Verwarnung gegen FSK-Redakteur

FSK 18.10.2006 22:02 Themen: Medien Repression
Recht unspektakulär ging das Verfahren gegen einen FSK Redakteur, dem vorgeworfen wurde, im Oktober 2003 ein nicht autorisiertes Interview mit einem Polizeipressesprecher aufgenommen und gesendet zu haben, zuende: nach fast drei Jahren und einer Sprungrevision verzichtete das Gericht auf eine Strafe und sprach lediglich eine Verwarnung aus. Diese wurde mit einem Strafvorbehalt von 40 Tagessätzen belegt, die im Wiederholungsfall fällig werden. Der Rechtsbeistand des Redakteurs, Rechtsanwalt Ralf Ritter kommentierte: Verwarnung ohne Strafzahlung: das gibt es normalerweise nur für Polizisten.
Bei Betrachtung der Vorgeschichte des Falls ist dieser Ausgang erstaunlich: Im ersten Prozeß vor dem Amtsgericht Hamburg war der Redakteur noch zu 80 Tagessätzen, insgesamt 2000 Euro verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte damals eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen gefordert: knapp unterhalb einer Vorstrafe. Für die Beweisaufnahme hielten Polizei und Staatsanwaltschaft es seinerzeit für nötig, Überfallartig einen Nachmittag lang drei Hundertschaften Polizei in den Hinterhof und in die Studioräume des FSKzu schicken. Die Ordnungshüter setzten die Pressefreiheit außer Kraft, hinderten Redakteure am Betreten des Studios, postierten sich in voller Kampfmontur in den Studios und drohten damit, "den Saft abzustellen", wenn ein Wort über die laufende Polizeiaktion über den Äther ginge. Nebenbei ließ man ein paar Aktenordner mitgehen, von denen man sich offenbar Aufschluss über die Organisation des Senders versprach. Schließlich wurden die Studio- und Büroräume des FSK genau vermessen und abfotografiert. Anschließend zog die Armada weiter zur Privatwohnung des beschuldigten Redakteurs und durchsuchte sie ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluß. Auch die Privaträume wurde rechtswidrig abgelichtet. Derselbe Staatsanwalt, der damals das martialische Aufgebot anführte, sich in der Privatwohnung wie im Sender aufgehalten hat und dem die Rechtswidrigkeit der Fotografien in der Wohnung des Angeklagten zwischenzeitlich richterlich bescheinigt worden ist, plädierte nun vor Gericht immer noch auf eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Das Gericht erkannte dagegen, dass die Motivation des Angeklagten ehrenhaft gewesen sei und ein hoher Aufklärungsbedarf der Öffentlichkeit bestanden habe.

Nach drei Jahren endlich drückt sich nun also im Strafmaß aus, was das Vergehen von Anfang an war: eine Bagatelle. Ein Radioreporter ruft in der Polizeipressestelle an, nennt seinen Namen und seine Funktion, führt ein Gespräch mit einem Polizeipressesprecher, zeichnet dieses auf und sendet es ohne explizite Freigabe. Der Pressesprecher wird von übergeordneter Stelle darauf hingewiesen und muss erfahren, dass er in dem Gespräch keine glückliche Figur macht. Statt nun auf dem Dienstweg über die Landesmedienanstalt den Sendungsmitschnitt anzufordern, zog man es vor, Kampfmonturen anzuziehen und dem Sender selbst einen Besuch abzustatten. Der Schaden für den Betroffenen, den Pressesprecher der Polizei, war gleich null. Er hätte, so gab er in der ersten Hauptverhandlung zu Protokoll, das gleiche in einem explizit freigegebenen Interview gesagt, sich lediglich etwas kürzer gefasst.

Der damalige Einsatz, das Gerichtsurteil macht es deutlich, steht in keinem Verhältnis zum Vergehen und hatte nur einen Sinn: man wollte einen Radiosender, welcher der Hamburger Polizei ein Dorn im Auge ist, einschüchtern und seine Strukturen auskundschaften. Gegen diese Praxis ist auch weiterhin eine Klage des Senders beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Gescheitert ist die Polizei mit ihrem Vorgehen gegen den Sender schon jetzt: FSK hat sich zu keinem Zeitpunkt von dem Polizeieinsatz beeindrucken lassen und versorgt weiterhin seine HörerInnen mit Informationen. Auch solchen, die nicht in den Polizeipressemitteilungen stehen. Neben vielen anderen Dingen natürlich. Viele BewohnerInnen der Stadt sind erst durch das Vorgehen der Polizei gegen FSK darauf aufmerksam geworden, wie in Hamburg mit der Pressefreiheit umgegangen wird. Über die Stadtgrenze hinaus wurde der Fall ein Anschauungsmaterial 'Hamburger Verhältnisse'. Diese Verhältnisse haben mitlerweile (unter CDU Alleinregierung) weitere Auswüchse erfahren.

In der März-Landespressekonferenz zur Entlassung des ehemaligen Justizsenators Roger Kusch wurden durch einen FSK Redakteur die wiederholten gerichtsnotorischen Rechtsbrüche der Hamburger Polizei bei unterschiedlichsten Anlässen festgestellt. Die Frage nach Konsequenzen wehrte der Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg mit der Bemerkung ab, der Innensenator sonne sich in erstklassigen Umfragewerten. Noch während dieser Pressekonferenz begann Ole von Beust, Journalisten der Stadt juristische Konsequenzen für Veröffentlichungen aus dem PUA Feuerbergstraße anzudrohen, was er anschließend mehrfach wiederholte bzw. wiederholen ließ.
Die kritische Öffentlichkeit wird genau zu beobachten haben, wo die nächsten staatlich definierten Geheimnisse zum Ausschluss der Öffentlichkeit und der Verfolgung von Aufklärung ansetzen. Besondere Aufmerksamkeit befarf nach Sicht des FSK auch ein anderer Fall: Seit nunmehr ca. eineinhalb Jahren gibt es in Hamburg ein Ermittlungsverfahren, zu dessen Legitimierung eine Gruppe Menschen zur 'kriminellen Vereinigung' erklärt wurde. Ihre Wohnungen sowie diejenigen ihrer Eltern wurden durchsucht und durchwühlt, seitdem ohne jeden Hinweis auf irgendeine 'kriminelle Betätigung'. Diesen Menschen ist über einen langen Zeitraum kein nichtobserviertes Zusammentreffen mit anderen Menschen möglich gewesen.

Das Grundrecht auf Versammlungs- Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ist ihnen genommen worden, alles aufgrund einer bloßen Bezichtigung, deren Beleg Polizei, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft schuldig bleiben. Auch in diesem Fall ist anzunehmen, daß die polizeilichen Maßnahmen politische Verfolgung im engeren Sinn darstellen und so dann auch juristisch verhandelt werden.

Das fast dreijährige Verfahren gegen den FSK Redakteur stellt einen der glücklichen Fälle dar, in denen polizeiliche Einschüchterungsmaßnahmen ins Leere laufen können. Dafür haben wir uns auch bei unseren HörerInnen und UnterstützerInnen zu bedanken, u.a für die Spenden auf unser Prozesskostenkonto. Nicht einmal mit den schönen Grundrissskizzen des Studios übrigens wird die Hamburger Polizei etwas anfangen können: Seit dem 15. Juli 2006 logiert das Freie Sender Kombinat nicht mehr im Schulterblatt, sondern ist umgezogen in die Eimsbütteler Chausse 21. Herzlich willkommen!

Und noch immer gilt: Wer die Arbeit des FSK langfristig unterstützen will, ist herzlich dazu eingeladen, Fördermitglied zu werden!
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Ergänzungen

Die Seite des Freien Sender Kombinats

d 18.10.2006 - 22:20

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