Reporter ohne Grenzen im Dienste der USA

Ralf Streck 14.05.2005 18:47 Themen: Medien Weltweit
"Ganz genau, wir erhalten Geld von der NED und das bereitet uns kein Problem", hat der Chef von Reporter ohne Grenzen Robert Ménard nun zugegeben. Doch ist die National Endowment for Democracy (NED) nicht irgendeine Organisation. Sie, und die ihr untergeordneten Stiftungen, unterstehen dem US-State-Departement. Sie wurden 1983 unter der Reagen-Administration gegründet, um zielgerichtet eine Politik zur Destabilisierung Kubas und des sandinistischen Nicaraguas zu betreiben.
Zwanzig Jahre gibt es die französische Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF/ http://www.rsf.org), zwanzig Jahre steht ihr unangefochten Robert Ménard vor und zwanzig Jahre sind die Gerüchte nicht verstummt, dass es enge Beziehungen zum US-Geheimdienst CIA und staatlichen Stellen der USA gibt. In der letzten Zeit verdichteten sich die Hinweise und Recherchen wiesen direkt auf die Finanzierung von RSF durch staatliche US-Stellen hin. So hatte zuletzt die Journalistin Diana Barahona ( http://www.newsguild.org/gr/gr_display.php?storyID=2213) vom US-Journalistenverband "The Newspaper Guild" ( http://www.newsguild.org) über die RSF-Finanzierung durch die NED ( http://www.ned.org) berichtet.

Angesichts des Drucks auf Ménard kam der nicht umhin, auch offiziell die Finanzierung einzuräumen. In einem Forum des französischen Wochenmagazins Le Nouvel Observateur wurde Ménard von einem Netizen direkt auf die Recherchen von Barahona angesprochen. Daraufhin erklärte er: „Ganz genau, wir erhalten Geld von der NED und das bereitet uns kein Problem“ ().

Sollte es aber, schon deshalb, weil diese Gelder im Rechenschaftsbericht der Organisation nicht auftauchen ( http://www.rsf.org/article.php3?id_article=10589). Nach den eigenen Angaben zum Finanzjahr 2003 hatte RSF einen Haushalt von 3.472.122 Euros. 11 % seien vom französischen Staat gekommen, 12% von Mäzenen, 4% Spenden, 15% von der EU, 10% durch punktuelle Aktionen. Dann ist da der größte Posten: 48% sollen durch Publikationen erwirtschaftet worden sein, wofür die Organisation den Verkauf von Fotoalben anführt. Das wären fast 250.000 verkaufte Kalender. Entweder wurde davon ein guter Teil an die NED geliefert oder es müsste schwarze Kassen der Organisation geben.
Seit langem leidet das Ansehen der Organisation an der selektiven Wahrnehmung von Verstößen gegen die Pressefreiheit. In Europa kann das deutlich am Baskenland beobachtet werden. Als besondere Bedrohung der Pressefreiheit wird 2004 die baskische Untergrundorganisation ETA aufgeführt () Obwohl die keine tödlichen Anschläge ausgeführt hatte und auch gegen Pressevertreter oder Organe seit Jahren nicht vorgegangen war. Die „präventive“ Schließung der Baskischen Tageszeitung dagegen wird in dem Jahresbericht mit „Verdacht auf eine Kollaboration“ mit der ETA begründet (). Kein Wort darüber, dass das faktische Verbot bei der Veröffentlichung des Berichts seit mehr als einem Jahr bestand. Es besteht bis heute und bisher sind keine Beweise vorgelegt worden. Dafür haben die Journalisten glaubhaft angezeigt, gefoltert worden zu sein (). So fehlt damals wie heute die Kritik an der fehlenden Ermittlung der Vorwürfe oder der Tatsache, dass in Spanien für die 1998 „präventiv“ geschlossene Zeitung und Radio Egin oder im Fall der Zeitschrift Ardi Beltza (2000) bis heute kein Prozess durchgeführt wurde.
Besonders fällt die Militanz gegen Kuba unter Fidel Castro und Venezuela unter Hugo Chavez auf. Wegen des aggressiven Auftretens gegen Kuba verlor RSF sogar den Status eines konsultierenden Mitglieds der UNO. Der Antrag für den zunächst befristeten Ausschluss für ein Jahr hatte der UN-Ausschuss für Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) gestellt, wegen eines von RSF provozierten Zwischenfalls bei der Eröffnung der 59. Menschenrechtskommission am 17. März 2003 in Genf.
Aber auch der neueste RSF-Jahresbericht ist auffällig, der zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai vorgestellt wurde ( http://www.rsf.org/rubrique.php3?id_rubrique=509). Darin werden 53 getötete Journalisten angeführt und vom Irak als „gefährlichsten Ort“ gesprochen. Doch bei Journalisten, die von den US-Besatzungstruppen erschossen wurden, ist die Organisation mehr als zurückhaltend. Hier übernimmt die Organisation die US-Sprachregelung und spricht von „Unfällen“. Das ist auch die Wortwahl der USA im Fall der Italienerin Giuliana Sgrena (). Der Tod ihres Beschützers führt nun aber sogar zur Krise mit Italien, weil auch die Regierung Berlusconi nicht an einem „tragischen Unfall“ glaubt.
Allerdings wurde Ende April die Berichterstattung von RSF über Vorfälle im Irak auffällig wieder kritischer. So schrieb die Organisation Anfang Mai einen Brief an General Abizaid und forderte die Freilassung des für CBS News arbeitenden Kameramanns Abdel Amir Hussein, der Anfang in April in Mosul festgenommen wurde und seitdem ohne Vorlage von Beweisen in Abu Ghraib inhaftiert ist. Schon am 26. April, einige Tage nach dem Eingeständnis, von NED Gelder zu erhalten, zeigte sich RSF über mehrere Festnahmen von Journalisten besorgt, die sich teilweise seit Monaten ohne formelle Anklage in irakischer oder amerikanischer Haft befinden. Soll nun damit der Verdacht ausgeräumt werden, durch die US-Regierung beeinflusst zu werden, oder hat sich das zufällig so ergeben?
Im Bericht für Amerika fällt auf, dass RSF zu Beginn davon spricht, „Pressefreiheit wird generell in der Region respektiert“. Doch das gelte nicht für Kuba und sie werde zudem in Kolumbien verletzt und sei in Venezuela bedroht. Dann spricht die Organisation von „12 getöteten Journalisten“, drei mehr als im Jahr zuvor: Mexiko (3), Nicaragua (2), Peru (2) und in anderen Ländern wird jeweils ein toter Journalist beklagt. Es fällt auf, dass Kuba nicht darunter ist, wo seit 1959 kein Journalist ermordet wurde. Ganz abgesehen davon, spricht die lateinamerikanische Journalistenvereinigung CIAP-FELAP () von 20 ermordeten Journalisten für den Kontinent und sogar 117 weltweit. Statt von einer generellen Pressefreiheit, spricht die lokale Organisation von einer „fatalen Singularität“ und einem neuen „Rekord“ für Amerika bei der Zahl der getöteten Journalisten.
Diana Barahona wies in ihrem Artikel auch darauf hin, dass es mit der „völligen Pressefreiheit“ welche die Pariser Organisation den USA generell bescheinigt, nicht so weit her ist. So weist sie auf die Fälle von Judith Miller und Matthew Cooper hin. Die Journalistin der New York Times () und der Journalist des Time Magazins ( http://www.time.com), wurden zu einer Strafe von 18 Monaten verurteilt, weil sie sich weigern, Informationsquellen zu nennen. Sie hatten eine CIA-Agentin aufgedeckt ( http://nzz.ch/2005/05/06/em/articleCOMQM.html). Weder zu diesen Fällen noch zum Fall des schwarzen Journalisten Mumia Abu Jamal verlieren die RSF ein Wort. Nur eine massive Kampagne hatte verhindert, dass dessen Todesurteil nie vollstreckt wurde und in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt wurde ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/11/11387/1.html). Obwohl er Ehrenbürger von Paris ist, hat sich der Pariser RSF dem Fall nie angenommen. Dabei gab es viele Ungereimtheiten im Verfahren gegen den unbequemen Journalisten der schon fast 25 Jahre im Gefängnis sitzt
Neben Kuba, angeblich das einzige Land in Amerika, dass Journalisten inhaftiere, schießt die Organisationen auch scharf gegen Venezuela. Auch hier ist eine Übereinstimmung mit der US-Außenpolitik festzustellen. So weist Barahona darauf hin, dass die NED nicht nur die RSF finanziert, sondern auch die Gruppen und Medien unterstützt, die 2002 in den Putsch gegen die Regierung Chavez verwickelt waren ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18702/1.html). Obwohl diesen Medien die Lizenz nicht entzogen wurde, spricht die RSF von einem „autoritären System“ und stellt sich offen an die Seite der Putschisten. Nun zieht man gemeinsam gegen ein bedenkliches Mediengesetz zu Felde, das bisher aber nie angewendet wurde ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19910/1.html)
Diese Übereinstimmungen mit der US-Politik und die Besonderheiten bei der Bewertung von Pressefreiheit sind angesichts der Offenbarung, dass auch die Reporter ohne Grenzen durch die NED finanziert werden, wohl kein Zufall. Wer sich von der NED, das dem State Departement untersteht, geheim finanzieren lässt, kann wohl kaum noch als unabhängig bezeichnet werden. Der Ex-CIA-Agent Philip Agee beschreibt das NED wie folgt. Es sei unter der Reagen Adminstration gegründet worden und ihm gehörten mehrere Stiftungen an. Der Kongress habe der NED 1984 mehrere Millionen Dollar zur Verfügung gestellt und diese leitete das Geld weiter an die vier „Kernstiftungen“, die es an ausländische Empfänger verteilten.
„Der ersten Geldempfänger von der NED war die Cuban American National Foundation (CANF), die war damals das Sammelbecken der extremistischsten Castro-Gegner, sowohl von Einzelpersonen als auch von Organisationen, in den USA. Aber der erste echte Test für dieses neue System kam in Nicaragua“. Dort hatte 1979 die sandinistische Befreiungsfront (FSLN) die blutige Somoza-Diktatur verjagt. Die Logistik, die Organisierung und die Unterstützung der Contras erfolgte von Honduras aus. Finanziert wurde diese CIA-Intervention auch durch Waffenverkäufe an die iranischen Mullahs ( http://www.lateinboard.de/lexikon/Iran-Contra-Aff%E4re,bedeutung.htm). Im Land selbst sei die NED und ihre vier Stiftungen aktiv gewesen, um gemeinsam mit der CIA eine antisandinistische politische Front zu schaffen. Das die USA für ihr Vorgehen gegen Nicaragua vom internationalen Gerichtshof in Den Haag verurteilt wurde, spricht für sich.
© Ralf Streck den 08.05.2005
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