Abschiebung per Kleincharter

g. 05.09.2006 18:24 Themen: Antirassismus
Serif Akbulut aus dem Main-Kinzig-Kreis (Hessen) ist heute mit einem eigens dafür gecharterten Kleinflugzeug in die Türkei abgeschoben worden. Außer ihm selbst flogen lediglich das Flugpersonal und einige Beamte der Bundespolizei mit. In den letzten Wochen waren drei Abschiebungsversuche gescheitert, da sich die Piloten geweigert hatten, ihn mitzunehmen. Gleichzeitig setzten sich sehr viele Leute aus den unterschiedlichsten Kreisen für ihn ein - trotzdem (vorerst) vergeblich.
Die kurdische Familie Akbulut war 1998 vor politischer Verfolgung aus der Türkei geflohen. Der 20-Jährige Serif lebte seit seinem 12. Lebensjahr in Deutschland und musste sich, seit er 15 ist, um sämtliche Belange der Familie kümmern - er hat das nahezu Unmögliche geschafft: trotz aller widrigen Bedingungen hat er sich integriert, spricht perfekt die deutsche Sprache, hat einen guten Schulabschluss und ist bei den lokalen Fußballvereinen als Spieler begehrt.
Das alles interessierte das Regierungspräsidium Darmstadt und das hessische Innenministerium nicht, sie setzten alles daran, ihn abzuschieben, was ihnen heute auch im vierten Anlauf gelang.

Der hessische Innenminister Volker Bouffier muss sich angesichts des immensen Aufwands, der betrieben wurde, um einen hier seit acht Jahren lebenden, gut integrierten jungen Mann abzuschieben, fragen lassen, was seine Absichtsbekundungen für eine Bleiberechtsregelung noch wert sind. Der Innenminister hatte sich in der Vergangenheit mehrfach dafür ausgesprochen, geduldeten Flüchtlingen, die seit sechs Jahren in Deutschland leben, integriert sind und keine Straftaten begangen haben, ein Bleiberecht einzuräumen - Kriterien, die Serif Akbulut allesamt erfüllte.

"Im Fall Akbulut offenbart sich ein erschreckender unbedingter Abschiebungswille der Behörden. Es drängt sich Eindruck auf, dass kurz vor einer Einigung über eine Bleiberechtsregelung noch einmal versucht wird, mit allen Mitteln potentiell Bleibeberechtigte loszuwerden" kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, die Abschiebung.

Flüchtlingsorganisationen und lokale Bleiberechtsbündnisse fordern schon seit langem vom Innenminister, bis zur Innenministerkonferenz im November einen hessenweiten Abschiebungsstopp für langjährig geduldete Flüchtlinge zu erlassen, wie es einige andere Bundesländer bereits getan haben. Auch verschiedene Stadt- und Kreisparlamente, darunter der Kreistag des Main-Kinzig-Kreises, in dem Serif Akbulut bis zu seiner Inhaftierung wohnte, haben in den vergangenen Wochen Resolutionen für einen solchen Abschiebungsstopp verabschiedet.

"Eine Bleiberechtsregelung, die diesen Namen auch verdient, muss erstens von den Menschen überhaupt in Anspruch genommen werden können und zweitens auch Kriterien beinhalten, die auch von ihnen erfüllt werden können" umriss Scherenberg die Anforderungen an eine Bleiberechtsregelung. Das bedeutet, dass sie bis zu der Innenministerkonferenz vor Abschiebungen sicher sein müssen und außerdem eine mögliche Regelung keine wirklichkeitsfremden Ausschlusskriterien beinhalten darf. Hier ist vor allem der Sozialleistungsbezug zu nennen, da die übergroße Mehrheit der Geduldeten nicht arbeiten kann oder darf.

Zusätzlich zu einer wirksamen Bleiberechtsregelung muss denjenigen, die - wie Serif Akbulut - schon abgeschoben wurden, ein Rückkehrrecht eingeräumt werden. Für die UnterstützerInnen ist der Fall mit der jetzt erfolgten Abschiebung daher auch noch nicht zu Ende: Wir fordern, dass Serif wieder nach Deutschland kommen darf, um dort zu leben, wo er hingehört - bei seiner Familie im Main-Kinzig-Kreis!
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g. 05.09.2006 - 18:36

Golame benötigt ebenfalls Hilfe

dortmunder 05.09.2006 - 19:04
Seit sechs Jahren gehört sein Gesicht zum Kreuzviertel – Golam Khair aus Bangladesh. Er hat sich gut eingelebt in den Jahren hier in Dortmund.

Er hat viele Freunde gefunden, er ist ein hervorragender Koch und Schriftsteller. Er ist vielen bekannt als der Rosenverkäufer!

Mit hartnäckiger Freundlichkeit und der Unterstützung verschiedener potenzieller Arbeitgeber versucht er seit Jahren, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, um hier einer regulären Arbeit nachgehen zu können. Dies war ihm bislang aufgrund der rechtlichen


Rahmenbedingungen für Asylbewerber nicht möglich. Jetzt allerdings steht sein Abschiebung bevor:

Golam will aber bleiben!

In Bangladesh müsste er sein Leben neu aufbauen. Wir aber unternehmen einen letzten Versuch, dass er hier bleiben kann.

Die letzte Möglichkeit, die Abschiebung von Golam noch abzuwenden, ist ein so genannter Härtefall-Antrag bei der dafür zuständigen Kommission in Düsseldorf.

Hierzu haben wir einen Unterstützerkreis gegründet, dem ihr einfach durch Hinterlassen eures Namens und eurer Email-Adresse beitreten könnt. Unterstützt unsere Forderung für ein dauerhaftes Bleiberecht für Golam!

hier weiter lesen

Ja Hoffmann 06.09.2006 - 23:35
Abschiebeflieger enttarnt
 http://de.indymedia.org/2006/09/156586.shtml

trotzdem (vorerst) vergeblich ????????

Schieber 03.10.2006 - 02:34
Gleichzeitig setzten sich sehr viele Leute aus den unterschiedlichsten Kreisen für ihn ein - trotzdem (vorerst) vergeblich.

So steht es oben geschrieben. Nur verstehe ich nicht wieso vorerst vergeblich.
Wer erstmal weg ist kommt nicht wieder.
Zwangsabschiebung hat immer einen Eintrag im Pass zur folge.Und damit kann man nicht wieder einreisen.
Sollte man trotzdem versuchen einzureisen, wäre das illegal. Was zur Folge hat das man problemlos Zurückgewiesen-/schoben werden kann.

Vielleicht sollte man aus "vorerst" wohl "endgültig" machen.

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a-ha 05.09.2006 - 19:23
"immensen Aufwands, der betrieben wurde, um einen hier seit acht Jahren lebenden, gut integrierten jungen Mann abzuschieben"

traurig genug dass die politik - in gestalt ihrer vertreter_innen wie bouffier wie als form der herrschaft im nationalstaat - wie auch die absolute mehrheit der deutschen bevölkerung migrant_innen oder solche die sie dafür halten an kriterien von tauglichkeit und verwertbarkeit messen - im neusprech 'integrationsfähigkeit' genannt. noch schlimmer aber, dass selbst die wenigen, die sich gegen abschiebung(en in einzelfällen) wehren, ebenso auf solche argumentationsmuster zurückgreifen. dass mag taktisch motiviert sein (hoffentlich!), es liefert aber im endeffekt diejenigen die erst seit kurzem hier leben oder nicht 'gut integriert' sind - alte, sog. behinderte, menschen die gegen gesetze verstoßen, linksradikale etc. - der abschiebung aus. anstatt menschen egal welcher herkunft solchen kapitalistische kriterien zu unterwerfen sollte anti-rassismus darauf drängen, dass eine vernünftig eingerichtete gesellschaft selbstverständlich allen menschen die möglichkeit geben muss,dort zu leben wo sie möchten. wenn eine gesellschaft dies nicht ermöglicht - und auch aus ihrem innersten wesen, dem diktat der verwertung heraus, nicht kann - muss sie eben zerstört und durch eine bessere ersetzt werden.
in diesem sinne:
gegen reformistisch-paternalistischen humanismus -
gegen alle grenzen -
für den kommunismus.

lesenswert

antira 05.09.2006 - 23:58
schade, daß der beitrag von a-ha, nicht als "inhaltliche ergänzung" gilt. bei allem respekt für die aktivist_innen die hinter dem artikel stehen, auf dauer stärkt das argumentieren mit den kriterien des systems dieses nur. kein mensch ist illegal!