Gate Gourmet Streik in Düsseldorf: 6. Woche

wildcat 12.11.2005 18:04 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
Am 30.10. haben wir über den Streik bei Gate Gourmet an Düsseldorfer Flughafen berichtet. Ein Ende ist nicht absehbar, das Streikpostenzelt wird jetzt winterfest gemacht. Trotz massiven Streikbruchs zeigten sich die Streikenden bei unserem Besuch diese Woche entschlossen, gegenüber dem Multi nicht klein beizugeben.
Gate Gourmet unterläuft den Streik in Düsseldorf
Massivere Aktionen an vielen Standorten sind nötig!

Die ArbeiterInnen beim Catering-Multi Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen streiken nun schon in der fünften Woche. Ein Ende des Konflikts ist nicht abzusehen, der Konzern zeigt demonstrativ Härte und will sich auf keine Gespräche einlassen. Selbst auf die Vermittlungsbemühungen eines Landesschlichters reagiert er nicht. Trotz des Streiks trat der Düsseldorfer Betriebschef trat seinen dreiwöchigen Urlaub an. Bisher kann Gate Gourmet nach außen den Eindruck vermitteln, dass alles reibungslos abläuft. Umso erstaunlicher ist es, dass die ArbeiterInnen trotz massiver Einkommenseinbußen entschlossen weitermachen und sich auf eine lange Dauer ihres Kampfes eingestellt haben.

Gate Gourmet kann den Streik in Düsseldorf aus mehreren Gründen scheinbar gelassen wegstecken. Zum einen ist die Düsseldorfer Belegschaft im Rahmen der bürokratischen Gewerkschaftsstrukturen isoliert – und auch die Öffentlichkeit zeigt wenig Interesses an so etwas wie Arbeiterkampf. Zum anderen kann das Unternehmen auf massiven Streikbruch zurückgreifen, und es hat dabei die Rückendeckung von der Flughafengesellschaft und den Airlines. Gate Gourmet kostet es eine Menge Geld, die Ausfälle mit Streikbrechern, zusätzlichen Anlieferungen und verstärkten Sicherheitsmaßnahmen gegen mögliche Torblockaden zu kompensieren. Die bisherigen Mehrkosten für Gate Gourmet dürften bereits weit über dem liegen, was ein Eingehen auf die moderate Lohnforderung kosten würde. Aber es geht in diesem Konflikt um die Grundsatzfrage, wie ungehindert dieser Kapitalist seine Kommandogewalt ausüben kann – und eine Niederlage der ArbeiterInnen in Düsseldorf würde dem Konzern an allen Standorten seine Erpressungen erleichtern. Schließlich geht es nicht einfach um Geld, sondern um die verschärfte Abpressung von Arbeit – und die lässt sich gegenüber einer Belegschaft, die politisch gestärkt aus einem Kampf hervorgeht, im Arbeitsalltag nicht mehr so leicht durchsetzen.

Isolierter Kampf in Düsseldorf gegen einen Angriff auf alle

Gate Gourmet scheint momentan überall einen ähnlichen Angriff gegen die ArbeiterInnen zu fahren: die Löhne sollen gesenkt und die Arbeitsbedingungen verschärft werden. Dabei greift die Firma auch zum Mittel der Erpressung, wie am Flughafen Heathrow in London im August. Als dort die ArbeiterInnen wegen der neuen Zumutungen und dem Einsatz von LeiharbeiterInnen eine Versammlung abhielten, wurden sie von der Firma eingesperrt und ultimativ aufgefordert, die neuen Bedingungen zu unterschreiben. Als sie sich trotzdem weigerten, wurde die gesamte Schicht entlassen. Dies führte zu dem beeindruckenden Solidaritätsstreik des Bodenpersonals in Heathrow, der den internationalen Flugverkehr erheblich beeinträchtigte.

In Deutschland hat bisher nur ein einziger Betrieb den Kampf gegen die neuen Zumutungen aufgenommen. In den verschiedenen Betrieben in Deutschland sind die gewerkschaftlichen Vertretungsstrukturen sehr unterschiedlich. Formal gibt es zwei Gate-Gourmet-Firmen: die Gate Gourmet Deutschland, zu der die meisten Betriebe gehören, und die Gate Gourmet West mit Betrieben in Düsseldorf, Köln und Frankfurt-Kelsterbach. Diese werden von der NGG vertreten, da der Düsseldorfer Betrieb früher LTC hieß und eine LTU-Tochterfirma war, die im Arbeitgeberverband der nordrhein-westfälischen Nahrungsmittelhersteller war. In Kelsterbach gibt es überhaupt keine gewerkschaftliche Vertretung. Dort hat der Betriebsrat bereits den Forderungskatalog von Gate Gourmet akzeptiert und unterschrieben. Kein Wunder also, dass gerade aus diesem Betrieb vorgefertigte Bordverpflegung angeliefert wird und sogar Streikbrecher nach Düsseldorf geschickt werden können. Als die Streikenden aus Düsseldorf am 19.10. mit ihren dort arbeitenden KollegInnen sprechen wollten, standen sie vor verschlossenen Türen.

Der andere Betrieb in Frankfurt (Zeppelinheim) und die übrigen Standorte in Deutschland gehören zu Gate Gourmet Deutschland, die aus dem Bankrott von Swissair entstanden ist und daher von ver.di vertreten wird. Hier besteht auch schon seit gut zwei Jahren ein tarifloser Zustand und in den Verhandlungen verlangt Gate Gourmet ähnliche Verschlechterungen wie jetzt in Düsseldorf. Aber da ver.di die Verhandlungen bisher nicht als gescheitert erklärt hat und offensichtlich zwischen NGG und ver.di keine Koordination stattfindet, „muss“ hier trotz des Streiks in Düsseldorf weitergearbeitet werden. Es gibt Solidaritätserklärungen aus deren Reihen, und einige Betriebsräte scheinen auch zu versuchen, über ihre Mitbestimmungsrechte die Versendung von Kollegen als Streikbrecher zu unterbinden (es sind in der Tat hauptsächlich Männer, die als Fahrer in Düsseldorf eingesetzt werden). Aber das ändert nichts an der Isolation des Arbeitskampfs in Düsseldorf.

Streikbruch aus Frankfurt und durch Leiharbeit

Neben den Streikbrechern und den Anlieferungen, die aus Frankfurt kommen, greift Gate Gourmet zunehmend auf LeiharbeiterInnen zurück. Zum einen auf die Firma Tertia aus Krefeld, vor allem aber von der Gebäudereinigungsfirma G&A (Goldberg und Avci GmbH) in Duisburg (Rheintörchenstraße 126) werden immer mehr Leute geschickt. Gate Gourmet selber schaltete in der Düsseldorfer Presse eine Stellenanzeige für einen LKW-Fahrer: als dort jemand anrief, wurde er an G&A verwiesen, er solle sich dort bewerben und könne dann bei Gate Gourmet arbeiten.

Die Streikbrecher gehen durch einen Nebeneingang, um den Diskussionen mit den Streikposten vor dem Tor auszuweichen. Die Streikenden haben immer wieder versucht, mit ihnen zu diskutieren. Diese Woche verteilten sie einen Zettel in deutscher und türkischer Sprache, der die LeiharbeiterInnen über ihre Rechte aufklärte (Streikzeitung Nr. 24 vom 9.11.2005). Denn im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz heißt es – trotz der weitgehenden Demontage dieses Gesetzes im Zuge der Hartz-IV-Reformen – immer noch in § 11 (5): „Der Leiharbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. In den Fällen eines Arbeitskampfs nach Satz 1 hat der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht, die Arbeitsleistung zu verweigern, hinzuweisen.“ Natürlich ist das nur wertloses Papier, denn selbst wenn ein Sklavenhändler seine Beschäftigten nicht darauf hinweist, droht ihm kaum mehr als eine müde Ermahnung vom Landesarbeitsamts, der Überwachungsbehörde. Und die LeiharbeiterInnen wissen nur zu gut, dass sie sich bald einen neuen Job suchen können, falls sie dieses „Recht“ für sich in Anspruch nehmen. Wichtig wäre es, die Firma selber unter Druck zu setzen und ihnen das Geschäft mit der Streikbrucharbeit zu vermiesen. Immerhin: als der Gesamtbetriebsrat der Nordsee-Fischläden-Kette die Streikenden am Tor besuchte und von den Streikbruch-Einsätzen der Firma G&A erfuhr, kündigte er an, die Qualität ihrer Arbeit in den Nordsee-Läden im Ruhrgebiet überprüfen zu lassen, um ihr mit einer Aufkündigung der Verträge drohen zu können (Streikzeitung Nr. 17, 31.10.05).

Die Streikenden wollen weitergehen ...

Zweimal haben die Streikenden bereits versucht, die Tore zu blockieren, durch die die LKWs von Gate Gourmet aus dem Betrieb herauskommen, um zu den Flugzeugen auf dem Rollfeld zu fahren. Da die Standzeiten aufgrund des Kostendrucks immer weiter reduziert wurden, würde schon eine Blockade von ein oder zwei Stunden zu enormen Problemen und Verspätungen führen. Bei Beginn des Streiks hatte die Betriebsleitung die Produktion in ein früheres, seit Jahren ungenutztes Gebäude verlagert, das nicht unmittelbar an der Zufahrt liegt, um so die Streikbrecher von den Streikenden fernzuhalten. Als ihr dies aufgrund von Sicherheitsmängeln untersagt wurde, musste sie die Produktion wieder in das normale Gebäude verlegen – dessen Beladerampen unmittelbar vor dem Streikzelt liegen. Dass die LKWs nun direkt vor ihrer Nase ein- und ausfuhren, wollten sich die Streikenden nicht gefallen lassen. Aber da Flughäfen einen speziellen Sicherheitsbereich darstellen, war die Polizei schnell zur Stelle und beendete die Aktion. Am nächsten Tag ermahnte auch die Gewerkschaft NGG die Streikenden:

„Auf ein Wort: Kurze Aufregung gab es gestern, als die Streikposten sehen, dass die LKWs wieder die vordere Laderampe nutzen. Das würde man zu gern verhindern! Aber Vorsicht: Aktionismus ist nicht immer hilfreich! Klar ist doch: Natürlich versucht die Geschäftsführung, die Streikenden zu provozieren. Aber darauf müssen wir doch nicht eingehen! Nutzen wir den Kontakt mit Streikbrechern, sie von unserer Sache zu überzeugen. Mit heißem Herz, aber einem kühlen Kopf! Dazu verteilen die Streikposten seit gestern Flugblätter mit dem Hinweis: ‚Zeigen Sie Zivilcourage ... Je eher Sie rauskommen, desto schneller sind wir wieder drin!’“ (Streikzeitung Nr. 18 vom 1.11.2005)

Diese Woche versuchten sie es noch einmal und dachten, sie könnten sich auf die Straßenverkehrsordnung stützen. Gleich vor dem Tor, auf der Straße in Richtung Rollfeld, gibt es einen Zebrastreifen. Also überquerten sie permanent an dieser Stelle die Straße und stoppten damit den Verkehr. Wieder war gleich die Polizei zur Stelle und klärte sie auf, dass die Benutzung des Zebrastreifens für maximal zwei Minuten zulässig sei. Die Streikenden lachen über ihre neu gewonnenen Rechtskenntnisse, als sie uns den Vorfall schildern.

Selbst bei ihren lautstarken Beschimpfungen und Pfeifkonzerten gegen die Streikbrecher und die herausfahrenden LKWs werden sie zur gesetzlichen Ordnung gerufen. „’Schweine’ dürfen wir nicht rufen, weil es eine Beleidigung wäre – wieso denn nicht, es sind doch welche“, amüsieren sie sich.

Obwohl sie so immer wieder in die Schranken des gesetzlich Erlaubten gezwungen werden, ist sich die Firma nicht sicher, wie weit sie gehen könnten und investiert einiges, um sich vor unerwarteten Blockaden zu schützen. Zwischen Streikzelt und Betriebshof wurden Gitter aufgestellt, sie postiert ständig zwei Leute von einer privaten Sicherheitsfirma an der Einfahrt, die wegen der schlechter werden Witterung nun auch mit einem Zelt ausgestattet werden mussten. Und im Unterschied zur Hetze und kurzfristigen Anlieferung an die Maschinen im normalen Arbeitsablauf, wird nun mit den Streikbrechern ruhiger und mit viel Vorlauf gearbeitet, damit mögliche Blockaden zu keinen Verspätungen bei den Abflügen führen können. Das kostet viel Geld, soll aber nach außen die Wirkungslosigkeit des Streiks demonstrieren.

Dabei kommen die Fluggesellschaften und der Flughafenbetreiber der Firma zu Hilfe. Während sich das Flugpersonal solidarisch zeigt und Stewardessen die Fluggäste offensiv darauf hinweisen, dass sie wegen des Streiks bei Gate Gourmet statt warmer Mahlzeiten nur Lunchtüten bekommen, liegt den Airlines sehr daran, dass sich Gate Gourmet mit seiner Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durchsetzen kann, da letztlich auch sie davon in der verschärften Kostenkonkurrenz profitieren. Und die Flughafengesellschaft zeigte sich äußerst kooperativ, als bei Streikbeginn auf die Schnelle massenweise neue Sondergenehmigungen ausgestellt werden mussten, damit Streikbrecher die LKWs auf die Rollbahnen fahren konnten.

Solidaritätsaktionen

Die Streikenden bekommen Solidaritätsadressen aus aller Welt und viel Zustimmung von anderen ArbeiterInnen des Flughafens. Zu einem Soli-Streik wie in Heathrow hat es bisher leider nicht gereicht, und auch aktionsmäßig könnte und müsste mehr passieren, um den Streik in Düsseldorf zu unterstützen. Möglichkeiten gäbe es genug, denn Gate Gourmet hat jede Menge Standorte (siehe Liste in unserem ersten Bericht). Besonders anbieten würden sich wegen der Streikbrecherarbeit die beiden Frankfurter Betriebe und die Zeitarbeitsfirma G&A.

Einen Anfang haben GenossInnen in Zürich gemacht. Sie haben sich am 6. November mit einem Transparent vor die dortige Gate Gourmet Niederlassung gestellt und die Belegschaft über den Streik in Düsseldorf informiert. Die Gate Gourmet-ArbeiterInnen in Zürich hatten von dem Streik in Düsseldorf noch nichts gehört, waren sehr daran interessiert und berichteten, dass sie mit ganz ähnlichen Zuständen und Zumutungen konfrontiert sind. Zur Nachahmung empfohlen!



Links:

Unser erster Bericht auf Indymedia:
 http://germany.indymedia.org/2005/10/131034.shtml

Die NGG gibt fast täglich eine Streikzeitung heraus, in der über Neuigkeiten informiert und Streikende vorgestellt werden. Alle Streikzeitungen findet ihr hier:
 http://www.ngg.net/alle_streikzeitungen/

Auch wenn es nicht unsere Lieblingspartei ist, wollen wir noch auf das informative Interview hinweisen, dass die Rote Fahne am 4.11. mit Streikenden auf der Demo in Düsseldorf führte:
 http://www.rf-news.de/rfnews/aktuell/Betrieb_und_Gewerkschaft/article_html/News_Item.2005-11-09.4445

Zum Streik im August in London-Heathrow siehe die beiden interessanten Hintergrundartikel:

Keine Flüge von Terminal A
Die Hintergründe des Solidaritätsstreiks in London Heathrow
in: ak 499
 http://www.akweb.de/ak_s/ak499/14.htm

Teuer streiken statt billig fliegen
Willi Kaufmann zum Streik auf dem Flughafen Heathrow
in: express 8/2005
 http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/tw/luftverkehr/kaufmann.html
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Der RAS zum Streik — no sleep in brooklyn