. Anders als bei den Anti-G8 AktivistInnen ( http://de.indymedia.org/2007/05/178887.shtml) sorgte nicht die Polizei, sondern die selbsternannten Kulturmanager dafür, dass die durchaus politischen Statements vieler TeilnehmerInnen des Karnevals nicht allzu eindeutig propagiert wurden.
Gegen 12:30 Uhr reihten wir uns nach Absprache zwischen den 6. Wagen der Ayaya Cultural Group und den 7. Wagen der "Invisibles - Menschen ohne Papiere" mit einem Transparent "Köpi muss bleiben! Save the culture of resistance!" ein. Unsere Teilnahme wurde begrüßt, da sich die Köpi, wie auch andere alternative Haus- und Kulturprojekte in Berlin für illegalisierte Menschen einsetzen und oft Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Die Köpi, die am 8. Mai zwangsversteigert wurde, ist also für viele MigrantInnenorganisationen durchaus ein Begriff. Unsere Aktion auf dem KdK sollte die Öffentlichkeit nicht nur auf die Situation der Köpi hinweisen, sondern auch die zu erhaltenen strukturellen Hintergründe von alternativer Kultur aufzeigen. Am Rande wurden daher thematische Flyer verteilt (siehe unten).

Nach einer halben Stunde liefen dann auch Polizisten am Rand mit, bis um 13:30 Uhr dann plötzlich der Veranstalter höchstpersönlich an uns herantrat und darum bat die Strecke zu verlassen. Wir hätten uns nicht angemeldet und hätten ohnehin nur ein eigenes politisches Interesse am Karneval. Wir seien nicht verkleidet und würden mit unserem Anliegen einfach nicht zum Karneval passen. Mit der gleichen Argumentation hätte er letztes Jahr schon das geräumte Hausprojekt Yorck59 vom Karneval vertrieben. 100 Meter weiter konnten wir schon die Tribüne mit all den Promis, Fernsehen und Jury sehen – klar, dass wir da nicht durch sollten. Die Wägen in unserer Nähe solidarisierten sich mit uns und forderten erfolglos, dass wir bleiben sollen. All die Diskussionen halfen nichts und die Ansage des Veranstalters, dass er uns auch gewaltsam räumen lassen würde, veranlasste uns dann zu gehen.

Unsere punktuelle Kritik an dem Veranstalter des KdK, der Werkstatt der Kulturen, ist kein Rundumschlag gegen alle Teilnehmenden oder den Karneval an sich. Tatsächlich bietet der Karneval seit 1996 migrantischen Gruppen ein Forum zur Präsentation ihrer Inhalte. Wer sich informiert, wird auch feststellen, dass die Veranstalter durchaus progressiv zur Integrationsdebatte beitragen und Diskurse anschieben, die sonst nur auf kleiner Ebene diskutiert werden. Der Wagen der "Unsichtbaren" wurde dieses Jahr beispielsweise als bester Wagen ausgezeichnet.
Doch was nutzt die Kritik an einer integrationsfeindlichen und ausgrenzenden Gesellschaft, wenn die Inhalte betont folkloristisch ummantelt sein müssen und das Publikum vor lauter Kulturevent gar nicht merkt, dass hier womöglich antirassistische Arbeit betrieben wird.
Mit dem Kooperationspartner Dussmann hat sich der KdK auch noch einen Profitteur der Abschiebemaschinerie ( http://de.indymedia.org/2006/12/164213.shtml) mit in die Organisation geholt. Auch mit Hinblick auf die anderen Großveranstaltungen der Werkstatt der Kulturen (Konzeption und Durchführung der Parade der Kulturen bei der EXPO in Hannover 2000 / Gala-Präsentation zur Wiedereröffnung des Berliner Olympiastadions 2004) drängt sich die Vermutung auf, dass hier deutsche Kulturschaffende versuchen das "Fremde" publikumswirksam zu vermitteln, statt MigrantInnen in ihrem Alltag gegen Rassismus zu unterstützen.

Den Ausschluss der Köpi vom Karneval der Kulturen nehmen wir nicht persönlich, trifft er doch alle Kulturprojekte, die eindeutige politische Forderungen und deren selbstorganisierte Durchsetzung propagieren. Die Prämierung des Wagens der Illegalisierten kann dieses Manko des KdK nicht ausgleichen.

Buchtipp: WER SICH MASKIERT, WIRD INTEGRIERT. Der Karneval der Kulturen in Berlin. Berlin 2003. 248 Seiten. Paperback. ISDN 3-89930-008-4.


-------------Verteiltes Flugblatt-------------

Köpi muss bleiben! Save the culture of resistance!

Haben sie sich auch in dieses Berlin verliebt? Eine Stadt voller Kultur, verschiedener Lebensentwürfe und alternativer Kultur? Ein schönes, buntes, gemischtes Berlin, das durch unverbesserlichen Charakter und unvergleichlichen Charme besticht? Sie mögen an Berlin, dass es so international ist? Dann helfen Sie mit, dass das so bleibt.

Diese Vielfalt, in die sie sich in Berlin verliebt haben, wird massiv durch die fortschreitende Stadtumstrukturierung bedroht. Das bedeutet, dass für den Erhalt von öffentlichen Räumen, Häusern und kulturellen Einrichtungen nur eines zählt: ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit! Haben es sich Einrichtungen und Häuser zum Ziel gesetzt auch diejenigen zu unterstützen, die kaum am öffentlichen Leben teilhaben können, da ihnen dazu das nötige Geld fehlt, werden diese als erstes verdränkt.
Zu diesen Einrichtungen, die eine andere Form von Leben vermitteln wollen, gehören eine Anzahl alternativer und linker Hausprojekte. Auf der einen Seite werden diese Kultur- und Hausprojekte in Reiseführern für Touristen beworben und sollen Leute anlocken, die sich einen Eindruck von dem bunten Leben in der aufstrebenden Stadt machen sollen. Auf der anderen Seite tragen das Land Berlin und Spekulantenfirmen ihren Anteil daran, dass eben diese Kultur- und Hausprojekte zerstört werden. Mittlerweile sind in Berlin fast alle linken und alternativen Projekte durch feindliches Quartiersmanagement und Spekulantenfirmen räumungsbedroht und stehen vor dem Aus. Das Land Berlin und ihre Organe, die Bezirke, nutzen ihre Möglichkeiten und Kompetenzen für den Erhalt dieser Projekte nicht aus. Dadurch haben Spekulanten die Möglichkeit Hausprojekte billig aufzukaufen, schick zu sanieren und mit steigenden Preisen und Räumungen die dort ansässigen BewohnerInnen und Initiativen zu vertreiben.
Linke und alternative Hausprojekte stellen nicht nur alternative Lebensräume. Sie bieten Platz für politische Gruppen und Netzwerke, Basisinitiativen aus der Nachbarschaft, Flüchtlingsgruppen, Kampagnen, Theatergruppen, kulturelle & politische Veranstaltungen, Theater- und Filmabende, Konzerte und Solidaritätsparties. Sie sind ein Teil Berlins und müssen es auch bleiben.

Ist ihnen bewusst wie viele Räume von dieser Entwicklung betroffen sind?
Um nur einige zu nennen:

Das Projekt NewYorck59 im Haus Bethanien am Mariannenplatz in Kreuzberg, das als Veranstaltungsort und Wohnraum dient und etliche linke Initiativen beherbergt. Das Frauen-Lesben-Transgender-Haus Liebig 34 (incl. Dem Projekt XB-Liebig und alternativem Infoladen "Daneben") der Wagenplatz Schwarzer Kanal, der Umsonstladen und die Brunnenstr.183, sowie der Wagenplatz Konvoi sind akut bedroht und in ihrem Bestehen gefährdet.
Die Rigaer 94 in Friedrichshain wurde angehalten ihren Veranstaltungsraum zum 30.05.2007 zu räumen. Bei der Rigaer 84 wurde ein Sanierungsantrag gestellt, der die bestehende Wohnstruktur gefährdet.
Zu diesen akut gefährdeten Projekten gehört nun auch die international bekannte Köpi. Die Köpi, benannt nach der Lage in der Köpenicker Straße 137 in Mitte, ist ein 1990 besetztes und 1991 legalisiertes Haus. Es handelt sich dabei um ein autonomes Wohnprojekt und Kulturzentrum. Nachdem es in Eigenarbeit renoviert und umgebaut wurde, bietet es Wohn- und Lebensraum für zirka 60 Personen, sowie diverse Veranstaltungsräume. Hof und Garten werden als Wagenplatz genutzt. Veranstaltungen, wie Umsonstkino, Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, Konzerte und Parties locken seit mehr als einem Jahrzehnt viele Berliner und Touristen in die Köpenicker Str. Längst über die Grenzen Deutschlands hinweg hat sich die Köpi als Kulturzentrum und Symbol linker und alternativer Lebensformen einen Namen gemacht. Damit soll jetzt Schluss sein, denn auch dieses Objekt wurde am 8.Mai vom Zwangsverwalter Commerzbank an die Spekulantenfirma Sanus AG unter seinem Verkehrswert verkauft. Durch seine zentrale Lage attraktiv für Ansiedlung gewinnversprechenderer Organisationen, ist zu befürchten, dass die Köpi bald in ihrer derzeitigen Form weichen muss. Aber es lohnt sich für den Erhalt zu kämpfen.

Helfen auch sie mit, dass Berlin alternativ bleibt!
Nehmen sie Verantwortung wahr, diese Gesellschaft zu gestalten und solidarisieren sie sich mit den alternativen Hausprojekten! Politik und Kultur gehören zusammen!
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