Soziale Grundsicherung nur noch für Deutsche?

Flüchtlingsinitiative Moabit 05.06.2006 18:40 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Zusätzlich zu den bereits beschlossenen Verschärfungen beim Arbeitslosengeld-II planen derzeit offenbar einige CDU-geführte Bundesländer und Teile der Großen Koalition, im Rahmen eines weiteren "SGB-II-Optimierungsgesetzes" den Bezug von "öffentlichen Hilfeleistungen", namentlich Arbeitslosengeld-II ("Hartz-IV"), auf BesitzerInnen der deutschen Staatsangehörigkeit, oder allenfalls noch EU-BürgerInnen, zu begrenzen.
Ein entsprechendes Papier wurde in den vergangenen Tagen in die laufenden Verhandlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingebracht und erörtert.
Quelle für diese Informationen ist eine, uns seit langem befreundete Person, welche als Fraktionsmitarbeiter/in bei der SPD-Bundestagsfraktion tätig ist. (Aus naheliegenden Gründ möchten wir hier keine näheren Anhaltspunkte zur Identität des betreffenden Menschen liefern.)

Von den Plänen vorerst NICHT betroffen soll das Arbeitslosengeld-I sein, da es keine "öffentliche Hilfeleistung", sondern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung ist, auf welche die arbeitslose Person durch eingezahlte Beitrage eine gesetzlich geschützte Anwartschaft erworben hat.

Juristische Gutachten über die Umsetzbarkeit der von den Bundesländern Hessen und Thüringen eingebrachten Vorschläge, wurden bereits in der vergangenen Woche bei mehreren renommierten Staats- und Verwaltungsrechtlern in Auftrag gegeben.
Es soll insbesondere geprüft werden, inwieweit eine Begrenzung des Leistungsbezugs allein auf deutsche StaatsbürgerInnen mit EU-Recht vereinbar ist.
Für den Fall, daß das europäische Recht in diesem Punkt den Planungen entgegensteht, soll der Kreis der Bezugsberechtigten zur Not noch auf, in Deutschland ansässige, BürgerInnen der EU-Mitgliedsstaaten erweitert werden.
Auf jeden Fall außen vor bleiben, werden aber Angehörige von Nicht-EU-Staaten, welche den Großteil der Bevölkerungsgruppe der in Deutschland lebenden nichtdeutschen Staatsangehörigen stellen!
In Bestimmungen des internationalen Rechts wird übereinstimmend kein Hindernis gesehen, da dort keine Regelungen über die Gestaltung sozialer Sicherungssysteme vorgenommen sind.

Zustimmung finden die Autoren des Papiers bisher unter anderem durch die Vertreter der Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Sachsen, sowie durch Vertreter der Regierungskoalition wie den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Kauder, Bundesinnenminister Schäuble (CDU) sowie Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD).
Vor der öffentlichen Erörterung der Pläne in den kommenden Wochen, wird noch das Vorliegen der juristischen Gutachten abgewartet; innerhalb der SPD-Verhandlungsdelegation wurde jedoch vor Pfingsten schon intensiv und durchaus geteilt das Für und Wider der angedachten "Optimierungen" diskutiert.

Hintergrund für das Vorgehen ist die dramatische Schieflage bei den Kosten für Hartz-IV. Ziel ist eine mittelfristig haushaltswirksame Einsparung zwischen sieben und zehn Milliarden Euro bei den Aufwendungen für das Arbeitslosengeld-II.

Hauptleidtragende dieser geplanten Verschärfungen wären in Deutschland lebende MigrantInnen aus Nicht-EU-Herkunftsländern.
Staatsangehörige der Türkei oder arabischer und afrikanischer Staaten müßten, selbst wenn sie hier geboren und aufgewachsen sind, die Suppe auslöffeln, die sich die Regierungen Schröder und Merkel durch ihre fahrlässig (oder absichtlich?) zu niedrig angesetzten Kostenkalkulationen für Hartz-IV eingebrockt haben!

Weiterhin wird durch einen Ausschluß von Nichtdeutschen (ggf. Nicht-EU-BürgerInnen) vom Leistungsbezug ein Nachlassen des "Zuwanderungsdrucks" aus unerwünschten sozialen Schichten erhofft. Der indische Computerspezialist, der russische Mathematiker oder das arabische Milliardärssöhnchen soll natürlich weiterhin gerne kommen dürfen; abgeschreckt werden sollen arme, ungebildete und aus rassistischen Gründen unerwünschte Menschen - eben der ganze "Überschuß", der in der kapitalistischen Profitlogik nicht verwertbar ist!
Gleichzeitig soll ein völkischer Konsens geschaffen werden - hier "wir Deutschen", dort "die Ausländer", die "auf unsere Kosten" leben!
Der "deutsche" Hartz-IV-Schlucker soll sich immer noch ein kleines Stückchen wertvoller fühlen dürfen als der "ausländische Sozialschmarotzer"; er soll immer noch jemanden haben, auf den er heruntergucken kann, der noch weniger hat als er selbst!

Doch die zynische Logik geht noch weiter:
Angesichts der aktuellen Lage am Arbeitsmarkt, von der MigrantInnen ohnehin schon überdurchschnittlich hart gebeutelt sind, wird vielen der Betroffenen gar nichts anderes übrig bleiben, als entweder still und leise zu verhungern oder sich durch "Kriminalität" ihr nacktes Überleben zu sichern!

Es ist so pervers wie einfach:
Man entzieht einer Gruppe von Menschen per Gesetz die Lebensgrundlage und läßt ihnen als einzigen Ausweg den Schritt in die Kriminalität!
Die berechtigte Empörung der betroffenen MigrantInnen und die geradezu zwangsläufig explodierende, sogenannte "Ausländerkriminalität" werden sodann als Hebel mißbraucht, um rassistische Ausgrenzung, Hetze und Repression immer weiter und weiter zu verschärfen. Ein wirklich teuflischer Kreislauf von Entrechtung, Unterdrückung und endlich physischer Vernichtung!

Komplettiert wird dieses sich abzeichnende Horrorgemälde noch durch, von CDU/CSU-Kreisen eingebrachte Vorschläge zur weiteren Verschärfung des sog. "Ausländerrechts".
Flankierend zum faktischen Ausschluß großer Teile der migrantischen Community aus den sozialen Sicherungssystemen, soll künftig bei rechtskräftiger Verurteilung auch wegen leichterer Straftaten die Abschiebung des Täters nach Strafverbüßung zwingend vorgeschrieben werden; unabhängig von Geburt oder vollständiger Integration in Deutschland!
Weiterhin wird ergänzend diskutiert, Nicht-EU-Staatsangehörigen nach einer Dauer von mehr als 12 Monaten ununterbrochener Arbeitslosigkeit unabhängig von etwaigem Leistungsbezug die Aufenthaltserlaubnis zu entziehen und sie zur Ausreise zu verpflichten.

All dies wirft ein erschreckendes Licht auf den Zustand der Gesellschaft in der wir leben!
Es gilt Widerstand zu leisten gegen jeden Versuch weitere soziale Keile zwischen die hier lebenden Menschen unterschiedlicher Herkunft zu treiben!
Die beschriebenen Planungen sind vorerst nur interne Vorschläge einiger Hardliner die so wohl nicht durchkommen werden. Doch sie zeigen deutlich, wes Geistes Kinder jene "Volksvertreter" sind, die sich hierzulande die Macht angeeignet haben!


Alle zusammen müssen wir dem rassistisch-völkischen Konstrukt entgegentreten! - unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung!

Fight'em back!

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 http://web.fu-berlin.de/age/noracism.htm
 http://www.rageagainstabschiebung.de/
 http://www.migration-online.de
 http://www.zara.or.at
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Ergänzungen

Wo die Armut wohnt....

frosch 05.06.2006 - 21:12

Bauchschmerzen

löst 06.06.2006 - 19:54
ein Blick in das NPD-Prgramm aus. Die wollen nur Deutsche in der Sozialversicherung haben. In der Nazizeit gibt es die Vorbilder der nicht versicherten Ausländer und Juden. Es ist nicht zu fassen, was da geplant wird. Das Europarecht, das früher einmal wegen seiner geringen sozialen Ausstrahlung blächelt wurde, ist gegen einige moderne Planungen inzwischen ein Bollwerk. Politiker was seid ihr herunter gekommen. Kein Wunder, dass jetzt jeder Anlass ergriffen wird, um einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu ermöglichen. Mal ist es der Katastrophenschutz wegen der Vogelgrippe und die Bundeswehr könnte ja auf Bakterien schießen, mal ist es die WM und die Bundeswehr könnte Bälle abknallen, ...
Vor allen Dingen habe ich aber einen Verdacht: Die Politiker der großen Parteien wollen nach den verheerenden Wahlschlappen endlich auf das eigene Volk schießen.

...

Makro 01.08.2006 - 04:29
Also ich hab mir jetzt den 'Evaluierungsbericht zum Zuwanderungsgesetz' durchgelesen, und da kommt mir einiges aus diesem Artikel hier doch arg überdramatisiert vor.

Erstens mal wäre die Mehrheit der Ausländer hier nicht von der Gesetzesverschärfung betroffen da sie keine befristete Aufenthaltserlaubis sondern eine unbefristete Niederlassungserlaubnis hat.

Da kann man NUR abgeschoben werden wenn man zu langen Haftstrafen verurteilt wird bzw. unter Terrorverdacht steht.

Auch für Ausländer mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis die seit der Jugend und insgesamt über 5 Jahre hier leben gilt das gleiche.

Außerdem galt die ganze Zeit schon dass eine befristete Aufenthaltserlaubnis im Falle des Bezuges von Sozialhilfe unter Umständen nicht mehr verlängert wird, nur geht es jetzt scheinbar darum dass das ALG2, also die 350 EUR die man zum Leben kriegt, ebenfalls darunter fällt. Das war bislang nämlich ein Ausweisungshindernis.

Also bitte net immer gleich so übertreiben.

Mit freundl. Grüßen
Makro

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