Universität Bordeaux besetzt

Jean-Claude 14.03.2006 12:41 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Im Rahmen der landesweiten Protestwelle, welche seit einigen Wochen Frankreich überrollt, wurde heute die Universität von Bordeaux blockiert. Sie ist somit ungefähr die 50. von insgesamt 84 Universitäten Frankreichs, die mit dieser Maßnahme gegen das Gesetz zur Einführung des sog. CPE (Contrat Primeur Embauche, s.u.) protestiert. Die Blockade war vergangene Woche auf einer Vollversammlung beschlossen worden.
"FAC bloquée-tous contre le CPE" ("Uni besetzt - alle gegen den CPE") lautet die Parole auf dem Transpi, welches die ankommenden Studierenden bereits an der Tramstation auf die Blockade hinweist. In den frühen Morgenstunden war die Universität 3 "Michel de Montaigne" von ca. 80 Studierenden besetzt worden. Allerdings konnte das Verwaltungsgebäude nicht besetzt werden, da es von den Leuten eines privaten Sicherheitsdienstes bewacht wurde. Diese hatten Anweisung, dieses Gebäude auf keinen Fall zu öffnen, zeigten sich allerdings solidarisch und waren bei der Besetzung der restlichen drei Gebäude äußerst hilfreich. Diese Situation mutete sehr absurd an, da letztendlich der Verwaltungsapparat inkl. Rektorat seine Arbeit wie gewöhnlich ausführen konnte und nur der Lehrbetrieb bestreikt wurde.

Sämtliche Eingänge wurden verrammelt und die Türen mit Ketten (die übrigens von einer Gewerkschaft gesponsort waren…) unter Mithilfe des selbst prekär angestellten Wachpersonals verschlossen - ein ungewöhnlicher Anblick! Die ankommenden Lehrkräfte und Angestellten zeigten allesamt Verständnis mit der Blockade bzw. zumindest mit dem Anliegen der Studierenden. Dies ist nicht sehr verwunderlich, da laut Umfragen ca. 67% der Bevölkerung gegen die Annahme des CPE sind. Die Vollversammlung, welche mit über tausend Leuten sehr gut besucht war, beschloss mit wenigen Gegenstimmen die Fortführung des Streiks bis zumindest Donnerstag, an welchem ein nationaler Aktionstag gegen den CEP stattfinden wird. Der Forderungskatalog der Studierenden, welcher auf dem landesweiten Delegiertentreffen in Poitier verabschiedet worden war, reichte weit über die Rücknahme des CEP hinaus: Rücknahme der Stellenstreichung im Bildungswesen, Rücknahme eines neuen Gesetztes, welches Nachtschichtarbeit bereits ab 15 Jahren genehmigt, Straffreiheit für die AktivistInnen der Schulbesetzungen im vergangenen Jahr sowie für die AktivistInnen der gewaltsamen Auseinandersetzungen letzten Herbsts .

Das Medienecho war enorm: Alle großen Fernsehsender sowie viele Radiosender waren vor Ort und berichteten über die Blockade. Mittelpunkt der Ausstrahlungen abends allerdings war leider der peinliche Auftritt des Unirektors, welcher sich erdreistete zu behaupten, dass sich der Verwaltungsrat seiner Uni bereits als erster gegen den CPE gewandt hätte, was sich noch während der Vollversammlung als Lüge herausstellte. Unter Buhrufen wurde ihm das Mikro entzogen. Natürlich wurde dies nicht in den Medien gezeigt.

Insgesamt eine gelungene Blockade trotz einiger Pannen (das unbesetzte Verwaltungsgebäude), von welcher die Studierenden in Deutschland noch einiges lernen können. So sprachen auf der Vollversammlung viele VertreterInnen sowohl gewerkschaftlicher als auch revolutionärer Organisationen und konnten offen ihre Positionen darlegen, was zumindest in manchen Städten Delands, in welcher selbst Ver.di von vielen Studierenden als "zu links" abgeleht wird, so nicht denkbar wäre. Außerdem zeugt der Protest von einem noch vorhandenem Widerstandspotential gegen die dauernden Angriffe auf die Lohnabhängigen, das es in Deland leider nicht zu geben scheint.

Was ist der CPE?  http://de.wikipedia.org/wiki/Contrat_premi%C3%A8re_embauche
Nachrichten von France3 (frz.):  http://jt.france3.fr/1920/
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Ergänzungen

Analyse in der FR

Newsflash 14.03.2006 - 13:47
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/die_seite_3/?cnt=825027

"Historische Parallelen faszinieren Frankreichs Politiker und Leitartikler. Weil die Besetzung der ehrwürdigen Sorbonne mit einem muskulösen Polizeieinsatz beendet wurde, wird sogleich der Mai 1968 beschworen. Aber es ist wohl eher die Angst vor jenem mystischen '68, die in diesen Frühlingstagen herrscht."

Bilder

Newsflash 14.03.2006 - 13:49

Noch eine Analyse

Newsflash 14.03.2006 - 13:56
 http://www.frankenpost.de/nachrichten/standpunkte/resyart.phtm?id=934636

"Manche sehen das zweitgrößte EU-Land bereits in einer „echten Regimekrise“ wie bei den Studenten- und Arbeiterunruhen im Mai 1968. „Ist Frankreich in einer revolutionären Lage?“, fragte der konservative Figaro am Montag ernsthaft, um zum Schluss zu kommen: „Alles deutet darauf hin, dass die überzogene Angst vor einer revolutionären Krise, einem neuen und schlimmeren Mai '68, der Hauptgrund für die Lähmung der Macht und den Verfall des politischen Lebens in Frankreich ist.“ Die Bedingungen für einen Umsturz seien gar nicht gegeben. Aber die Regierung gibt in der Regel nach, wenn die Proteste zu laut werden."

Bus aus Torino

2G 14.03.2006 - 14:52
Italienische Studierende organisieren z.Z. einen Bus um Donnerstag nach Paris zu fahren.
 http://italy.indymedia.org/news/2006/03/1018722.php

Gabs da nicht so´n Bildungs-Bus in BaWü?
( http://www.bildungs-bus.de)
Frankreich ist bestimmt spannender als der BaWü -Wahlkampf...
Solidarität ohne Grenzen! Auf nach F. oder Aktionen in D....
Irgendwas muss getan werden!

Update

Newsflash 15.03.2006 - 00:09
Demonstrationen heute in Nantes, Lille, Paris; Schüler und Studenten, abends wieder heftige Krawalle rund um die Sorbonne.

Weitere Analyse

Newsflash 15.03.2006 - 01:26
"Villepin irrt

Wieder einmal lehnen sich die Franzosen gegen eine Sozialreform auf. Ausnahmsweise zu Recht: Die Pläne des Premierministers zementieren nur die Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt."

Financial Times

 http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2006-03/artikel-6135484.asp

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