Spanien: Gefangenenaufstand -Prozess nach 15 Jahren

por donde sal razon 03.02.2006 08:31 Themen: Repression Weltweit
In Alacant begann der Prozess gegen 13 Gefangene die 1990
im Gefängnis von Focalent einen Aufstand organisiert hatten;
unter den Angeklagten sind FIES-Gefangene der ersten Jahre
Das aktuelle Sicherheitsaufgebot sprengt den bisherigen Ramen
Nach 15 Jahren Strafanträge von bis zu 80 Jahren Haft ...
Der erste Prozesstag am 31.01.2006 gegen die 13 Gefangenen, die im November 1990 im Gefängnis von Focalent, Alacant, einen Aufstand mit Geiselnahme gegen die Unerträglichkeit der Haftbedingungen gemacht hatten, fand unter Aufbietung eines Sicherheitspotentials statt, welches einer der Anwälte folgendermassen kommentierte: "So etwas habe ich während meiner gesamten 21 jährigen Laufbahn noch nie erlebt ".

Der Prozess, um den es geht, ist eine Wiederaufnahme bereits vorangegangener Verhandlungen, von denen die letzte, im Oktober 2002, die per Videobefragungen abgehalten worden war, für ungültig erklärt wurde. Dennoch wird nun, nach 15 Jahren eine neue Beweisführung und Verurteilung unternommen. Von den 13 Angeklagten waren alle seither ohne Unterbrechung in Haft, manche in den ersten FIES-Trakten der Experimentierphase dieses Isolationshaft-und Folterregimes; nur einer der damaligen Aufständischen ist untergetaucht und kann nicht aufgefunden werden.
Die Anklagepunkte sind schwerwiegend: Mord, Mordversuch, Geiselnahme, Körperverletzung, Raub und Attentatsverübung. Bei dem Aufstand kam ein algerischer Gefangener ums Leben, was den Meuterern angelastet wird. Die Staatsanwaltschaft beantragt insgesamt 1.853 Jahre Haft.

Um die Verlegung der Gefangenen, von denen einige als hochgefährlich gelten, zu bewerkstelligen, zur Vermeidung von Fluchtversuchen und der Garantie der öffentlichen Sicherheit, rief die Subdelegation der Regierung, mehr als 45 Sicherheitskräfte der National Polizei und der Guardia Civilauf den Plan. Zudem wird für die Gesamtdauer des Prozesses, von Valencia bis Alacant eine spezielle Interventionseinheit in Bereitschaft gestellt bleiben. Zu diesem Aufgebot kommt das für gewöhnlich von den Richtern für sich beanspruchte Sicherheitspersonal hinzu. Laut dem Präsidenten des Provinzgerichts, Vicente Magro, sind dies zwei private Sicherheitsleute und fünf bewaffnete, vom Justizpalast Beauftragte. Überdies wurden zwei Festhaltemechanismen aus Metall an den Türen des entsprechenden Gerichtssaales installiert. Auch die Sicherheitsbeamten im Gefängnis Focalent werden für die Zeit des Prozesses verstärkt, um "den Verlust an menschlichen ( Rechts-) mitteln = Zeugen, zu vermeiden".

An den Verhandlungen nehmen 28 Zeugen teil. Am ersten Tag des Prozesses ( der bis 22. Februar dauern soll ) erreichten die Zahlen des personellen Aufgebotes astronomische Höhen. Für den reibungslosen Verlauf wurden 109 Beamte, Sicherheitsleute, Gutachter, Rechtsanwälte, Zeugen und Gerichtspersonal eingesetzt. Die Organe, welche den Prozess unterhalten, bestehen aus dem Gerichtshof, einer Unterdelegation der Regierung, Strafvollzugsinstitutionen und der Konselleration. Für die Dauer eines Monats musste das Gericht drei stellvertretende Richter ausfindig machen, die nicht die Ergebnisse der zweiten und dritten Sitzung suspendieren. Die Richter, welche das Urteil über die mutmasslichen Aufständischen sprechen werden, gehören zu diesen beiden Gerichtssälen und nur die erste Sektion wird komplett für die Gesamtdauer des Prozesses am Provinzgericht verbleiben.

17 Gefängnisbedienstete, die damals den Aufstand miterlebten, treten als Zeugen auf; darunter auch der ehemalige Direktor von Focalent 1990 und die Lehrer bzw. Ausbilder, die selbst Geiseln gewesen waren. Ebenfalls als Zeugen fungieren die sechs Gefangenen, die 2002 freigesprochen worden sind.

Angesichts der an die 50 Sicherheitsbeamten forderte die Verteidigung, die Verhandlung im Palacio de Justicia de Benalúa für ungültig zu erklären: "Das Sicherheitsaufgebot verletzt die Rechte der Angeklagten"...die separiert und eingekreist von Sicherheitskräften, darunter Aufstandsbekämpfungsgorillas aus Valencia, auf den Bänken sassen. Zudem standen gleich mehrere Reihen von Polizisten vor den Gefangenen und liessen sie keinen Moment lang aus den Augen. Einer der zwölf Anwälte, Enrique Botella, sagte: Die Absprachen zwischen Anwalt und Klient sind nicht geschützt, da die Sicherheitskräfte die Konversationen verfolgen". "In 21 Jahren Anwaltschaft habe er soetwas noch nicht erlebt, so Botella und damit beantragte er, dass die Angeklagten ihre Erklärungen ohne Fesseln abgeben dürften, weil diese die Freiheit und Spontanität in der Stunde der Erklärung einschränkten.

Dann erfolgten die Erklärungen der Angeklagten, welche denen der vorigen Prozesse weitgehend entsprachen; bis auf jene von dem als Autor bekannten FIES-Gefangenen Juan Jose Garfia, dessen Leben zudem unter dem Titel "Stunden des Lichts" ( Horas de la Luz ) verfilmt worden ist ( der Film wurde Anfang Januar ausgerechnet in Alacant uraufgeführt ).

Antonio C. F. - 138 Jahre Strafantrag, wegen Ermordung eines Mitgefangenen, Geiselnahme von neun Gefängnisbeamten, versuchtem Strafentzug und Attentatsverübung.
Der Angeklagte verneinte, den Mord begangen zu haben und verweigerte die Anerkennung seiner Unterschrift der vorigen Erklärung, in der er die Tötung zugegeben hatte. Wie zuvor aber, erklärte er, es habe sich bei der Tötung des Algeriers um die Begleichung einer Rechnung wegen Drogen gehandelt. Antonio gab zu, mehrere Beamte als Geiseln genommen und mit einem Stichel bedroht zu haben.

Sein Schwager, Manuel P.- 89 Jahre Strafantrag - gab an, der Führer des Aufstandes gewesen zu sein und mehrere Bamte in Zellen eingesperrt zu haben. Antonio habe den Algerier nicht getötet, sagte er weiter, weil er sich mit ihm selbst in einem anderen Teil befunden hätte. Manuel klagte an, dass die Häftlinge, welche Antonio beschuldigten Bevorteiligungen erhalten hätten und sich aufgrund von Misshandlungen der Beamten an den Gefangenen in den Aufstand verwickelt hätten. Er stritt ausserdem ab, einen Stichel von Blut gereinigt zu haben, wie es ihm von vorherigen Zeugen angelastet wird.

Francisco S. anerkannte seine Teilnahme an der Geiselnahme der neun Beamten, bestritt jedoch, bei der Tötung des Algeriers dabei gewesen zu sein. Er sagte weiter aus, nichts vom Raub einer Uhr und einer Goldkette einer der Geiselnzu wissen. "Ich hatte viele Tabletten geschluckt"; er gab zu, während des Aufstandes den Schraubenzieher bei sich getragen zu haben, der auf dem Dach des dritten Traktes gefunden wurde.

Salvador V. E - 85 Jahre Strafantrag - gab ebenfalls an, nicht bei der Tötung anwesend gewesen zu sein und dass der Algerier vor seinem Tod gesagt habe " er gehe hinunter in den Speisesaal, um ein Problem zu regeln und das war´s ".

Vicente G.C - Strafantrag 100 Jahre - widerrief seine vorige Aussage, nach welcher Antonio C.E. un Francisco S. den Algerier getötet hätten, er sei "sehr streitbar gewesen und habe viel Widersprüchliches von sich gegeben". Er gab an, nicht an dem Aufstand beteiligt gewsen zu sein, sondern er habe sich darauf beschränkt, die in den Zellen eingeschlossenen Geiseln mit Brötchen zu versorgen.

Gabriel R.B. gestand Geiselnahme, Strafentzug und Attentat ein, indem er sagte, "er sei auf das Dach gestiegen, weil alle Welt das getan hatte", obwohl er die Unterscheidung einwandte, "eigentlich nirgendwohin und nichts gewollt zu haben".

José Antonio M.P, angeklagt wegen Körperverletzungen, sagte, er habe keine Waffe getragen und keinen Beamten in eine Zelle gebracht.

Héctor G. gab zu, während des gesamten Aufstandes bewaffnet gewesen zu sein. Er habe auf die Anordnungen Manuel P´s gehandelt, "aus der Angst heraus, die er mir einflösste".

FLUCHTPLAN

Juan José Garfia - 52 Jahre Strafantrag - änderte komplett seine vorherigen Aussagen, welchen zufolge der Aufstand gemacht worden war, um eine Verbesserung der Behandlung der Gefangenen seitens der Gefängnisbeamten einzufordern.
Garfia gab an, zu einer Gruppe von Gefangenen gehört zu haben, die den Plan verfolgte, über den Frauentrakt aus Focalent zu fliehen. Diese Gruppe habe an der Einschätzung der notwendigen Zeit zur Realisierung dieses Fluchtplanes gearbeitet, der "besser war, als jener Aufstand" und bezüglich dieser Flucht habe es keine Absprachen mit Antonio C.E gegeben, "denn dieser verfolgte eine andere Handlungsweise, die uns missfiel".
Garfia hob hervor, dass Antonio C.E "den Aufstand aus Verärgerung über uns machte" und seine Absicht war nicht die Flucht, sondern zu demonstrieren, dass er fähig war, einen Aufstand zu Wege zu bringen. Deshalb machte er ihn auf eigene Rechnung.
Er selbst, so Garfia, habe sich aus dem Aufstand herausgehalten und sich in der Nacht von dessen Beginn, in einer Zelle eingeschlossen, denn "alle standen unter Drogen und es lief darauf hinaus, uns selbst umzubringen". Ich hielt mich heraus, weil es etwas Unmögliches war, einen Hubschrauber oder ein verblendetes Fahrzeug zu fordern. Der Anwalt Garfias unterstrich, dass dieser keiner der Anführer des Aufstandes gewesen war, denn wenn er es gewesen wäre, "wäre er von den restlichen Gefangenen als Verräter angesehen worden und dann wäre er nicht hier unter uns".
Eine Verurteilung im Sinne des beantragten Strafmasses, würde für Garfia bedeuten, dass seine Entlassung ( nach mehr als 20 Jahren Gefängnis, inclusive FIES ) sich von 2008 auf das Jahr 2015 verzögern würde.

Der nächste Verhandlungtermin ist der 06. Februar und wird aus der Vernehmung der damaligen Gefängnisbeamten in Focalent bestehen.

( Quelle u.a.:  http://es.news.yahoo.com/fot/ftxt/yahoo_310106_189436.html )

Zur Geschichte der Gefangenenaufstände in Spanien siehe unter:
www.escapeintorebellion.info
Web-Site von Juan Jose Garfia in Spanisch:
 http://www.gratisweb.com/libertadgarfia/
Hunderte Anarchosyndikalisten demonstrieren für Garfia,2004, Artikel in Spanisch
www.granadaenlared.com/noticias/0411/13192930.htm
Public Domain Dedication Dieses Werk ist gemeinfrei im Sinne der Public Domain
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen