HH: Neue Unipräsidentin und Rüstungsindustrie

raketenmoni 24.06.2006 02:02 Themen: Bildung Militarismus
Wie vielleicht schon aus der Presse erfahren, steht die Nachfolge im Amt des Präsidenten der Universität Hamburg so gut wie fest.
Einzige Kandidatin ist die Raumfahrtforscherin Monika Auweter-Kurtz.
Diese befasst sich aber ander als taz oder abendblatt glauben machen nicht nur mit der zivilen Raumfahrt:
Sie unterstützt die Rüstungsindustrie, fördert die Atomkraft, fordert höhere Studiengebühren und ist CSU/Merkel-Fan
Monika Auweter-Kurtz, die einzige Kandidatin, ausgewähltvom externen Hochschulrat ist zur Zeit Leiterin der Abteilung Raumtransporttechnologie der Universität Stuttgart und gilt als international anerkannte Expertin im Bereich Plasma Technologie und Raketenantriebstechnik. Mehr Aussagen über ihre Vorstellung von Wissenschaft lassen sich anhand ihrer außeruniversitären Tätigkeiten machen

Industrie, Rüstung, Militär, Atomkraft

Monika Auweter-Kurtz ist Leiterin des Steinbeis-Zentrums für Plasma- und Raumtechnologie.
Das Steinbeis-Netzwerk hat es sich eigenen Angaben zur Folge zur Aufgabe gemacht, „als Bindeglied zwischen universitärer Forschung und industrieller Anwendung“ zu wirken. Schon hier sollte mensch stutzig werden. Schaut man sich die Referenzen dieses „Netzwerkes“ an wird jedoch auch deutlich was unter „industrieller Anwendung“ zu verstehen ist. An erster Stelle findet sich hier (neben NASA und ESA) ein hundertprozentiger Rüstungskonzern, die „Bayern-Chemie Protac“. Diese stellt unter anderem für die britische und die französische Armee Raketenantriebe, also Kriegswaffen her.

Monika Auweter-Kurtz ist seit 1998 Direktorin der US-amerikanischen „Electric Rocket Propulsion Society“ die sich ebenfalls mit Raketenantrieben beschäftigt.
Schaut man sich unter den Mitgliedern dieser illustren Gesellschaft ein wenig um, findet man Ingenieure und leitende Mitarbeiter beinahe sämtlicher großen Rüstungskonzerne der USA: Lockheed Martin (Kampfjets, Kriegsschiffe, Nr. 1 im Kriegsgeschäft weltweit) Boeing (Kampfflugzeuge, Bomber), General Dynamics, (Panzer, U-Boote, Kriegsschiffe) McDonnell Douglas (Kampfjets) sowie Ingenieure der US-Luftwaffe US Air Force.

Schon 1982 erhielt Monika Auweter-Kurtz den „Window of Science Award" der US Air Force“ eine Auszeichnung die an junge Wissenschaftler verliehen wird, „that benefit the U.S. Air Force“.

Die Kandidatin für das Amt der Uni-Präsidentin ist Gesandte der BRD im UN-Ausschuss „Nuclear Power Sources“ und der Arbeitsgruppe der EU-Kommission „Nuclear Power in Space“ und setzt sich für die Nutzung von Atomkraft im Weltraum ein. Der Einsatz nuklearer Wärme- und Stromquellen sei „für die Erkundung unseres Planetensystems unumgänglich“

Deutschland, CSU und Studiengebühren

Bei dieser (unvollständigen) Horrorliste scheint es fast nebensächlich was Monika Auweter-Kurtz neben ihrer rein wissenschaftlichen „Arbeit“ politisch geäußert hat.
Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sie sich während der vergangenen Bundestagswahl als Unterstützerin der CSU und Angela Merkel geoutet hat und mit anderen „Prominenten“ in großformatigen Anzeigen fordert:
„Deutschland braucht Kraft, Ehrlichkeit und einen neuen Kurs. Lamentieren nützt nichts!“
Bildungspolitisch hält sie Studiengebühren für sehr sinnvoll, 500 Euro sind ihr allerdings noch viel zu wenig. Wohin die zusätzlichen Einnahmen von fast 40 Millionen Euro an der Uni Hamburg hingehen werden, möchten wir uns nach dem oben beschriebenem gar nicht vorstellen. Zusätzlich befürwortet die Kandidatin die Abgabe weiterer Entscheidungsbefugnisse der Universität an externe Experten, z.B. aus der Industrie – wie es mit dem Modell des Hochschulrats in Hamburg bereits geschieht.


Diese Nominierung erscheint nur auf den ersten Blick absurd. Raketen-Moni passt wie die Faust aufs Auge zu den Umstrukturierungen in der Hamburger Hochschullandschaft - wenn schon mehr Industrie-Orientierung, warum nicht gleich Rüstungsindustrie.

Nichtsdesto trotz bleibt dies ein handfester Skandal. Es bleibt abzuwarten wie die Öffentlichkeit, die Professoren und die Studierenden reagieren.

Am Donnerstag den 29. Juni 2006 ist Monika Auweter-Kurz zum ersten Mal an der Uni Hamburg um sich den Satusgruppen zu stellen. Sie wird hoffentlich einen heißen Empfang bekommen.




Links zu Monika Auweter-Kurtz


Infos zur Person

 http://www.irs.uni-stuttgart.de/institut/mitarbeiter/auweter.html

Steinbeis Transfer Zentrum für Plasma und Raumfahrttechnologie

 http://www.plasma-raumfahrt.de/


Bayern-Chemie Protac

 http://www.bayernchemie-protac.com/

Electric Rocket Propulsion Society

 http://www.engin.umich.edu/dept/aero/ERPS/

Position zu Nuklearkraft

 http://www.uni-stuttgart.de/alumni/infoservice/newsletter_ausgabe.php?ausgabe=3&jahr=2004#artikel_4

CSU-Anzeige pro Angela Merkel

 http://www.csu-net.de/Gremien/UploadedFiles/Dokumente/FU_Anzeige_FAZ_30.09.2005.pdf
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Ergänzungen

Frage

Deep Space 9 24.06.2006 - 02:44
Wieso gibt es keine anderen Kandidaten, wie werden die Kandidaten denn nominiert/ausgewählt/vorgeschlagen? Wer wählt? Haben die Studenten Stimmrecht? Wenn nein, wieso? Klingt alles irgendwie bischen autoritär für mich, nähere Infos?

Wer wählte Raketen-Moni aus

@Deep Space 9 24.06.2006 - 12:03
Ich bin mir bei meinen Informationen nicht zu 100%. Also scheut keine Ergänzungen:

Die Neue Unipräsidentin ist der heiße Kandidat der so genannten "Findungskommission". Diese setzt sich zur Hälfte aus Mitgliedern des Akademischen Senats und zur anderen hälfte aus Mitgliedern des Hochschulrates zusammen. Im Akademischen Senat sitzen gewählte Delegierte aller Universitären Stausgruppen (Studis, Profs, Personal). Im Hochschulrat sitzen Leute die von der Haspa, Unilever, Bertelsmann und dem NDR bestimmt werden.
Jetzt muss sie sich glaub ich vom Akademischen Senat und dem Hochschulrat wählen lassen.

Kleine Anmerkung: es gab mehrere KandidatInnen. Aber die Findungskommission befand alle als ungeeignet und suchte daher eine Neue Kandidatin - Raketen-Moni

Antwort

@Deep Space 24.06.2006 - 12:41
An der Uni wird gekungelt.

Die Profs haben meist die die Hälfte aller Stimmen (also sehr schnell und einfach die Mehrheit).

"Gewählt" wird der kleinste gemeinsame Nenner, der allen Beteiligten aus den verschiednsten Gründen am geeignetsten erscheint. Kompetenz spielt dabei die geringste Rolle...

Glaubts mir, hab sowas an verschiednen Unis mit angesehen, auch wenns da nur um Profs ging, das Prinzip ist das gleiche, weil: die Verwaltungsleiter haben sehr viel Macht und das sind meist sehr unangenehme Zeitgenossen, vornerum freundlich und zuvorkommend. Am nächsten Tag kommt dann die Keule.
Da wird mit harten Bandagen gekämpft, also Täuschung, Bluff etc.
Poker isn Witz dagegen...

Fndungskommission

raketenmoni 24.06.2006 - 15:04
Auszug aus dem neuen Hamburger Hochschulgesetz zur Wahl des Präsidenten:



(2) Der Hochschulrat setzt eine Findungskommission ein,
die zu gleichen Teilen aus Mitgliedern des Hochschulrats
und des Hochschulsenats besteht und von der Vorsitzen-
den oder dem Vorsitzenden des Hochschulrats geleitet
wird. Die Findungskommission schreibt die Stelle aus und
bereitet die Wahl durch den Hochschulrat vor


Die Macht liegt also letztlich beim Hochschulrat, der zur Hälfte aus Profs und zur Hälfte aus externen (vom Senat bestimmten) Mitgliedern besteht, zB Vertreter der Hamburger Sparkasse und Unilever.
In der Findungskommision sitzt auch ein Studi, viel zu sagen hat der aber nicht.
Der Akademische Senat (AS), der noch von den Statusgruppen der Uni selbst gewählt wird hat allerdings eine Art Vetorecht, könnte die Wahl also verhindern - allerdings nicht selbst eine(n) neue(n) Kandidatin bestimmen.

Weitere Fragen

befremdet 24.06.2006 - 15:44
Wie kommt es, dass die Wirtschaft über den Hochschulrat so viel Einfluss nehmen kann? Das hat nicht zufällig die CDU mal eingeführt?

Was mich persönlich daran sehr, sehr stört: "Die Wirtschaft" besteht doch auch nur aus Menschen, die wie jeder andere in der Wahlkabine bei demokratischen Wahlen ihre Stimme abgeben, und so ganz normal Einfluss ausüben können. Wieso wird sie via Hochschulrat nochmal so privilegiert? Mit welcher Rechtfertigung eigentlich? Was hat die Wirtschaft da überhaupt zu suchen? Wer hat denn "Die Wirtschaft" gewählt? Inwiefern ist sie prädestiniert, auf die Ausbildung der menschen Einfluss zu nehmen? Warum nicht stattdessen mal "Die Kultur", "die Intelligenz", "die Philiosophie"? Sind die nicht so wichtig?

Was hat das alles denn mit Demokratie zu tun? Klingt eher nach dem alten autoritären Obrigkeitsstaat verbunden mit dem Glaubensbekenntnis "Neoliberalismus" und absoluter Wirtschaftshörigkeit. Wieso soll denn diese Wirtschaft über Hochschulbildung miteintscheiden, die selbst nichtmal genug Ausbildungsplätze für die Jugend bereitstellt, und auch sonst ausser PR, Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzung nicht mehr viel auf die Reihe kriegt?

Es scheint, dass man zunehmend gewillt ist, einem vermeintlichem wirtschaftlichen Erfolg auch Arten von Demokratie zu opfern. Da wird studentische Mitbestimmung beschnitten und abgeschafft, als ob sie eine Art Versehen oder Auslaufmodell sei; da werden auch sonst via Medienkampagnen und INSM Stimmungen erzeugt und Halbwahrheiten verbreitet, Alternativen tauchen nicht mehr auf. Als "neutral" getarnte Meinungsmache überall. Milliarden werden für PR und "Berater" verpulvert, eine ganze Branche ist inzwischen damit beschäftigt, wirtschaftsliberale Politik wie Waschpulver mit süssen Flötentönen und Sympathieträgern an den Mann zu bringen.

Es ist aber gut, dass die junge Generation wieder kritischer wird und nicht mehr nur die Klappe hält und zuguckt, und das weltweit.


kein guter rat

tagmata 24.06.2006 - 16:58
"Wie kommt es, dass die Wirtschaft über den Hochschulrat so viel Einfluss nehmen kann? Das hat nicht zufällig die CDU mal eingeführt?"

der mann hieß rüttgers, jürgen rüttgers, und grundlage des ganzen ist der entsprechende passus im hochschulrahmengesetz.

das kommt jetzt flächendeckend.

Hochschulgesetze

der caspar 24.06.2006 - 23:55
es ist nicht rütgers, sondern thomas oppermann (spd) gewesen, niedersachsens letzter wissenschaftsminister, der diese "effizienten entscheidungsstrukturen" als erster in ein hochschulgesetz packte. aber im grunde genommen ist in allen bundesländerns dieselbe neoliberale hochschulpolitik am werke...

ich empfehle hierzu z.b. die analyse des "Bund demokratischer WissenschftlerInnen", www.bdwi.de

wir ham auch daimler-chrysler im uni-stiftungsrat...

Link zur BdWi-Position

searcher 28.06.2006 - 11:39
caspar schrieb:
ich empfehle hierzu z.b. die analyse des "Bund demokratischer WissenschftlerInnen", www.bdwi.de

dann am besten hier:

BdWi: Zur Neufassung des Hamburgischen Hochschulgesetzes: Stellungnahme des BdWi-Vorstandsmitglieds Dr. Andreas Keller
 http://www.bdwi.de/bdwi/positionen/94248.html

Nicht nur in HH

:: 28.06.2006 - 11:48
Wie bereits geschrieben, gibt es entsprechende Hochschulräte mit weitreichenden Befugnissen inzwischen in fast allen Bundesländern. Eine Analyse der entsprechenden Regelung in Hessen findet sich ebenfalls beim BdWi (entnommen der Zeitschrift des BdWi, Forum Wissenschaft):

Alex Demirovic: Demokratische oder autokratische Hochschule. Zur Neufassung des Hessischen Hochschulgesetzes, Forum Wissenschaft 3/2004
 http://www.bdwi.de/forum/archiv/uebersicht/97827.html

Eine inhaltliche Anmerkung aber noch: Dass hier nun die Wirtschaft stärker als lange Zeit zuvor in die Hochschulen hineinwirkt, ist richtig - aber täuscht Euch nicht dahingehend, dass die entsprechenden Landesregierungen die Hochschulen lediglich der Wirtschaft ausliefern - dabei geht es auch um eigene Einflussnahme. Häufig sieht die Kompetenzkette so aus:

Landesregierung ernennt Hochschulrat (die Wirtschaftsvertreter werden also nicht von der Hochschule selber benannt)
-->
Hochschulrat wählt neuen Unipräsidenten/-in aus
--> Landesregierung ernennt neuen Unipräsidenten auf Vorschlag des Hochschulrates

In manchen Bundesländern, z.B. in Brandenburg, gibt es auch einen "Landeshochschulrat", der entsprechend den Einfluss, 'tschuldigung, die Kompetenz, der Wirtschaft auf die gesamte Landeshochschulplanung sichern soll.

Der hessische Wissenschaftsminister Corts hat sich kürzlich damit blamiert, dass er einen von ihm eingesetzten Hochschulrat sich wohlwollend zu Studiengebühren äußern ließ, nachdem die meisten Hochschulleitungen (Marburg z.B. nicht) sich kritisch zu den neuen Gebühren geäußert hatten.

Insofern: Ja, Wirtschaftsinteressen bestimmen, affirmative Manager werden für Posten gesucht - aber die Landesregierungen hängen da durchaus noch drin.

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muss ausgefüllt werden — muss ausgefüllt werden

hallo — neoliberale mafia