Wieder Castor-Sonderrechtszonen eingerichtet

Hans 01.11.2006 02:09 Themen: Atom Repression
Regelmäßig zu den CASTOR-Transporten stellt die Polizei das Grundgesetz in die Ecke. Auch in diesem Jahr wurde eine "Allgemeinverfügung" erlassen, die ein flächendeckendes Demonstrationsverbot über unbestimmte Zeit und eine Länge von mehr als 72 km von Lüneburg bis Gorleben, bis zu einem Kilometer Breite verhängt. Aber auch schon Wochen voraus ist das Grundrecht auf Freizügigkeit durch die Polizei einfach abgeschafft. Hier auf diesen Seiten wurde bereits über eine nette Aktion an den Bahngleisen, bei der auch die Clowns-Army auftauchte, berichtet ( http://www.de.indymedia.org/2006/10/160608.shtml, sowie  http://www.de.indymedia.org/2006/10/160448.shtml). Die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und Menschen aus dem Widerstand haben die anläßlich der Aktione von der Polizei vorgenommenen Grundrechtsverletzungen in einer Stellungnahme zu den Ereignissen vom Sonntagnachmittag genauer dargestellt.
Nach ihrer Auffassung richtet sich die Polizei erneut Sonderrechtszonen ein, wie die Besucherinnen und Besucher am Großsteingrab bei Grünhagen erfahren mußten An allen Bahnübergängen zwischen Leitstade und Hitzacker habe die Polizei Sperren errichtet. Ein Übertritt sei nur zu Fuß, jeweils nur einer einzelnen Person und nur nach Feststellung der Personalien gewährt worden. Diesen Auflagen hätten sich ausnahmslos und ohne besondere Begründung alle Personen beugen sollen, die hin oder her wollten. Mit dem Auto wären die Passierstellen ohnehin nicht zu erreichen gewesen: Polizeifahrzeuge hätten bereits im weiten Vorfeld Straßen und Wege blockiert, jede Person und jedes Fahrzeug sei über Stunden mit Videokameras gefilmt worden.

Eine Sprecherin des "widerStandsNest Metzingen", das für diesen Tag zu einem Besuch beim Hünengrab eingeladen hatte, protestiert gegen diese großflächige und pauschale Beschneidung des Grundrechts auf Freiheit der Bewegung. "Zwei Wochen vor dem Transport nehmen wir nicht einmal besondere Rechte als Demonstrierende nach Artikel 8 des Grundgesetzes in Anspruch." sagte sie. "Wir fordern hier ein, das zu dürfen, was in elf Monaten des Jahres Selbstverständlichkeiten sind: den Wald zur Erholung zu nutzen, Holz zu machen, Wege zu benutzen."

Unterstützung erhält sie dabei von der Bürgerinitiative Umweltschutz. "Das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz wird von der Polizei regelmäßig als Generalermächtigung herangezogen. Das müssen wir leider immer wieder erleben." sagt die Vorsitzende der BI. Dabei sei in zahlreichen Urteilen herausgestellt worden, auf welcher fragwürdigen rechtlichen Grundlage die Polizei arbeite. Selbst das Niedersächsische Gefahrenabwehrgestz (NGefAG), das als ein besonders rigides Polizeigesetz anzusehen sei, fordere von der Polizei die Einhaltung klarer Regeln." Es reicht eben nicht, dass die Polizei eine Gefahr behauptet, der sie begegnen muss, um dann alles zu dürfen, was ihr zweckmäßig erscheint."

Ein deutliches Licht auf das Selbstverständnis vieler Beamter, so die Atomkraftgegner in ihrer Presseerklärung, werfe die Aussage eines Einsatzpolizisten am Castorgleis: "Eure Grundrechte hören da auf, wo unsere Rechte anfangen." Es hätte keinen bei seinen Kollegen gegeben, der ihm da widersprochen habe. "Welchen Wert haben eigentlich Gerichtsurteile, wenn sie für das Verhalten der Polizei keinerlei Maßstab bilden?" fragen sich da viele.

Eigenmächtig Schilder aufgestellt

Nicht nur über die Rechte Einzelner habe sich die Polizei hinweggesetzt. Auch die Kommune sei in ihren Kompetenzen beschnitten worden: Die Straße von Harlingen zum Forsthaus Posade, die normalerweise ohne Einschränkungen zu befahren ist, sei ab Sonntag Mittag plötzlich durch Polizeibeamte mit einem amtlich wirkenden Schild "Durchfahrt verboten - schlechte Wegstrecke" gesperrt worden. Nachfragen bei der Samtgemeinde Hitzacker hätten hingegen ergeben, dass sich der Zustand der Straße nicht plötzlich verschlechtert habe. "Das Schild hat irgendwer dort hin gestellt, wir waren das nicht. Das muss wieder weg!" hieß es dazu aus der Verwaltung.

Die Atomkraftgegner weisen weiter darauf hin, daß das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gerade erst endgültig über die Nicht-Rechtmäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen im November 2003 gegen den Musenpalast in Laase entschieden habe (downloadable pdf  http://www.bi-luechow-dannenberg.de/download/laase.pdf, Aktenzeichen 11 LA 196/05, 3A 254/03, Beschluß v. 26. 9. 2006). In seinem Urteil formuliert das Gericht Grundsätze für die Polizeiarbeit mit allgemeiner Bedeutung. In der Begründung heißt es unter anderem:

Die Absperrung aller Zufahrtswege in Laase war rechtswidrig und damit ein Verstoß gegen das Grundgesetz nach Art. 2 Abs. 2 (Die Freiheit der Person ist unverletzlich). Personen, die sich in einem bestimmten Gebiet aufhalten, dürfen nicht von vorneherein unter einen Pauschalverdacht gestellt werden. Personen dürfen nicht grundsätzlich am Passieren von Kontrollstellen gehindert werden. Die Verhütung von Ordnungswidrigkeiten darf nicht Zielsetzung der Errichtung von Kontrollstellen sein. Faktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Störern rechtfertigen nicht die Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter. Demonstrationen, Veranstaltungen Menschenbewegungen außerhalb des Verbotskorridors sind grundsätzlich zulässig. Von mehreren voraussichtlich gleich geeigneten Mitteln ist dasjenige zu wählen, das den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Polizeiliche Verfügungen dürfen nicht lediglich der Vereinfachung polizeilicher Arbeit dienen .., vielmehr bedarf es konkreter Nachweise. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus.

Nach Informationen von Beteiligten habe die Polizei nicht auf reale Rechtsgrundlagen verweisen können. Auf die Frage, warum mensch hier nicht durgelassen werde, sei geantwortet worden, "weil ich hier stehe", und weiter sinngemäß: Können Sie nicht lesen? Auf meiner Uniform steht "Polizei". Und nicht "Bäcker". Darum dürfen Sie hier nicht durch...


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