"He Ihr Arschlöcher, hier ist nur EINE Gruppe!"

Aug und Ohr 31.12.2006 23:30 Themen: Freiräume Repression Weltweit
Die Räumung des Ungdomshus steht bevor, und die Leute sind kindisch und spielen mit Totenköpfen ..
He Ihr Arschlöcher, hier ist nur EINE Gruppe!

Mit einem bizarren rebellischen Humor machen die BesetzerInnen des Ungdomshuset die herrschenden Formen des Diskurses lächerlich. Heute haben sie die Neujahrsansprache der Königin zum Anlaß genommen. Die hält heute nämlich eine “Rede an die Nation.“ Zwei Stunden davor wurde von den Besetzern ebenfalls eine Rede an die Nation gehalten, die allerdings mit den Worten: „He ihr Arschlöcher ..!“ begann, ein Stil, der am königlichen Hof selten gepflogen wird.

Die Rede wurde von einer jungen Frau gehalten, im Keller des Hauses, sie hatte eine blonde Perücke auf und war mit einigen Halsketten verziert.

Aber dann gab´s ernste Worte: „Es gibt keine Alternative zu Jagtvej 69 (die Adresse des Ungdomshus). Die gibt´s nur in den Medien und bei den Politikern. Wenn wir da wegehen, gehen, werden wir nichts mehr vorfinden.“

Der Tisch, an dem die junge Frau saß, war festlich geschmückt, allerdings mit zwei Pflastersteinen, man sah eine schwarze Fahne mit Totenköpfen und einem pechrabenschwarzen Sturzhelm, so schildert es die den Sozialdemokraten nahestehende Tageszeitung „Politiken“ in ihrer heutigen Ausgabe.

Man sieht´s, wenn man genau hinsieht. (Stehlt dieses köstliche Bild, man darf es natürlich nicht reproduzieren, davor warnt die steinreiche Zeitung, und man kann dafür bekanntlich empfindlich bestraft werden. Also empfehle ich nicht, es wo reinzuposten - seid Ihr denn Medienverbrecher? Ich gebe nur simpel das URL an:  http://politiken.dk/system/topicRoot/Ungdomshuset/)

In den letzten Tagen haben sich alle möglichen Angebote überstürzt, und um den „Konflikt“ des Ungdomshus hat sich ein wahrer politischer Basar entwickelt: Die sozialdemokratische Bürgermeisterin Bjerregaard will die Besetzer nach Christiana absiedeln, einem selbstverwalteten Stadtteil am anderen Ende der Stadt. Dann wurde ein weiteres, recht unattraktives Projekt in der gleichen Straße vorgeschlagen, ein verkommenes, ungepflegtes Gebäude, ohne Atmosphäre. Zuvor hatte bereits ein Unterstützer-Fonds der rechtsradikal-nationalistischen Sekte Fadershuset („Haus des Vaters“), der das Ungdomshus gehört, angeboten, es von ihnen abzukaufen, die lehnten ab.

„Gott erhalte unser Dänemark“, mit solchen Worten beschloß kürzlich die Sektenführerin, deren Abhängige für sie unentgeltlich arbeiten müssen, und wie Sklaven gehalten werden, wie eine bekannte Tageszeitung berichtete, ihre Pressekonferenz. Die Rebellen im Ungdomshus sind für sie etwas Teuflisches.

Ursprünglich im Besitz der Stadt, wurde das Haus an eine Firma verkauft, die sich im Besitz eben dieser Sekte befindet, und von diesem Zwischeneigentümer dann direkt an die Sekte weitergegeben. Die wollte zu Beginn ein „christliches Jugendhaus“ an der Stelle des radikal-anarchistischen einrichten, nach Vertreibung der bisherigen Benützer wohlgemerkt. Jetzt fordern sie, nach der polizeilichen Räumung, die in allernächster Zeit zu erwarten ist, vielleicht sogar in den nächsten Tagen, dass das Haus sofort danach abgerissen wird.

Als wären sie mit vollem Recht ebenso öffentlich-politische Akteure, wie die rechtsradikale dänische Volkspartei, die den Besetzern mit unverhohlenem Haß gegenübersteht, die schon erwähnte Sozialdemokratie, die rechtsliberale Partei, die sich "Radikale Linke" nennt oder die Sozialistische Volkspartei, einst Partei der außerparlamentarischen Opposition, die, wie die Grünen hierzulande, alle ehemaligen Grundsätze verraten hat und scharf gegen die Besetzer, Chaoten und Gewalttäter auftritt, im trautem Verein mit den Sozialdemokraten. Aber dies sind zumindest Parteien; an der Phalange beteiligt sich nunmehr ein Privatunternehmen mit Sektenideologie und erhebt den Anspruch, voll politikfähig zu sein.

Es wird alles versucht, um die Leute rauszukriegen. Hauptsache: Die über mehr als zwanzig Jahre gewachsene Struktur kann vernichtet werden! Die Feinheit, der Übermut, die Gegenkultur, der Witz. Der mit dem politischen Stadtteil Nörrebro gewachsene selbstbestimmte Raum. Und dies soll insbesondere auch mit den Mitteln der Privatisierung der Politik bewirkt werden. Eine politische public-private-partnership.

Die Sekte, die viel Geld haben muß, hat jeden Kompromiß abgelehnt. Einigen politischen Kräften wäre es ja angenehm, wenn dieses „Haus des Vaters“ einlenken würde und der Stadt die unvermeidliche künftige „Eskalation“ ersparen könnte. Die Sozialdemokratin aber ist störrisch wie ein hessischer CDU-Provinzpolitiker.

„Sie müssen aus dem Haus raus“, erklärte noch gestern kategorisch die eiskalte Bürokratin, und immer wieder argumentiert sie, daß es ja das Privateigentum des „Hauses des Vaters“ sei, da könne sie sich nicht einmischen.

Mit welcher Inbrunst die Sozialdemokratin das Privateigentum verteidigt!

Die rot-grüne Partei „Einheitsliste“ die die Besetzer, bis zu einem gewissen Grad, unterstützt, hat unter anderem auch vorgeschlagen, die Kommune solle selbst das Haus aufkaufen - aber nichts da! Die eiserne Sozialdemokratin will die unmittelbare Konfrontation, nicht um der Konfrontation willen, sondern: um die Leute politisch zu liquidieren.

Es kann und wird keinen Kompromiß geben. Unsere Kultur ist inkompatibel mit der des herrschenden Kommerz-Packs! Das ist der Hintergrund der Neujahrs-Rede des Ungdomshus. Das ist der Hintergrund der Dialektik, die die Widersprüche mit Bizarrerie fasst.

„Ritt (Bjerregaard, die sozialdemokratische Oberbürgemeisterin, AuO), glaubt, dass da zwei Gruppen im Ungdomshuset sind, eine, die das Café und Konzerte organisiert, und eine andere, die unten im Keller sitzt, wo jeder einen schwarzen Sturzhelm auf dem Kopf hat“, sagte die junge Frau, nahm darauf die Perücke ab, zog sich eine Strumpfmaske mit den entsprechenden Augenschlitzen über den Kopf und stellte fest:

”Der er kun én gruppe” (Hier gibt´s nur eine Gruppe).
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Ergänzungen

Zur Christensekte

sadf 01.01.2007 - 06:45
Die festgefahrene Situation versuchten verschiedene Vereinigungen dadurch aufzulösen, dass sie umgerechnet fast 2 Millionen Euro sammelten, um das Haus zurückkaufen und den Jugendlichen erhalten zu können. Doch in der vergangenen Woche wies "Faderhuset" das Kaufangebot zurück. "Niemals" werde man das Haus verkaufen, an dessen Stelle man ein religiöses Zentrum errichten will.

Über die Gründe dieser Sturheit wird gerätselt. Medien vermuten, dass sich hinter der kleinen christlichen Sekte, die nach eigenen Angaben 120, nach Medienrecherchen nur 30 Mitglieder hat, Kräfte verstecken, die die vorwiegend muslimische Bevölkerung in Nørrebro provozieren wollen. Erwähnt werden dabei AnhängerInnen eines selbst ernannten "Kreuzfahrers" Mogens Hansen, der 2002 als "Moses" mit einem Kreuz auf Rädern durch Nørrebro zog und mit Slogans wie "Der Islam wurde in der Hölle geschaffen" und "Dänemark steht vor der Wahl: Gott oder Allah" für Unruhe sorgte.

 http://www.taz.de/pt/2006/12/18/a0091.1/text

Näheres zur Enheitsliste

Aug und Ohr 02.01.2007 - 18:35
Ergänzung zur "Enhedslisten"

Der Rückkaufsvorschlag durch die Enhedlisten war nur einer ihrer Vorschläge, der am Anfang stand; inzwischen haben sie ihre Haltung modifiziert. Das sollte zur Ergänzung gesagt werden, damit nicht ein zu simples Bld von der Enhedlisten entsteht, und am Ende geglaubt wird, sie wären organisch mit den BesetzerInnen verbunden.

Nach der großen Kundgebung, die am 14. Dezember in Kopenhagen stattfand, einem Tag vor der Demo, die von der Polizei schon zu Beginn mit brutaler Gewalt beantwortet wurde, sprach sich Morten Kabell von der Enhedsliste (Einheitsliste) für einen totalen Rückkauf des Hauses durch die Gemeinde aus.

An sich vernünftig! Der Verkauf an die Sektenfirma könnte dadurch gutgemacht werden und es wäre ein Minimum an politischer "Entschuldigung" gewesen!

Nichts logischer, als wenn das von einer Sozialdemokratin angeführte Rathaus das wieder zurückkauft, was es, in einer Art von Liquidierungswahn, an den Nahbereich des rachtsradikalen "Haus des Vaters" verscherbelt hat.

Keine andere Partei hat sich jemals explizit für einen totalen Rückkauf ausgesprochen. Es wäre also an der Zeit, wenn diejenigen Parteien in Europa, die der Enhedslisten nahestehen, sich diese ursprüngliche Forderung ebenfalls zueigen machten und damit die BetreiberInnen politisch ein wenig unterstützen würden.

Allerdings äußerte sich Kabell, dem Bericht der alternativen Agentur Modkraft vom 14.12.zufolge, bei dieser Gelegenheit sehr vorsichtig: "Die Einheitsliste hatte vorgeschlagen, daß die Gemeinde zwischen den Parteien vermittelt und eventuell letzten Endes das Angebot macht, das Haus zurückzukaufen." Eventuell.

Vor Weihnachten hatte die Enhedsliste versucht, die Sache von einer anderen Seite anzugehen. Sie wollen dem Parlament einen Umwidmungsplan vorschlagen, der zum Ziel hat, daß die Liegenschaft ausschließlich für die sozialen Bedürfnisse der Jugendlichen verwendet werden kann. Eine der Bestimmungen, die in dem Vorschlag enthalten sind, sieht die Enteignung durch die Gemeinde vor, "wenn es notwendig erscheint und wenn das Vorhaben nicht auf andere Weise verwirklicht werden kann".

Das wäre eine weitere, pragmatisch zugespitzte, und gleichzeitig witzige Formel, die sich die weltweite BesetzerInnenbewegung zueigen machen könnte: "Enteignung des Sektenbesitzes durch die Gemeinde Kopenhagen". In einem Appell an Ritt Bjerregaard.

Nach Weihnachten kam von der Enhedlisten allerdings ein weiterer Vorschlag, der eindeutig als Abwiegelung verstanden werden muß: Die "Jugendlichen" sollen in ein schon erwähntes leerstehendes Objekt umziehen, das in derselben Straße liegt. Es handelt sich um eine ehemalige Feuerwehrzentrale, die sich jetzt im Eigentum des Unterrichtsministeriums befindet.

"Wir müssen eine Lösung finden, mit der auch die Jugendlichen leben können. Wenn dieses Gebäude sich dazu eignet, dann könnte es wohl den Interessen aller Parteien entsprechen", meint harmonistisch Line Barfod, eine der sechs Parlaments-Abgeordneten der Einheitsliste.

Line Barfod - sie kommt aus der DKP - versäumt allerdings keine Gelegenheit, sich entsetzt gegen Gewalt auszusprechen und deren liebenswürdigstes Symbol, den "brosten", Pflasterstein, den man auch auf dem Neujahrsbild sieht.

Aber "brosten", das ist ein Totschlagsargument.